Abstract
Die vorliegende Arbeit versucht, einen umfassenden Überblick über die bestehende Evidenz zum Einsatz von MBSR(mindfulness-based stress reduction)-Programmen im Rahmen der onkologischen Therapie zu geben. Darüber hinaus wurde eine Meta-Analyse durchgeführt, um die Wirkung von MBSR auf Lebensqualität (quality of life; QoL), Stimmung und Stress eingehender zu untersuchen. Neben 6 Übersichtsarbeiten (5 systematische Reviews, 1 Meta-Analyse), die gesondert referiert werden, erfüllten insgesamt 19 Originalarbeiten die Einschlusskriterien. Von den 19 Originalarbeiten waren 5 Studien randomisiert und kontrolliert, 4 Studien waren nichtrandomisiert, aber kontrolliert, 9 waren Beobachtungsstudien, und eine Studie wurde als zweiarmige Beobachtungsstudie durchgeführt. Relevante Endpunkte waren QoL, Stimmung und Stress. Für jede Kategorie wurde Cohens d als Maß für die Effektstärke berechnet. Zur Abschätzung des Einflusses auf die QoL wurden insgesamt n = 248 Patienten aus 6 Studien in die Analyse eingeschlossen. Cohens d betrug 0,29 (95%-Konfidenzinterval (95%-KI) 0,17-0,40; p ≤ 0,00005). Für die Variable Stimmung wurden insgesamt 411 Patienten aus zehn Studien einbezogen; der Gesamteffekt betrug 0,42 (95%-KI 0,26-0,58; p < 0,0001). Für die Variable Stress ergab sich eine Effektstärke von 0,58 (95%-KI 0,45-0,72; p < 0,0001; n = 587 Patienten aus 15 Studien). MBSR-Programme können die QoL und Stimmung von onkologischen Patienten verbessern und die subjektiv empfundene Belastung reduzieren. Nichtsdestotrotz besteht nach wie vor Bedarf an randomisierten, kontrollierten Studien hoher Qualität, mit angemessenen, aktiven Kontrollbedingungen, längerem Follow-up, ausreichender Stichprobengröße, klaren Beschreibungen der psychologischen Profile von Patienten sowie der vermehrten Integration qualitativer Forschungsmethoden.Übersetzung aus Forsch Komplementmed 2011;18:192-202 (DOI: 10.1159/000330714)
Einleitung
Die Diagnose Krebs wird in der Regel als lebensbedrohliche Situation erlebt, die mit einem besonders hohen Maß an emotionaler Belastung verbunden ist [1]. Dass die Diagnose Krebs eine «existenzielle Notlage» darstellt, ist seit langem anerkannt [2]; als Folgen sind psychische und physische Symptome von Angst und Depression über Müdigkeit und Schlafstörungen [3,4] bis hin zur Traumatisierung [5] beschrieben worden. Die «existenzielle Notlage», die eine Krebsdiagnose mit all ihren Konsequenzen für den individuellen Patienten als körperliches, geistiges und spirituelles Wesen bedeutet, ist somit selbst als Quelle erheblichen Leidens anzuerkennen. Vor diesem Hintergrund besteht Konsens, dass die Psychoonkologie ein integraler Bestandteil der Versorgung von Krebspatienten sein müssen (z.B. AWMF-Leitlinien: http://www.awmf.org/leitlinien/leitlinien-suche). Die Komplementär- und Alternativmedizin umfasst ein ganzes Spektrum therapeutischer Interventionen wie die Mind-Body-Medizin (Definition und Überblick: http://nccam.nih.gov/health/whatiscam/). Insofern ist es nicht verwunderlich, dass das Interesse an einer integrativen Versorgung bei den Krebspatienten stetig zunimmt und immer mehr Patienten Geist-Körper-Interventionen wie Meditation als Selbsthilfestrategie nutzen, um ihr Leiden zu lindern [6,7]. Doch die Anwendung meditativer Ansätze kann auch Ausdruck der Reflexion eines Patienten über das Wesentliche im Leben (im Sinne einer Neubewertungsstrategie) sein, aus der sich Veränderungen der Lebensthemen und Verhaltensweisen ergeben. Für einige Patienten können diese Praktiken auch die vitale Suche nach dem Sinn des Lebens widerspiegeln, oder die Suche nach einer individuellen Erfahrung des Göttlichen, die das Erleben von Leid und Krankheit transzendieren würde [8]. Eine systematische Erhebung hat ergeben, dass durchschnittlich rund 30% aller Krebspatienten eine Komplementärtherapie versucht haben [9] und somit viele onkologische Zentren auch Formen von komplementärer Behandlung anbieten [10].
Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion
Achtsamkeitsmeditation wird als Weg gesehen, das Leben auf «nicht wertende» Weise zu erfahren, die gegenwärtige Situation (einschließlich der Krankheitssymptome) also urteilsfrei anzunehmen und auch in der gegebenen Situation (einschließlich negativer Emotionen) aufmerksam anwesend zu sein. Der Schwerpunkt liegt bei der Achtsamkeit auf einem beobachtenden Sich-Einlassen auf die eigenen Gedanken und Gefühle in diesem Augenblick. Achtsamkeitsübungen schulen darin, eine aufmerksame, nicht wertende Haltung gegenüber dem Augenblick zu wahren, ohne sich in Gefühle von Schuld oder Versagen zu verstricken, in Wünsche oder in Erinnerungen an das, was einmal war, oder Erwartungen an das, was in der Zukunft sein könnte. Mit vollem Bewusstsein wahrzunehmen, was in diesem Augenblick geschieht, und gleichzeitig emotional loslassen zu können einerseits und unangenehme Erinnerungen und Zukunftssorgen andererseits schließen einander aus. Insofern ist Achtsamkeit eher eine Haltung mit Bezug auf die Gegenwart als etwa eine Technik, um unerwünschte Gefühle zu kontrollieren.
Die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR; mindfulness-based stress reduction) ist ein strukturiertes psychoedukatives Programm. Yoga-Übungen, Schulungen zu gesunder Lebensführung und ein breites Spektrum von Achtsamkeitsübungen werden unter geistiger Fokussierung auf unterschiedliche Aspekte kombiniert, zum Beispiel zu einer sitzenden Übung mit Fokussierung auf die Atmung, oder den klassischen «Body-Scan». Es handelt sich um ein gruppenorientiertes Programm, das in der Regel 8-12 Sitzungen à 2,5 h und ein ganztägiges Seminar umfasst. MBSR ist schon oft erfolgreich im klinischen Umfeld angewandt worden [11,12,13], ist jedoch nicht auf Klinikpatienten beschränkt. Das Grundprinzip der MBSR ist die Förderung der Entspannung durch nicht wertende, stets auf den Augenblick bezogene Aufmerksamkeit für interne und externe Empfindungen, Erfahrungen und Reaktionen von Körper und Geist. Das MBSR-Programm vermittelt hilfreiche Fähigkeiten für den Umgang mit emotionalem Stress und verschiedenen körperlichen Symptomen. Es hat seinen Nutzen bei einer Vielzahl von Krankheiten bewiesen, insbesondere bei Schmerzen und Stresserkrankungen [14,15,16], aber auch bei Angst [17] und Depressionen [18,19,20]. Stress, Angst, Depression und häufig auch Schmerzen zählen zu den Kernsymptomen, die mit der Diagnose und Behandlung einer Krebserkrankung verbunden sind. Es ist wahrscheinlich, dass die MBSR bei Krebspatienten eine hilfreiche Strategie darstellt, vor dem Hintergrund einer häufig verheerenden Diagnose das psychosoziale Wohlbefinden zu verbessern. Darum sind in mehreren Studien die Auswirkungen der Achtsamkeitsmeditation bei Krebspatienten untersucht worden.
Übersichtsarbeiten zur achtsamkeitsbasierten Stressreduktion im Rahmen der Krebstherapie
Insgesamt sind bisher 5 systematische Übersichtsarbeiten [21,22,23,24,25] - davon eine Meta-Analyse [22] - und eine umfassende narrative Übersichtsarbeit [26] erschienen. In ihrer jüngst erschienenen Übersicht führten Shennan et al. [21] eine umfassende systematische Literaturanalyse durch, die 17 zwischen Januar 2007 und September 2009 veröffentlichte quantitative und qualitative Studien einschloss. Die Autoren achteten besonders darauf, qualitative Studien zu finden und auszuwerten, da sie explizit an möglichen Mediatoren der gegebenenfalls beobachteten Effekte interessiert waren. Sie beschreiben signifikante Verbesserungen bei Angst, Depression, Stressbelastung, sexuellen Problemen, physiologischer Erregung und Immunfunktion sowie andere, subjektiv wahrgenommene Vorteile, meist bei weiblichen Patienten. Allerdings bezeichnen sie die Vielfalt der Studiendesigns, der Interventionen und der Dauer des Patienten-Therapeuten-Kontakts als problematisch und halten qualitativ bessere randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und qualitative Studien für erforderlich. Dennoch gelangen Shennan et al. [21] zu dem Schluss, dass Achtsamkeitsinterventionen ein sinnvoller Ansatz für die Supportivtherapie bei Krebspatienten sind.
Von Ledesma und Kumano [22] stammt die bisher einzige Meta-Analyse zu dem Thema. Die Autoren werteten 10 Studien aus und berechneten Cohens d als Maß für den Effekt auf die Daten kurz nach der Intervention (6-15 Wochen). Für die statistische Analyse wurden die Messgrößen in Maße der psychischen und der physischen Gesundheit unterteilt, dabei wurde ein beträchtlicher Effekt auf Verbesserungen der psychischen Gesundheit der Patienten festgestellt (Cohens d = 0,48). Die Autoren kritisieren die geringe Zahl der in Frage kommenden Studien und die allgemein niedrige Qualität der Studien. Darüber hinaus waren die konkrete MBSR-Anwendung, die Therapietreue der Patienten im Hinblick auf selbstständige Übungen sowie das Staging der Krebserkrankungen mangelhaft dokumentiert. Ein weiterer wichtiger Vorbehalt bezog sich darauf, dass physische Maße in der Regel anhand von subjektiven Berichten erhoben wurden. Insgesamt kommen die Autoren zu der Schlussfolgerung, dass MBSR mit hoher Wahrscheinlichkeit die soziale Anpassung von Krebspatienten verbessert und möglicherweise zusätzlich positive Auswirkungen auf körperliche Symptome ausübt.
Einer der ersten systematischen Übersichtsarbeiten zu der Frage, ob Achtsamkeitsinterventionen in der Behandlung von Krebs von Nutzen sind, wurde 2006 von Ott et al. [23] durchgeführt; hier wurden 9 von 14 Forschungsarbeiten (3 davon RCTs), die in Peer-review-begutachteten Zeitschriften erschienen waren, ausgewertet. Die Autoren stellten fest, dass die methodische Qualität der Studien begrenzt und die Stichprobengrößen eher klein waren. Darüber hinaus basierten die Daten oft auf subjektiven Selbstauskünften, und die spezifische Komponente der Behandlungseffekte blieb ungeklärt. Dennoch lautet das Fazit von Ott et al. [23], dass Belege dafür vorliegen, dass MBSR Patienten hilft, ihre Stressbelastung zu verringern, und somit eine effektive Bewältigung unterstützen könnte.
Die erste systematische Übersichtsarbeit zum Thema legten Smith et al. [24] im Jahr 2005 vor; sie werteten 3 RCTs und 7 Beobachtungsstudien aus. Genau wie die Autoren der anderen systematischen Übersichtsarbeiten kritisiert auch diese Gruppe die geringen Stichprobengrößen, die eingeschränkte Beschreibung der Randomisierung, Rekrutierung und Probenahme, die Nichterfassung der Gründe bei Nichtverfügbarkeit für die Nachbeobachtung sowie die unzureichende Erfassung der genauen Merkmale der MBSR-Interventionen. Darüber hinaus wurde ein Mangel an relevanten qualitativen Studien festgestellt. Dennoch kommen auch diese Autoren zu dem Schluss, dass zu einem gewissen Grad Evidenz dafür vorliegt, dass MBSR Stress und Angst lindern und die Lebensqualität (quality of life; QoL) erhöhen kann. Als besonders vorteilhaft wird dabei gewertet, dass die Technik selbstständig angewandt und somit als Selbsthilfestrategie gesehen werden kann.
Einer der Hauptkritikpunkte nahezu aller Autoren war die Heterogenität der Maßnahmen. Im Jahr 2007 gingen Matchim et al. [25] in einer systematischen Übersichtsarbeit der Frage nach, welche Instrumente die höchste Validität besitzen, um Effekte der MBSR bei Krebspatienten zu messen. Ihre Auswertung von 7 Studien ergab, dass insgesamt 13 verschiedene Instrumente zur Messung der Auswirkungen der MBSR bei Krebspatienten eingesetzt worden waren. Die hauptsächlich verwendeten psychologischen Dimensionen waren Stimmung, Stress und Angst. Sie identifizierten SOSI (Symptoms of Stress Inventory) und POMS (Profile of Mood States) als geeignete Instrumente zur Erfassung der psychologischen Wirkung der MBSR bei Krebspatienten. Darüber hinaus verzeichneten sie nach der Intervention eine Reduktion von Stress und Angst sowie Verbesserungen bei gesundheitsbezogener Kontrollüberzeugung, Bewältigungsstil, mentale Anpassung und Schlafqualität. Die Autoren ziehen den Schluss, dass MBSR potenziell von Nutzen für die psychische Anpassung von Krebspatienten ist.
Zusammenfassend schließen sich die meisten systematischen Übersichtsarbeiten der Aussage der am besten lesbaren narrativen Übersichtsarbeit von Mackenzie et al. [26], 2005, an, dass Achtsamkeitsinterventionen hilfreich dafür sind, Angst und Stress zu lindern, Depressionen zu verringern und den Patienten zu helfen, sich an die Herausforderungen, die mit einer Krebsdiagnose verbunden sind, anzupassen. MBSR verringert mit hoher Wahrscheinlichkeit die psychische Belastung und kann sogar die körperliche Funktionsfähigkeit verbessern, ohne dass negative Nebenwirkungen beobachtet worden wären. Diese Interventionen lassen sich sehr gut in die onkologische Versorgung einbetten, und die Autoren stimmen überein, dass MBSR ein nützliches Werkzeug in der integrativen Krebstherapie sein können. Ebenso sind sich alle Autoren jedoch auch einig, dass die vorliegenden Studien noch verschiedene schwere Qualitätsmängel aufweisen. Oft sind es reine Beobachtungsstudien, und/oder sie sind aus methodischer Sicht problematisch. Geringe Stichprobengröße, uneinheitlicher Aufbau und Mängel bei der Berichterstattung wurden bereits erwähnt. Darüber hinaus ist die MBSR selbst ein Mehrkomponenten-Behandlungsansatz, der zudem oft mit anderen gesundheitsbezogenen Verhaltensmaßnahmen (z.B. Ernährungsumstellung) kombiniert wird, so dass die spezifische Wirkung der Achtsamkeit unklar bleibt. Ein weiteres schwerwiegendes Problem ist die Frage der Übertragbarkeit. Die meisten Studien wurden mit rein weiblichen Patientenpopulationen durchgeführt, und es ist fraglich, ob Achtsamkeitsinterventionen bei männlichen Patienten gleichermaßen hilfreich sind. Außerdem variieren Krebsdiagnosen stark im Hinblick auf den zeitlichen Verlauf der Krankheit und ihre Lebensbedrohlichkeit, d.h. den palliativen Charakter. Wie effektiv Achtsamkeitsinterventionen im Rahmen eines schnellen Krankheitsverlaufs sein können, z.B. bei Lungen- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs, ist ungeklärt.
Spezifische Ziele
Das Ziel dieser Arbeit war ein möglichst umfassender Überblick über die aktuelle Evidenz zur Frage der Wirksamkeit von MBSR in der Krebsbehandlung. Interessanterweise berücksichtigten die 5 systemischen Übersichtsarbeiten nicht dieselben Publikationen, obwohl die Suchstrategien und Ein- und Ausschlusskriterien sehr ähnlich und auch die Zeiträume vergleichbar waren. Außerdem setzte jede einen etwas anderen Interessenschwerpunkt, was es zu einer anspruchsvollen Aufgabe macht, die verfügbare Evidenz zusammenzuführen. Insgesamt deuten alle systematischen Übersichtsarbeiten (Tab. 1) darauf hin, dass überzeugende Belege dafür vorliegen, dass die MBSR für die Linderung psychischer Symptomen von Nutzen ist, in Bezug auf körperliche Beschwerden hingegen weniger - eine Feststellung, die auch durch die einzige bisher vorliegende Meta-Analyse zu diesem spezifischen Thema bestätigt wird [22]. Und obwohl die Existenz von 5 systematischen Übersichtsarbeiten suggeriert, dass es genug Daten für eine statistische Meta-Analyse mit höchstmöglichem Evidenzgrad gibt, ist bisher nur diese eine Meta-Analyse zu dem spezifischen Thema der Rolle der MBSR in der Krebsbehandlung durchgeführt worden [22]. Daher war das Ziel der vorliegenden Arbeit, 1) die gesamte verfügbare Evidenz einschließlich der Daten aus allen bisherigen systematischen Übersichtsarbeiten zu einem Überblick zusammenzuführen; 2) alle Artikel aus diesen Quellen in einer gemeinsamen Meta-Analyse auszuwerten, denn obwohl die Suchstrategien und Ein- und Ausschlusskriterien der 5 systemischen Übersichtsarbeiten sehr ähnlich waren, decken sie nicht dieselben Publikationen ab; und 3) ein differenziertes Bild von den möglichen positiven psychischen Auswirkungen der MBSR bei Krebspatienten zu zeichnen, da sich die Belege dafür häufen, dass die positiven Effekte der MBSR vor allem das psychische Wohlbefinden betreffen.
Material und Methoden
Wir führten eine systematische Literaturrecherche nach klinischen Studien zu MBSR (einschließlich achtsamkeitsbasierter Kunsttherapie) bei Krebs gemäß dem PRISMA-Statement [27,28] durch. Zwei der Übersichtsautoren (F.M. und T.O.) beurteilten unabhängig die in die Übersicht aufzunehmenden Studien. Eingeschlossen wurden publizierte Studien und Übersichtsarbeiten zu MBSR bei Krebs, einschließlich Beobachtungsstudien, Kohortenstudien, klinischen Studien, multizentrischen Studien, RCTs, systematischen Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen. Die Studien mussten ein strukturiertes MBSR-Programm von mindestens 6 Wochen Dauer aufweisen, Krebspatienten als Teilnehmer haben und mindestens einen quantitativen, standardisierten Endpunkt aus den Bereichen QoL, Stimmung oder Angst untersuchen. Ausschlusskriterien waren Kommentare, Meinungen, Programmbeschreibungen und theoretische Überlegungen sowie andere Publikationssprachen als Englisch und Deutsch.
Suchstrategie
Die folgenden Datenbanken wurden verwendet, um Artikel zu finden: MEDLINE, EMBASE, AMED, PsycInfo, PsycLit, CCMED, SOMED. Außerdem sichteten wir die Zeitschriftendatenbanken der einschlägigen Fachverlage - gms, Karger, Kluwer, Krause und Pachernegg, Springer, Thieme sowie Wiley-Interscience - nach relevanten Informationen. Und wir durchsuchten das Archiv der Fachbibliothek für Komplementär- und Alternativmedizin (CAM) der Universität Witten/Herdecke, CAMbase [29], nach grauer Literatur, die in den oben genannten Datenbanken nicht geführt wird. Dabei verwendeten wir ähnliche Suchbegriffe wie Ledesma und Kumano [22]: mindful, insight meditation, Vipassana, mindfulness-based, cancer, neoplasm, lymphoma, sarcoma, carcinoma. Wir sahen auch die bereits vorliegenden Übersichtsarbeiten nach weiteren Artikeln durch, die von dieser Suchstrategie nicht erfasst wurden. Alle auf diese Weise gefundenen Artikel wurden vollständig durchgelesen und ihre Literaturlisten auf weitere relevante Publikationen überprüft. Um eine gewisse Validität des Auswahlverfahrens zu gewährleisten, wurden die Abstracts aller ausgeschlossenen Artikel doppelt überprüft. Die Suche wurde im Januar 2011 durchgeführt. Die Berichterstattung über die Ergebnisse erfolgte gemäß den MOOSE- und QUOROM-Leitlinien. Die Codierung der beschreibenden Faktoren wurde von A.B. und T.O. vorgenommen; der Effekt der MBSR auf psychische Variablen wurde anhand von Daten aus standardisierten und validierten Skalen für Angst, Depression, Stress und QoL (Tab. 2) geschätzt. Diese Skalendaten wurden dann zu den Größen «QoL», «Stimmung» und «Stress» aggregiert.
Statistische Auswertung
Zusätzlich zur Übersicht über die bestehende Evidenzbasis wurde eine Meta-Analyse zu den Effekten der MBSR bei Krebs durchgeführt. Wenn eine Studie als geeignet eingestuft wurde, wurden die Daten zu Prä-/Post-MBSR-Effekten auf die Dimensionen QoL, Stimmung und Stress extrahiert, in ein Datenblatt eingetragen und in MS Excel in Effektstärke und dazugehörige Standardabweichung umgerechnet. Zur Berechnung der Effektstärke und ihrer Standardabweichung gemäß den Empfehlungen von Dunlap et al. [30] wurden die folgenden Formeln verwendet:
Effektstärken zwischen 0,5 und 0,8 entsprechen einem mittelstarken Effekt, Werte > 0,8 einem starken Effekt. In der Annahme, dass die in der systematischen Übersichtsarbeit gefundenen Studien unterschiedliche Behandlungseffekte mit einem gewissen Maß unbekannter Variabilität zeigen, wurde ein Modell mit zufälligen Effekten gewählt, um globale Schätzungen des Behandlungseffekts gemäß den Empfehlungen und Algorithmen in [31] zu ermitteln. Die Beurteilung der Heterogenität der Studien untereinander erfolgte mittels Standard-Chi-Quadrat-Tests und I2-Koeffizient zur Messung des Anteils der Gesamtvariation zwischen den Studien aufgrund echter Heterogenität. Die Ergebnisse wurden als Forest-Plot grafisch dargestellt. Aufgrund der erwartbar geringen Zahl infrage kommender Studien wurde auf die weitere Analyse mittels Meta-Regression verzichtet.
Ergebnisse
Die Datenbankensuche ergab 107 Datensätze. Davon verblieben nach dem Entfernen von Duplikaten 54, die gesichtet wurden. Weitere insgesamt 9 Datensätze wurden aus den Literaturlisten der 5 systematischen Übersichtsarbeiten entnommen, so dass insgesamt 63 Datensätze gesichtet wurden. Nach Sichtung der Abstracts wurden 30 Datensätze ausgeschlossen, weil sie die Ein- und Ausschlusskriterien nicht erfüllten. Von den verbleibenden 33 Volltexten, die auf Erfüllung der Kriterien geprüft wurden, wurden 14 nach Lektüre des Volltexts wegen Nichterfüllung der Ein- und Ausschlusskriterien ausgeschlossen. Somit wurden insgesamt 19 Studien in die systematische Übersichtsarbeit eingeschlossen (Abb. 1). Weitere Artikel in deutscher Sprache wurden nicht gefunden.
Von den 19 Studien waren 5 randomisiert und kontrolliert (RCTs), 4 waren nicht randomisiert, aber kontrolliert (NRCTs), 10 waren Beobachtungsstudien (9 mit Einzelgruppendesign, eine mit 21 Paaren als Teilnehmer). Die mittlere Anzahl der aufgenommenen Patienten betrug 59 ± 30 (Spannweite: 13-115). Die meisten Studien beschrieben einen deutlichen Teilnehmerschwund im Laufe der Zeit bzw. berichteten über Gründe für die Beendigung der Teilnahme. Von den 19 betrachteten Studien wurden 9 ohne Kontrollgruppe durchgeführt, 10 mit einer Form von Versuchskontrolle. Die Formen der Kontrolle waren heterogen und meist passiv. In 4 Studien wurde eine Wartelistenkontrolle einbezogen, in 2 Studien bestand die Kontrolle in einer standardmäßig behandelten Gruppe (passiv), eine Studie beinhaltete eine Kunst-/Kreativgruppe (aktiv), in einer Studie gab es ein frei wählbares Stressbewältigungsangebot (potenziell aktiv), und in einer Studie wurden die Partner der Patienten als Kontrollgruppe eingeschlossen. Die meisten Kontrollen wurden also zugunsten der MBSR-Intervention gewählt. Die 19 Originalarbeiten sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Mehrere verschiedene Maße für die QoL wurden in den einbezogenen Studien verwendet; die QoL-Daten wurden aus standardisierten Instrumenten wie EORTC QLQ-C30, FACT-G oder MOS-SF36 sowie aus weniger geeigneten Instrumenten wie der visuellen Analogskala (VAS) oder dem QoL Index Cancer extrahiert (Tab. 2). Insgesamt n = 248 Patienten aus 6 Studien wurden in die Analyse eingeschlossen, und die Gesamt-Effektstärke betrug 0,29 (95%-Konfidenzintervall (KI): 0,17-0,40; p ≤ 0,00005). Die Heterogenität war mit I2 = 23,4% gering (Q = 6,53; p = 0,26). Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Meta-Analyse und Abbildung 2a den entsprechenden Forest-Plot.
Für die Erfassung der Stimmungslage wurde durchgängig der POMS verwendet. In diese Analyse wurden insgesamt n = 411 Patienten aus 10 Studien einbezogen, und der Gesamteffekt betrug 0,42 (95%-KI 0,26-0,58; p < 0,0001). Trotz der hohen Einheitlichkeit des verwendeten Instruments für die Erfassung der Stimmung war die Heterogenität recht hoch: I2 = 73,5% (Q = 34,0; p = 0,0001). Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Meta-Analyse und Abbildung 2b den entsprechenden Forest-Plot.
Verschiedene Maße wurden verwendet, um emotionalen Stress zu ermitteln, darunter SOSI, PSS, DASS und Scl-90 Global Severity Index (GSI-SCL90; Tab. 2). In diese Analyse wurden insgesamt n = 587 Patienten aus 15 Studien einbezogen. Der Gesamteffekt betrug 0,58 (95%-KI 0,45-0,72; p < 0,0001), die Heterogenität war mit I2 = 67,2% hoch (Q = 45,7; p < 0,0001). Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Meta-Analyse und Abbildung 2c den entsprechenden Forest-Plot.
Diskussion
Für Ärzte und ist es eine der schwierigsten Aufgaben , Menschen mit Krebs zu helfen, nach der Diagnose und verschiedenen Behandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapie die Kontrolle zurückzugewinnen. MBSR soll in solchen Situationen eine der wirkungsvollsten Geist-Körper-Interventionen zur Linderung psychischer Symptome sein, und mehrere Übersichtsarbeiten deuten darauf hin, dass Achtsamkeitsinterventionen ein nützliches Instrument im Rahmen der Versorgung von Krebspatienten zu sein scheinen. Als potenzieller Nutzen wird zum einen die psychische Anpassung der Patienten gesehen, zum anderen die Unterstützung bei der Verringerung der Stressbelastung und Verbesserung der Stimmungslage durch wirksame Bewältigung. Einige Studien ergaben auch Hinweise darauf, dass MBSR körperliche Symptome lindern und so zur Steigerung der QoL beitragen könnte.
In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden zum ersten Mal Beobachtungsstudien und RCTs gemeinsam im Hinblick auf die Vorher-Nachher-Effekte der MBSR auf die Dimensionen Stimmung, Stress und QoL ausgewertet. Insgesamt zeigte die MSBR eine eher geringe Effektstärke bei der QoL, eine geringe Effektstärke bei der Stimmung und eine moderate Effektstärke beim emotionalen Stress. Obwohl die hier präsentierten Vorher-Nachher-Effektstärken etwas höher sind und wir andere Ergebnisdimensionen gewählt haben, sind die Ergebnisse vergleichbar mit denen von Ledesma und Kumano [22] in den Dimensionen «Maße der psychischen Gesundheit» (0,48) und «Maße der körperlichen Gesundheit» (0,18). Ebenfalls übereinstimmend mit Ledesma und Kumano [22] stellten wir geringfügig niedrigere publizierte Effektstärken fest, wenn man nur die RCTs betrachtet und die Effektstärke anhand der Unterschiede zwischen den Gruppen berechnet. Dies wurde jedoch in der Analyse nicht weiter vertieft.
Die Maße für die Homogenität ergaben kein einheitliches Bild. Während bei der QoL der I2-Heterogenitätswert recht niedrig und nicht signifikant war, zeigten die betrachteten Studien im Hinblick auf Stimmungslage und Stress ein hohes Maß an Heterogenität. Besonders bei der Stimmungslage ist dieses Ergebnis interessant, da in allen Studien der etablierte POMS-Fragebogen zur Erfassung verwendet wurde. Somit ist davon auszugehen, dass entweder die Gesamt-Effektstärke keine homogene Population von Krebspatienten repräsentiert oder dass andere Faktoren die Ergebnisse verfälscht haben könnten. In der Tat wirkt sich die methodische Qualität der Untersuchungen zur klinischen Wirkung der MBSR potenziell limitierend auf die Validität der Ergebnisse aus. In den meisten Studien wurden Compliance und Vollständigkeit der Nachbeobachtung nicht ausreichend dokumentiert, und mit Ausnahme von 3 Studien lag die Zahl der Teilnehmer unter n = 100, was bei allen Dimensionen als Untergrenze für ausreichende Teststärke bei wiederholter Untersuchung zu betrachten wäre. Insbesondere die Therapietreue scheint ein maßgeblicher Faktor dafür zu sein, dass ein großer Anteil der Patienten nicht für die vollständige Nachbeobachtung zur Verfügung steht. Eine Untersuchung kontrollierter Studien zu Achtsamkeitsmeditation und Angst/Depression ergab bei den Studien, in denen die Einhaltung des Programms betrachtet wurde (was selten der Fall war), dass «ein Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und Veränderungen bei Depression und Angst uneindeutig ist» [32]. Die Mehrheit der Studien dokumentierten Vorher-Nachher-Effekte bei den therapietreuen Patienten; die Intent-to-treat-Population wurde nur selten analysiert. Darüber hinaus ließe sich auch argumentieren, dass, um wirksame Bestandteile zu identifizieren, angemessene Kontrollbedingungen (z.B. progressives Muskelrelaxationstraining als Kontrolle) gegeben sein müssten. Die Übersichtsarbeit von Toneatto und Nguyen [32] stützt diese Annahme, da hier die MBSR in denjenigen Studien keinen Einfluss auf den Endpunkt hatte, in denen eine aktive Kontrolle verwendet wurde. Zumindest belegt die Analyse der Artikel, wenngleich die MBSR in einigen Fällen schlecht beschrieben wurde, eine einheitliche Umsetzung der MBSR gemäß den Empfehlungen von Kabat-Zinn [13].
Aus klinischer Sicht sind die wichtigsten Beschränkungen die Heterogenität beim Krebs-Staging (hier wäre es wichtig zu wissen, in welchem Krankheitsstadium die MBSR von Nutzen sein kann), die Heterogenität der Krebsarten und des Krebsstatus (Selbstauswahl der Patienten kann problematisch sein; die meisten Studien schlossen Frauen mit Brustkrebs ein) sowie unzureichende Informationen und Berichterstattung über den Behandlungsstatus und gleichzeitig angewendete Behandlungen. Darüber hinaus erfassen die Studien in der Regel nicht, ob die Krebspatienten sich emotional an den Interventionen beteiligen und die Intervention auf positive Weise beibehalten. Dabei könnte eine potenziell geringe innere Übereinstimmung mit den Interventionen [33] zum Teil erklären, warum Patienten die Studienteilnahme oder die Nachbeobachtung vorzeitig beenden.
Schlussfolgerung
Es gibt Belege dafür, dass die MBSR die Stimmungslage und die Stressbelastung von Krebspatienten verbessern kann, während körperliche Symptome sich durch MBSR-Interventionen eher nicht bessern. Die Verwendung von SOSI und POMS in MBSR-Studien ist etabliert; sie gelten als geeignete und einfach zu verwendende Instrumente. Dennoch besteht nach wie vor Bedarf an RCTs hoher Qualität mit angemessenen Kontrollbedingungen, ausreichender Stichprobengröße, klaren Beschreibungen der psychologischen Profile der Patienten sowie längerer Nachbeobachtung. Begleitend sollten außerdem qualitative Forschungsmethoden angewandt werden, um zu ergründen, wodurch die Wirkung der MBSR vermittelt wird.
Disclosure Statement
Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.