Abstract
Hintergrund: Mutationen des Epidermal-Growth-Factor-Rezeptors (EGFR) spielen eine zentrale Rolle in der Behandlung von Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (non-small cell lung cancer; NSCLC) mit EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren. Der Nachweis von EGFR-Mutationen in zellfreier DNA (cell-free DNA; cfDNA) im Blutplasma erscheint vielversprechend. Allerdings stimmt der Mutationsstatus im Plasma/Serum nicht immer mit dem im Gewebe überein. Zielsetzung: In dieser Studie sollte der Mutationsstatus im Plasma mit dem im Gewebe verglichen werden, um auf diese Weise spezielle Subgruppen von NSCLC-Patienten zu identifizieren, die möglicherweise die besten Kandidaten für Untersuchungen auf EGFR-Mutationen in cfDNA im Blut sind. Methoden: Insgesamt wurden 111 gepaarte Gewebe- und Plasmaproben entnommen. Zum Nachweis von EGFR-Exon-19-Deletionen und -Exon-21-L858R-Mutationen wurden «Mutant-enriched»-PCR- und Sequenzanalysen durchgeführt. Ergebnisse: Bei 43,2% der Patienten (48/111) waren Mutationen nachweisbar. Die Gesamtkonsistenzrate des EGFR-Mutationsstatus für die 111 gepaarten Plasma- und Gewebeproben lag bei 71,2% (79/111). Die Sensitivitäts- und Spezifitätsraten für den Nachweis von EGFR-Mutationen im Plasma betrugen 35,6% (16/45) bzw. 95,5% (63/66). Die Subgruppen für Krankheitsstadium und Tumordifferenzierung wiesen signifikant unterschiedliche Nachweissensitivitäten auf; bei Patienten im Frühstadium betrug die Sensitivität 10% und bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium 56% (p = 0,0014). Bei Patienten mit schlecht differenzierten Tumoren lag die Sensitivität bei 77,8% und unterschied sich damit signifikant von derjenigen bei Patienten mit hoch differenzierten Tumoren (20%; p = 0,0230) und moderat differenzierten Tumoren (19%; p = 0,0042). Schlussfolgerung: Blutuntersuchungen auf EGFR-Mutationen können bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium oder bei Patienten mit schlecht differenzierten Tumoren effektiv eingesetzt werden.Gekürzte Übersetzung aus Respiration 2013;85:119-125 (DOI:10.1159/000338790)
Originalartikel: Comparison of Epidermal Growth Factor Receptor Mutation Statuses in Tissue and Plasma in Stage I-IV Non-Small Cell Lung Cancer Patients
Xiao Zhaoa Ru-Bing Hana Jing Zhaoa Jun Wangb Fan Yangb Wei Zhonga Li Zhanga Long-Yun Lia Meng-Zhao Wanga
aDepartment of Respiratory Diseases, Peking Union Medical College Hospital, Peking Union Medical College, Chinese Academy of Medical Sciences, bDepartment of Thoracic Surgery, People's Hospital, Peking University, Beijing, China
Transfer in die Praxis
Die Testung von Patienten mit Lungenkarzinomen auf eine aktivierende Mutation des Epidermal-Growth-Factor-Rezeptors (EGFR) gewinnt in der Diagnostik des Lungenkarzinoms immer größere Bedeutung, da für diese Patienten eine gezielte orale Therapie zur Verfügung steht, die in zahlreichen randomisierten Studien eine signifikant verbesserte Wirksamkeit im Vergleich mit der herkömmlichen Chemotherapie aufwies. Zusätzlich zeigten sich unter dieser Behandlung weniger Nebenwirkungen und eine wesentlich günstigere Beeinflussung der tumorbedingten Symptome.
Aktuell stehen drei Präparate - Erlotinib (Tarceva®), Gefitinib (Iressa®) und Afatinib (Giotrif®) - für die Behandlung dieser Patienten zur Verfügung.
Anders als bei anderen Tumoren ist die Gewinnung von Tumormaterial für die Diagnose der EGFR-Mutation beim Lungenkarzinom häufig eine Herausforderung, da Lungentumoren nicht selten aufgrund ihrer anatomischen Lage einer histologischen Gewebegewinnung nicht zugänglich sind oder bei den Patienten aufgrund ihrer Begleiterkrankungen eine aggressive Gewebegewinnung nicht durchführbar ist.
Die Diagnose der EGFR-Mutation an zirkulierender Tumor-DNA ist eine wichtige und interessante Weiterentwicklung der molekularen Diagnostik des Lungenkarzinoms, die aktuell in der internationalen Forschung einen hohen Stellenwert hat.
In der aktuellen Arbeit untersuchten Zhao und Kollegen Tumor- und Plasmaproben von 111 Patienten auf das Vorliegen einer aktivierenden EGFR-Mutation. Entsprechend ähnlichen Publikationen aus dem asiatischen Raum war die Rate an EGFR-Mutationen mit 43.2% deutlich höher als in vergleichbaren Publikationen von kaukasischen Patienten, wo die EGFR-Mutationsrate nichtselektionierter Patienten bei ca. 10% liegt.
Zhao und Kollegen fanden eine Übereinstimmungsrate von 71.2% zwischen Tumor- und Plasmaproben, wobei die Sensitivität der Plasmaproben für das Vorliegen einer EGFR-Mutation mit 35.6% im Vergleich zu bereits publizierten Daten relativ niedrig war.
Mögliche Gründe für diese niedrige Sensitivität sind zum einen der relativ hohe Anteil an Patienten mit niedrigen Tumorstadien, bei denen wir noch sehr wenig über die Menge an zirkulierender Tumor-DNA wissen, zum anderen die verwendete Untersuchungsmethode, die eine begrenzte Sensitivität hat. Mittlerweile stehen neue Verfahren zur Verfügung, die für eine Mutationsanalyse nur minimale Mengen an Tumor-DNA benötigen.
Ermutigend war die hohe Spezifitätsrate der im Plasma diagnostizierten EGFR-Mutationen von 95.5%.
Fazit
Für die Praxis bleibt festzuhalten, dass die EGFR-Mutationstestung im Blut eine hochinteressante Entwicklung ist, die nach entsprechender Validierung die klinische EGFR-Mutationstestung relevant verändern könnte. In globalen Studien wird gegenwärtig dieser Ansatz an großen Kollektiven validiert.
Zusätzlich könnte diese Diagnostik für das Monitoring von Patienten, bei denen eine Therapie mit EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren zum Einsatz kommt, sehr wichtig werden, da man mit dieser Methode wenig invasiv die Präsenz der krankheits- und therapiebestimmenden Mutation nachweisen kann.