Abstract
Ziel: In mehreren Studien ist nachgewiesen worden, dass tägliche körperliche Aktivität (KA) der Entstehung von Brustkrebs vorbeugt. Unser Ziel war die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen KA und klinischen sowie biologischen Tumoreigenschaften bei Brustkrebs-Patientinnen, um die Auswirkung des Energieverbrauchs (EV) auf die Tumorprognose zu ermitteln. Methoden: Wir aggregierten die Daten aus 2 prospektiven Studien, an denen insgesamt 121 Brustkrebs-Patientinnen teilnahmen. Als Maß für die KA wurde der Patienten-Fragebogen Population Physical Activity Questionnaire verwendet, der von allen Patientinnen beantwortet wurde. Ergebnisse: Zehn Patientinnen hatten 3-fach rezeptornegative (triple-negative; TN) Tumoren. Der mittlere Body-Mass-Index (BMI) in der Allgemeinbevölkerung und bei den Patientinnen mit TN-Tumor betrug 24,3 bzw. 25,6. Der mittlere tägliche EV betrug 10 266 kJ × 24 h-1 in der Allgemeinbevölkerung und 11 212 kJ × 24 h-1 bei Patientinnen mit TN-Tumoren. In der Gesamtpopulation bestand eine inverse statistische Korrelation zwischen BMI und täglichem EV, Ruhezeiten, leichter KA und mittelintensiver KA (p = 0,0002, p = 0,0003, p < 0,0001 bzw. p = 0,03). Darüber hinaus bestand eine positive Korrelation zwischen negativem Östrogenrezeptor-Status und intensiver KA (p = 0,041) sowie täglichem EV (p = 0,007). Bei den Patientinnen mit TN-Tumoren bestand keine signifikante Korrelation zwischen dem BMI und den EV-Kategorien. Schlussfolgerungen: Faktoren der Lebensführung (Gewichtsregulierung, KA) sollten angepasst und je nach biologischen, klinischen und epidemiologischen Tumoreigenschaften personalisiert werden. Übersetzung aus Oncology 2015;89:262-268 (DOI: 10.1159/000437229)
Experten-Kommentar
Warum ist der Artikel relevant für den Praxisalltag eines Onkologen aus dem deutschsprachigen Raum?
Das Mammakarzinom ist die häufigste Tumorerkrankung der Frau. In den letzten Jahren wurde die Behandlung verbessert, indem sie individueller auf die Tumoreigenschaften abgestimmt wurde. Neben der operativen und medikamentösen Behandlung sowie der Radiatio wurde der Fokus darauf gelegt, welche Möglichkeiten die einzelne Patientin hat, selber das Erkrankungs- oder Rezidivrisiko zu senken und - sofern sie bereits erkrankt ist - die Prognose zu verbessern. Hier hat sich gezeigt, dass körperliche Aktivität und eine ausgewogene Ernährung, zumindest bei bestimmten Subgruppen, das Auftreten der Erkrankung reduzieren und die Prognose bei bereits diagnostiziertem Mammakarzinom verbessern können. Der hier kommentierte Artikel von Vallard et al. greift einen weiteren Aspekt der Lebensstil-Faktoren auf: Er geht der Frage nach, inwieweit die körperliche Aktivität Einfluss auf klinische und biologische Tumorcharakteristika hat. Den Fokus legt die Gruppe auf das triple-negative Mammakarzinom. Frauen mit einem triple-negativen Tumor haben häufig, trotz immer individuellerer Therapie, eine sehr schlechte Prognose mit einem schlechteren krankheitsfreien, fernmetastasenfreien und Gesamtüberleben. Hier ist es wichtig, Faktoren zu identifizieren, die das Auftreten dieses Tumortyps reduzieren können.
Welche Inhalte sind neu?
Spannend ist die Fragestellung, inwieweit eine gesteigerte körperliche Aktivität bereits vor der Diagnosestellung eines Mammakarzinoms die Tumoreigenschaften beeinflussen kann. Sollte es möglich sein, durch gesteigerte körperliche Aktivität mehr Tumoren mit günstigeren Eigenschaften zu diagnostizieren, sodass diese besser behandelt werden können und mit einer günstigeren Prognose einhergehen?
Welche Aussagen sind kritisch zu bewerten?
Vallard et al. haben ein Kollektiv von 121 Patientinnen mit Mammakarzinom untersucht, von denen jedoch nur 10 Frauen einen triple-negativen Tumor hatten. Für die Absicht der Autoren, den Fokus auf das triple-negative Karzinom zu legen, ist jedoch eine Fallzahl von 10 als sehr niedrig anzusehen.
Zur Erfassung der körperlichen Aktivität haben die Probandinnen selber Fragebögen ausgefüllt. In zukünftigen Studien könnten für eine objektivere Erfassung der körperlichen Aktivität z.B. regelmäßige sportmedizinische Untersuchungen oder Leistungskontrollen durchgeführt werden, gegebenenfalls in Kombination mit der Messung von verschiedenen Stoffwechsel-Parametern.
Welche Perspektiven eröffnen die Ergebnisse für die Praxis in naher Zukunft?
Vallard et al. konnten nicht zeigen, dass eine gesteigerte körperliche Aktivität mit einem selteneren Auftreten von triple-negativen Tumoren einhergeht. Aufgrund der sehr geringen Fallzahl in der untersuchten Kohorte sollte die Auswertung weiterer Studiendaten abgewartet werden. Aktuell läuft in Deutschland z.B. die LIBRE-Studie, in die Patientinnen mit einer BRCA-Mutation eingeschlossen werden. Grade bei Frauen mit einer BRCA-Mutation treten triple-negative Tumoren gehäuft auf.
Alle Patientinnen, auch die mit triple-negativen Tumoren, sollten ermuntert werden, körperlich aktiv zu sein. Neben einer eventuellen Verbesserung der Prognose führt die Aktivität zu einer Verbesserung der Lebensqualität und kann das Auftreten anderer Erkrankungen, beispielsweise von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, senken.