Zusammenfassung
Hidradenitis suppurativa (HS) ist eine chronisch entzündliche Hautkrankheit, die vorwiegend an Hautarealen auftritt, die viele apokrine Drüsen aufweisen, unter anderem im axillären, inguinalen, genitalen, und submammären Bereich. Die Prävalenz von HS zeigt eine signifikante Variabilität in epidemiologischen Studien und liegt zwischen 0,03% und 4%. Die Erkrankung tritt häufiger bei Frauen als bei Männern auf, Männer-Frauen Ratio 1:2 bis 1:5. Das durchschnittliche Alter bei Erstmanifestation liegt bei 23 Jahren [1]. Ein Drittel der HS Patienten gibt eine positive Familienanamnese an und die Erkrankung weist einen autosomal-dominanten Erbgang auf. Zu den häufigsten Komorbiditäten der HS gehören unter anderem Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Spondylarthropathie und metabolisches Syndrom [2]. Genetische Prädisposition, endokrinologische Störungen, dysregulierte erworbene Immunität, bakterielle Superinfektion, Rauchen und Adipositas gehören zu den begünstigenden Faktoren [1]. Eine begrenzte Anzahl von Studien hat sich auf die Analyse molekularer Profiländerungen auf Gen- und/oder Proteinebene konzentriert [3, 4]. Die betroffenen Signalwege sind hauptsächlich mit Inflammation assoziiert, einschließlich Zelladhäsion, Diapedese und Extravasation sowie Signal- und Kommunikationswegen für Immunzellen [3]. Im Artikel von Constantinou, Fragoulis und Nikiphorou wird die aktuelle Evidenz zu Verbindungen zwischen HS und Autoimmun- und Infektionskrankheiten mit einem Schwerpunkt auf Epidemiologie und Pathophysiologie untersucht.
Transfer in die Praxis von Dr. med. Evgenia Makrantonaki (Wildeshausen)
Hintergrund
Hidradenitis suppurativa (HS) ist in den meisten Fällen therapieresistent und schränkt häufig in großem Ausmaß die Lebensqualität der Patienten ein. Ein besseres Verständnis der Pathogenese der Erkrankung und die Einführung von wirksamen Therapiekonzepten ist aus diesem Grund von großer Bedeutung.
Constantinou C et al. stellen in ihrem Review Artikel die neusten Erkenntnisse bezüglich der Epidemiologie, Pathogenese und Therapiemöglichkeiten der HS vor. Insbesondere wird über die Assoziation von Insulinresistenz, Body Mass Index (BMI)/Adipositas und HS berichtet. Eine erhöhte mTOR (mammalian target of rapamycin) Aktivität ist in der läsionalen und nicht läsionalen HS Haut beschrieben worden und ist mit der Ausprägung der Erkrankung sowie mit der nachgewiesenen Insulinresistenz korreliert worden. Demzufolge wäre die Gewichtsabnahme ein Faktor, der bei der Therapie von HS mitberücksichtigt werden sollte.
Es wird debattiert, ob eine bakterielle Besiedlung per se die Ursache oder das Ergebnis der Entzündung ist. Die aktuelle Hypothese legt nahe, dass eine Entzündung des Haarfollikels, einhergehend mit einer infundibulären Hyperkeratose und einer Hyperplasie des follikulären Epithels, für die Entwicklung von HS verantwortlich ist.
Die Bildung eines bakteriellen Biofilms wird dadurch begünstigt. Es kommt zu Ausdehnung und Bruch des terminalen Haarfollikels und anschließend zur Ausschüttung von Material, wie z.B. Keratin, in die Dermis. Folglich wird die Immunantwort in der Haut aktiviert und unterschiedliche Immunzellen, wie dendritische Zellen, Makrophagen, B- und T-Zellen sowie auch Neutrophile, werden angelockt.
Während in akuten Läsionen eher neutrophile Abszesse zusammen mit Makrophagen, Monozyten und dendritischen Zellen zu finden sind, trifft man in chronischen Läsionen eher B-Lymphozyten und Plasmazellen. Eine antibiotische Behandlung mit Tetrazyklinen, Clindamycin, Rifampicin, Moxifloxacin, Metronidazol und Ertapenem hat sich über die Jahre als gut wirksam erwiesen. Das könnte daran liegen, dass die oben genannten Antibiotika neben ihrem großen antibakteriellen Spektrum auch immunmodulatorische Effekte aufweisen.
Pro-inflammatorische Signalwege tragen zur Entwicklung der Krankheit signifikant bei. Eine Reihe von pro-inflammatorischen (IL-1β, TNF, IL-17) sowie auch anti-inflammatorischen Zytokinen (IL-10) zeigen sich signifikant erhöht in der läsionalen HS Haut. Darüber hinaus ist eine Erhöhung der Matrixmetalloproteinasen (MMP-2 und MMP-8) beschrieben worden, welche auf die Überexpression von TNF (tumor necrosis factor) zurückzuführen ist. Dies führt zur Umstrukturierung der extrazellulären Matrix und zu lokalen morphologischen Veränderungen. Der Einsatz von TNF-Blockern, wie z.B. Adalimumab und Infliximab, in der Behandlung von moderater bis schwerer HS hat gute Ergebnisse erzielt.
IL-17 wird hauptsächlich von Neutrophilen und T-Helfer-17(Th17)-Zellen produziert. Darüber hinaus sind Treg(T-regulation)-Zellen, die für die Proliferation und Differenzierung der Haarfollikelstammzellen wichtig sind, bei HS dysreguliert. Die Th17/Tregs-Ratio ist signifikant hoch in der HS Haut und kann durch anti-TNF Behandlung normalisiert werden. IL-17 kann die Produktion von IL-1β von den Keratinozyten via Aktivierung des NLRP3-Proteins des Inflammasoms und der Caspase-1 stimulieren. IL-17 induziert auch die Expression von S100A8 und S100A9 in den Keratinozyten, welche auch deren Proliferation und die Produktion von weiteren Zytokinen und Chemokinen anregen. Demzufolge wurden monoklonale IL-17 Antikörper (u.a. Secukinumab und Bimekizumab) in ersten klinischen Studien eingesetzt und bei moderaten bis schweren HS Verläufen mit gutem Erfolg getestet. Anakinra, ein IL-1 Rezeptor Antagonist, hat sich auch als vielversprechend bei der Behandlung von HS erwiesen.
IL-23, welches von Makrophagen und dendritischen Zellen produziert wird, zeigt sich auch erhöht in der läsionalen Haut. Monoklonale Antikörper gegen IL-23, wie Ustekinumab und Guselkumab, haben auch eine gute Wirksamkeit bei HS gezeigt. Dennoch sind weitere Studien diesbezüglich notwendig. Apremilast, ein Inhibitor von Phosphodiesterase-4 (PDE4), welcher auch in der Behandlung von Psoriasis und Psoriasisarthritis eingesetzt wird, hat ebenfalls positive Effekte erzielt.
Fazit für die Praxis
Die Pathogenese von HS ist kompliziert und bedarf weiterer Forschung. Bisherige Erkenntnisse haben nachgewiesen, dass eine dysregulierte Immunantwort den Hauptauslöser von HS darstellt. Aufgrund dessen sind Therapeutika mit immunmodulatorischer Wirkung stets zu empfehlen, darunter Antibiotika und Biologika, die gezielt die übermäßige Immunreaktion bremsen können.
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