Abstract
Hintergrund: Die Bedeutung und der Nutzen einer adjuvanten Therapie bei Patientinnen mit einem pT1a/pT1bN0-Mammakarzinom wird kontrovers diskutiert. In einigen Studien konnte ein positiver HER2-Status als einer der stärksten prognostischen Faktoren nachgewiesen werden. Patientinnen und Methoden: In dieser Studie wurde retrospektiv an 3 deutschen Brustzentren das krankheitsfreie Überleben (DFS), das distant krankheitsfreie Überleben (DDFS) und das Gesamtüberleben (OS) von 960 Patientinnen, die zwischen 2000 und 2008 an einem primären Mammakarzinom < 2 cm (T1N0) erkrankten, ausgewertet. Zusätzlich wurden die prognostischen Faktoren untersucht. Der Zusammenhang mit potentiellen Risikofaktoren wurde durch univariate Analysen untersucht. Ergebnisse: Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 23 Monate, DFS war 94,8%, DDFS 96,3% und OS 97,5%. Risikofaktoren für ein kürzeres 1-Jahres-DFS waren: peritumorale lymphatische Invasion (L1) (p = 0,031), negativer Hormonrezeptorstatus (p = 0,003), keine adjuvante hormonelle Therapie (p = 0,001) und ein positiver HER2-Status (p = 0,003). Bei Patientinnen, die mit Trastuzumab behandelt wurden, trat nur bei 2,7% (n = 1/37) ein DFS-Ereignis auf, bei Patienten ohne Trastuzumab-Therapie war dies bei 20% (n = 10/50) der Fall. Schlussfolgerung: Patienten mit einem HER2-positiven Mammakarzinom < 2 cm sollten in prospektive Studien eingeschlossen werden, um die Bedeutung der Trastuzumab-Therapie in Kombination mit Chemotherapie, das Nutzen-Risiko-Verhältnis und die Bedeutung anderer Risikofaktoren untersuchen zu können. Übersetzung aus Breast Care 2013;8:208-214 (DOI:10.1159/000352094)
Originaltitel: Association of HER2 Overexpression and Prognosis in Small (T1N0) Primary Breast Cancers
Joachim Roma Claudia Schumacherb Oleg Gluzc Josef Höflerd Sebastian Eidte Christoph Domschkea Frederik Marméa,f Ulrike Nitzc Christof Sohna Andreas Schneeweissa,f
aUniversitäts-Frauenklinik, Universität Heidelberg, bBrustzentrum, St. Elisabeth Krankenhaus, Köln, cBrustzentrum, Bethesda Krankenhaus, Wuppertal, dStaburo GmbH, München, eInstitut für Pathologie, St. Elisabeth Krankenhaus, Köln, fNationales Centrum für Tumorerkrankungen, Universität Heidelberg, Deutschland
Warum ist der Artikel relevant für den deutschen Praxisalltag eines Onkologen?
Aufgrund der verbesserten Früherkennung detektieren wir Mammakarzinome heute immer häufiger in einem frühen Stadium. Gleichzeitig haben Verbesserungen in der adjuvanten Therapie zu einer Senkung der Mortalität geführt. Um eine Übertherapie zu vermeiden und trotzdem eine gute Prognose sicherzustellen, sucht man heute im Sinne einer personalisierten Therapie nach prognostischen und prädiktiven Markern.
Trotz hervorragender 5 Jahres-Überlebensraten [1] kommt es bei den nodal negativen T1-Tumoren aufgrund der Heterogenität des Mammakarzinoms bei einem gewissen Anteil der Patientinnen zu Rezidiven oder Metastasen. Es gilt deshalb, Faktoren zu detektieren, die die Notwendigkeit einer zusätzlichen adjuvanten Therapie anzeigen. Für die Gruppe der Her2-positiven Tumoren unter 1 cm Tumorgröße liegen bislang kaum prospektive Daten vor, da diese in den großen Adjuvanzstudien zur Anwendung von Trastuzumab ausgeschlossen waren.
Die vorliegende Arbeit untersucht an einem aktuellen großen Kollektiv der Jahre 2000-2008 die Kohorte der kleinen Mammakarzinome hinsichtlich prognostischer Faktoren unter besonderer Betonung des Her2-Status.
Welche Inhalte sind neu?
Das untersuchte Kollektiv (n = 960 Patienten) spiegelt im Gegensatz zu Phase-III-Studien die klinische Realität wider und versorgt uns mit aktuellen Zahlen (Zeitraum 2000-2008). In der untersuchten Gesamtkohorte betrug das 1-Jahres-krankheitsfreie Überleben 95% und das Gesamtüberleben 98%. Als negative prognostische Faktoren für DFS, DDFS und OS zeigten sich erwartungsgemäß eine peritumorale Lymphangiose, eine Hormonrezeptornegativität und die Nichteinnahme einer antihormonellen Therapie. Interessanterweise zeigte sich auch für den Eastern Collaborative Oncology Group (ECOG) Performance-Statusein signifikanter prognostischer Einfluss auf DDFS und OS. Ein weiterer die Prognose (DFS und DDFS) negativ beeinflussender Parameter war die Her2-Positivität. Außerdem beobachteten die Autoren an einer insgesamt kleinen Population, dass die Behandlung mit Trastuzumab im untersuchten Kollektiv mit einer sehr geringen Event-Rate (Follow-up 23 Monate) verbunden ist.
Welche Aussagen sind kritisch zu bewerten?
Insgesamt handelt es sich um eine Analyse der zum damaligen Zeitpunkt routinemäßig erhobenen klinischen und pathologischen Faktoren. Im untersuchten Kollektiv fällt ein hoher Anteil von G2-Tumoren, vor allem aber ein überdurchschnittlich hoher Anteil von hormonrezeptorpositiven und relativ niedriger Anteil von Her2-positiven Karzinomen auf. Es handelt sich also um ein prognostisch sehr günstiges Kollektiv, was sich auch in den hervorragenden Überlebensraten widerspiegelt. Unklar bleibt, warum in diesem Kollektiv eine hohe Rate an axillären Dissektionen (30%) durchgeführt wurde. Gleichzeitig ist der Follow-up-Zeitraum von 23 Monaten gerade für ein solches Kollektiv insgesamt kurz, und die Überlebensraten sollten mit Sorgfalt interpretiert werden. Dass in der vorliegenden Arbeit von den Autoren nicht auf die Bedeutung der neuen intrinsischen Subtypen beim Mammakarzinom eingegangen worden ist, könnte an einem fehlenden oder nicht mituntersuchten Ki67-Level liegen. Trotzdem sollten diese Subtypen aber in der Diskussion Erwähnung finden. Zur Wertung der Bedeutung des Her2-Status und einer Trastuzumab-Therapie ist anzumerken, dass bei niedrigem Anteil an Her2-positiven Karzinomen im Gesamtkollektiv (n = 106) auch die niedrige Zahl an Patienten mit Follow-up (n = 87) nur begrenzte Rückschlüsse zulässt. Außerdem ist das mittlere Follow-up von 23 Monaten insgesamt zu kurz, gerade im Hinblick auf das Gesamtüberleben. Die Frage der prognostischen Bedeutung einer Trastuzumab-Therapie im Kollektiv der T1a/b-Tumoren kann bei 20 in Frage kommenden Patienten nicht beantwortet werden.
Welche Perspektive eröffnen die Ergebnisse für die Praxis in naher Zukunft?
Unter Ausnutzung der heute empfohlenen Therapien ist die Prognose der Patienten mit einem nodal negativen Mammakarzinom mit einer Größe unter 2 cm insgesamt als gut einzuschätzen. Im Falle von Risikofaktoren, wie z.B. peritumorale Lymphangiose, Hormonrezeptornegativität und positiver Her2-Status, sollten zusätzliche adjuvante Therapien überlegt werden. Entsprechend den aktuellen AGO-Mamma-Empfehlungen sollten Patientinnen mit Her2-positiven Mammakarzinomen über 1 cm Tumorgröße in Studien eingeschlossen werden oder, falls vom Gesamtzustand der Patientin vertretbar, eine Chemotherapie und Trastuzumab erhalten.