Abstract
Sleep problems are frequently reported in infants treated with propranolol for infantile hemangiomas, possibly serving as a marker for a negative impact on central nervous system function. In this cohort study, we objectively investigate the sleep behavior of infants with infantile hemangiomas on propranolol compared to a healthy, untreated control group. Sleep of propranolol-treated infants and controls was investigated using ankle actigraphy and a 24-h diary for 7–10 days at ages 3 and 6 months. The main outcome measures were the Number of Nighttime Awakenings and Sleep Efficiency. The main secondary outcome measures included 24-hour Total Sleep, daytime sleep behavior, and parent-rated infant sleep quality and behavioral development based on the Brief Infant Sleep Questionnaire (BISQ) and the age-appropriate Ages-and-Stages Questionnaire (ASQ), respectively. Fifty-four term-born infants were included in each cohort. No group difference in any investigated parameter was seen at age 3 months. At age 6 months, the propranolol group exhibited a decrease in Sleep Efficiency and a trend towards an increased Number of Nighttime Awakenings compared to the control group. Treated infants at 6 months also had shorter daytime waking periods. 24-hour Total Sleep was unaffected by propranolol. No negative impact of propranolol on subjective sleep quality and behavioral development was noted. Conclusion: Propranolol exerts a measurable yet mild impact on objectively assessed infants’ sleep measures. Behavioral developmental scores were unaffected. Our results support propranolol as first-line therapy for complicated infantile hemangiomas. What is Known: •Sleep disorders are frequently reported in infants with infantile hemangiomas treated with propranolol and often lead to treatment discontinuation. •Investigations of the sleep pattern in this patient group using objective measures are lacking. What is New: •The sleep pattern of propranolol-treated infants is assessed using actigraphy and a 24-h sleep diary and compared to healthy, untreated controls. •Propranolol leads to a decreased sleep efficiency at night and an increased demand of daytime sleep, yet effects are mild overall.
Abstract aus Theiler M, Knöpfel N, von der Heydt S, Schwieger-Briel A, Luchsinger I, Smith A, Kernland-Lang K, Waelchli R, Neuhaus K, Kohler M, Gnannt R, Schoch SF, Weibel L, Kurth S. Sleep behavior of infants with infantile hemangioma treated with propranolol-a cohort study. Eur J Pediatr. 2021 Aug;180(8):2655–2668.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Henning Hamm (Würzburg)
Hintergrund
Dreizehn Jahre sind vergangen, seit französische Kinderdermatologen aus Bordeaux die hervorragende Wirksamkeit von Propranolol auf infantile Hämangiome bemerkten und damit eine Revolution in der Behandlung dieser häufigen Gefäßtumoren des Säuglingsalters einleiteten. Heute gilt orales Propranolol als unbestrittenes Therapeutikum der Wahl bei Säuglingen mit komplikationsträchtigen infantilen Hämangiomen [1]. Bei aller Freude über die Effektivität standen aber schon früh auch Sicherheitsaspekte im Fokus, da die Substanz über mindestens 6 Monate in einer besonders vulnerablen Phase der Entwicklung gegeben wird. Nebenwirkungen werden in bis zu 30% der behandelten Fälle beobachtet. Sie sind dosisabhängig und überwiegend harmlos (kalte Extremitäten) oder temporär (Diarrhoe, Verstärkung des Bronchospasmus bei akuten Infekten der tiefen Atemwege). Leichte Bradykardie und Hypotonie bleiben fast immer asymptomatisch. Eine Hypoglykämie lässt sich leicht durch die regelhafte Gabe des Medikaments zur Nahrungsaufnahme vermeiden. Schlafstörungen und nächtliche Unruhe kommen hingegen häufiger vor, gelegentlich auch Hypersomnie und Albträume, und sind der Hauptgrund für Therapieabbrüche [2]. Diese zentralnervösen Nebenwirkungen werden darauf zurückgeführt, dass Propranolol als lipophiler, nicht-selektiver Betablocker die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. In einer Metaanalyse fand sich zwar keine statistisch signifikante Assoziation zwischen oraler Propranolol-Gabe und ZNS- oder Schlaf-bezogenen Effekten bei behandelten Säuglingen, im Vergleich zu nichtsteroidalen Behandlungen infantiler Hämangiome kamen diese jedoch 1,4 bzw. 1,63 Mal häufiger vor [3].
Ergebnisse der Studie
Die Kinderdermatologen Martin Theiler und Nicole Knöpfel vom Universitätsspital Zürich untersuchten daher zusammen mit ihren Koautoren, ob sich das Schlafverhalten von 54 mit Propranolol (durchschnittliche Dosis 1,9 mg/kg Körpergewicht tgl.) behandelten Säuglingen von unbehandelten Kindern gleichen Alters unterschied [4]. Hierzu wurde das Schlaf-Wach-Verhalten im Alter von 3 und 6 Monaten über einen Zeitraum von jeweils 7–10 Tagen mit in speziellen Socken angebrachten Aktigraphen (Messgeräte zur nichtinvasiven Untersuchung von Aktivitäts- und Ruhezyklen) objektiviert und von den Eltern ein Schlaftagebuch geführt. Weitere Informationen über die Schlafeigenschaften und die Entwicklung des Verhaltens der Säuglinge sowie über die Schlafqualität der Eltern wurden mithilfe validierter Fragebögen (Brief Infant Sleep Questionnaire, Ages-and-Stages Questionnaire, Pittsburgh Sleep Quality Index) gewonnen. Die historische Kontrollgruppe bestand aus ebenfalls 54 gesunden Säuglingen und war im Hinblick auf Geschlecht, Reife, Geburtsgewicht und weitere Kriterien nahezu identisch.
Nach 3 Monaten unterschieden sich die beiden Gruppen in keinem der untersuchten Parameter; die Propranolol-Gruppe war zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 2,9 Wochen lang behandelt worden. Nach 6 Monaten und im Mittel 10,8 Wochen langer Therapie ließ sich jedoch eine signifikante, allerdings geringe Verminderung der Schlafeffizienz in der Behandlungsgruppe nachweisen. Bei ihr war die Zahl der Aufwachereignisse während des Nachtschlafs tendenziell etwas höher (0,26 versus 0,21 pro Stunde), und die längste Wachphase am Tag war um etwa 25 Minuten signifikant kürzer, was als Kompensation für den entgangenen Nachtschlaf gewertet wurde. Die 24-Stunden-Gesamtschlafdauer unterschied sich in beiden Gruppen nicht.
Interessanterweise fanden sich keine signifikanten Unterschiede in der mittels Elternfragebögen ermittelten, subjektiven Beurteilung des Schlafs der Säuglinge und ihrer Eltern sowie der Verhaltensentwicklung der Säuglinge. Allerdings wurde die Propranolol-Therapie bei 3 Kindern aufgrund gravierender Einschlafprobleme, nächtlicher Agitiertheit bzw. Albträumen umgestellt auf den selektiven β1-Rezeptorblocker Atenolol, der die Blut-Hirn-Schranke aufgrund fehlender Lipophilie nicht passiert. Hierdurch ließ sich bei allen 3 Säuglingen eine moderate bis deutliche Verbesserung des Schlafverhaltens und der Schlafeffizienz erreichen.
Fazit für die Praxis
Die Ergebnisse dieser ebenso originellen wie relevanten Untersuchung können uns Ärzte, die wir Säuglinge mit einem Betablocker systemisch behandeln, weiterhin recht gut schlafen lassen. Zwar gibt es bei längerfristiger Gabe von Propranolol bei Säuglingen negative Effekte auf Schlafverhalten und Schlafqualität, sie sind den Erkenntnissen der vorgestellten Untersuchung zufolge jedoch gering. Einschränkend ist anzumerken, dass nur reifgeborene Säuglinge in die Studie einbezogen wurden und somit über Frühgeborene keine Aussage getroffen werden kann. Mehrere Untersuchungen zur Frage von Propranolol-Langzeiteffekten auf die spätere psychomotorische und kognitive Entwicklung behandelter Kinder zeigten außer einer leichten transienten Verzögerung der motorischen Entwicklung in einer Studie [5] erfreulicherweise unauffällige Ergebnisse. In Anbetracht der geringen Zahl aussagekräftiger Studien zu dieser Thematik ist sorgloser Dauerschlaf der Behandler jedoch fehl am Platz. Nach wie vor sollte die Therapie auf die in der Leitlinie aufgeführten Indikationen beschränkt bleiben, und die Patienten sollten während der Behandlung sorgfältig überwacht und im Anschluss daran aufmerksam nachbeobachtet werden. Auf lange Sicht wird sich Atenolol bei gleicher Wirkung und geringeren Nebenwirkungen als Propranolol möglicherweise als der geeignetere Betablocker zur Systemtherapie infantiler Hämangiome erweisen [6].
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Der Autor hat Honorare und Reisekostenerstattungen der Firma Pierre Fabre Dermo Kosmetik GmbH, 79111 Freiburg, erhalten.