Die Landschaft der Systemtherapie des Nierenzellkarzinoms (RCC) hat sich in den letzten 2 Dekaden einem grundlegenden Wandel unterzogen. Nach wie vor liegt die Domäne der Systemtherapie im Bereich der irresektablen Erkrankung, aber der Zugewinn an Wirksamkeit mit den heutigen Therapieregimen lässt stark auf eine weitere Entwicklung hoffen, hin zu multimodalen Konzepten und früheren Stadien.
Die Empfehlungen aktueller Leitlinien werden von der immunbasierten Kombinationstherapie dominiert. Hier bilden Checkpoint-Inhibitoren (CPI) die Basis der Therapieregime und werden entweder mit einem weiteren CPI oder einem Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) kombiniert. Diese Immun-Kombinationsregime haben unsere Therapielandschaft nachhaltig verändert und das Überleben der Patienten verbessert [1-3].
Gerade der historische Vergleich zeigt, wie groß die Veränderungen in der medikamentösen Therapie sind. Während die mediane Überlebenswahrscheinlichkeit (OS) in der Ära der Zytokintherapie noch 13 Monate betrug [4], erzielte bereits die TKI Therapie ein OS von 28–29 Monaten [5]. Ipilimumab + Nivolumab ist die erste TKI-freie Kombinationstherapie, die in einer gemischten Risikokohorte von RCC Patienten ein Gesamtüberleben von 47 Monaten erzielte und damit die Grenzen der Wirksamkeit neu definieren konnte [1]. In der aktuellen Studiengeneration auf Basis von CPI-TKI Kombinationen zeigten bisher Zwischenanalysen einen signifikanten Zugewinn bei der Wirksamkeit im Vergleich zur TKI Monotherapie [3, 6]. Allerdings ist hier durch die kurze Nachbeobachtung der Median beim Gesamtüberleben noch nicht erreicht, so dass ein medianes OS noch nicht definiert werden kann.
Als aktuellste Erweiterung der CPI-TKI Therapie wurde beim diesjährigen ESMO 2020 die Kombination von Nivolumab und Cabozantinib als neuartige Erstlinientherapie vorgestellt. Die Ergebnisse der CheckMate-9ER Studie unterstreichen die Bedeutung der CPI-TKI Kombinationen in diesem Kontext. Mit einem objektivierbaren Ansprechen (ORR) von 56%, einer Hazard Ratio (HR) von 0,51 (95%CI 0,41–0,64; P < 0,0001) für das progressionsfreie Überleben (PFS) und einer HR von 0,60 (98,9%CI 0,40–0,89; P = 0,0010) für das Gesamtüberleben sind die Ergebnisse für die Kombination aus Nivolumab und Cabozantinib vielversprechend [7] und reihen sich damit nahtlos in den Kanon der Kombinationsbehandlungen ein.
Anders als in der CheckMate-9ER Studie, wurde in den Zulassungsstudien JAVELIN 101 und KEYNOTE-426 Axitinib als Kombinationspartner von Avelumab oder Pembrolizumab getestet. Beide Studien zeigten ähnliche Wirksamkeitsparameter für die ORR (53% bzw. 60%) und das PFS (HR 0,69 (95%CI 0,57–0,83) bzw. 0,69 (95%CI 0,57.083)) [2, 3]. Ein unterschiedliches Ergebnis wurde in den aktuellen Zwischenanalysen für das Gesamtüberleben berichtet, das in der KEYNOTE-426 das Signifikanzniveau erreichte (HR 0,59 (95%CI 0,45–0,78); P = 0,0001), während JAVELIN 101 zwar einen Trend zeigte (HR 0,80 (95%CI 0,62–1,03)), aber das vorher definierte Signifikanzniveau nicht erzielte. Zur Beurteilung des Effektes auf das Gesamtüberleben werden wir die finale Analyse der JAVELIN 101 Studie abwarten müssen. Basierend auf diesen Daten wurden Axitinib + Avelumab oder Pembrolizumab für alle Risikokategorien zugelassen und der Zulassungsprozess für die Kombination von Cabozantinib + Nivolumab angestoßen.
Als TKI-freie Kombinationstherapie wurde Ipilimumab (IPI) + Nivolumab (NIVO) in der CheckMate-214 Studie getestet. CheckMate-214 war die erste Studie zur CPI-Kombinationstherapie und bietet damit die längste Nachbeobachtung der Kombinationsstudien. Auch hier sehen wir eine Verbesserung verschiedener Wirksamkeitsparameter im Vergleich zur TKI Monotherapie. Basierend auf dem Studiendesign erfolgte die Zulassung von IPI-NIVO für Patienten mit mindestens einem Risikofaktor, so dass die Ergebnisse nicht mit den Studien der CPI-TKI Kombinationen verglichen werden können. In dieser Konstellation erzielte IPI-NIVO eine ORR von 42%, einen PFS-Vorteil (HR 0,75 (95%CI 0,62–0,90); P = 0,0015) und einen Überlebensvorteil (HR 0,66 (95%CI 0,55–0,80); P < 0,0001) in der aktuellsten Analyse (42 Monate Nachbeobachtung) [1]. Erfreulicherweise sehen wir hier neben diesen positiven Langzeitergebnissen eine langanhaltende Remission bei einer relevanten Anzahl von Patienten, die in eine Plateauphase überführt werden konnten. In welchem Ausmaß die CPI-TKI Kombinationen ähnliche Plateaus induzieren können, kann erst mit weiterer Nachbeobachtung in den nächsten Jahren geklärt werden.
Wie kann man jetzt zwischen den zur Verfügung stehenden Therapieregimen in der Erstlinie auswählen? Das große Plus der CPI-TKI Kombinationen sind die hohen Remissionsraten bei geringen primären Progressionsraten. Dem gegenüber steht die TKI-freie Immunkombination mit IPI-NIVO, die mit einer 11%igen Komplettremissionsrate und einer Plateauphase mit 42-monatiger Nachbeobachtung punkten kann. Neben diesen Parametern zur Wirksamkeit bestehen jedoch Unterschiede in den Toxizitätsspektren, die bei der Auswahl der geeigneten Therapieregime berücksichtigt werden sollten.
Während die CPI-TKI Kombinationen mit einer hohen Rate an behandlungsassoziierten Grad 3 Toxizitäten (57–63%) assoziiert sind [3, 6, 7], finden wir unter IPI-NIVO nur in 46% Grad 3 Toxizitäten [8]. Während unter der dauerhaften CPI-TKI Kombination mit der Entwicklung einer chronischen TKI-Toxizität zu rechnen ist, sehen wir unter IPI-NIVO eine andere Verteilung, die eine Konzentration der Toxizitäten in den ersten 6 Monaten der Behandlung abbildet [1]. Basierend auf diesen Daten sollte die Auswahl der geeigneten Kombinationstherapien anhand der klinischen Parameter patientenorientiert erfolgen.
Zurückkommend zur Ausgangsfrage gilt die CPI-basierte Kombinationstherapie als neuer Therapiestandard in der Erstlinienbehandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms. Trotz der Fülle der aktuellen Studien finden wir zur Frage nach der geeigneten Therapie bei Patienten mit günstigem Risiko mehr Unsicherheiten, da diese Patientengruppe mit einer besonders günstigen Prognose assoziiert ist, so dass aus den aktuellen Studien keine reifen Daten zur Beurteilung des Gesamtüberlebens vorliegen. Entsprechend finden wir zwar eine Verbesserung von frühen oder intermediären Wirksamkeitsparametern, ob sich diese in eine Überlegenheit beim Gesamtüberleben übertragen, ist allerdings in dieser Subgruppe weiterhin offen. Hier benötigen wir weitere Nachbeobachtung und reifere Daten.
Trotz dieser erstaunlichen Entwicklung der letzten Jahre bleiben weiterhin Fragen offen. Insbesondere die Auswahl eines geeigneten Biomarkers zur Patientenselektion oder aber die Behandlung von speziellen Patientenkollektiven bzw. seltenen Nierenzellkarzinom Subtypen stellen uns auch weiterhin vor Schwierigkeiten im Alltag. In dieser Ausgabe haben wir deshalb eine Auswahl an interessanten Publikationen zu diesem Thema zusammengestellt, die Ihnen bei der Versorgung Ihrer Patienten helfen sollen.
Disclosure Statement
Forschungsförderung, Honorare und nicht-finanzielle Unterstützung von Astra Zeneca, Bristol-Myers Squibb, MSD Sharp & Dohme, Ipsen, Pfizer. Honorare von Merck Serono, EUSAPharm, Eisai, Bayer, Roche, PharmaMar, Lilly. Forschungsförderung und Honorare von Novartis.
Literatur
Alessandro Tafuri and Marco Sebben contributed equally to this work.