Abstract
Introduction: Cowʼs milk allergy (CMA) is a common diagnosis in infants, requiring the exclusion of cowʼs milk until tolerance is recovered. In the present study, we aim to determine which factors are associated with the development of tolerance.Methods: Retrospective, observational study of subjects who underwent the same clinical follow-up methodology. We studied 245 cases of CMA (125 IgE-mediated and 120 non-IgE-mediated). The following variables were analysed: age at diagnosis, gender, type of delivery, type of feeding received, feeding during the first months of life, clinical features, and type of feed received as treatment: casein hydrolysates or casein hydrolysates with Lactobacillus rhamnosus GG (LGG).Results: Factors associated with earlier tolerance were non-IgE-mediated CMA (HR = 2.92; 95% CI: 2.20-3.88) and patients receiving casein hydrolysate with LGG (HR = 1.79; 95% CI: 1.33-2.42). Later tolerance was associated with caesarean delivery (HR = 0.78; 95% CI: 0.58-1.05) and breastfeeding for a period of at least 3 days (HR = 0.64; 95% CI: 0.44-0.93). The multivariate study shows that the type of formula (HR = 1.61; 95% CI: 1.19-2.18) and the type of CMA (HR = 2.82; 95% CI: 2.12-3.85) have an effect on the recovery time. Casein hydrolysates with LGG reduces the recovery time in IgE-mediated (HR = 1.88; 95% CI: 1.17-3.01) and non-IgE-mediated CMA (HR = 1.46; 95% CI: 0.98-2.17).Conclusion: Tolerance acquisition is faster in non-IgE-mediated CMA subjects and in those who received casein hydrolysate with LGG.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann (Augsburg)
Hintergrund
Lebensmittelallergien gehören zu den ersten, bereits früh nach der Geburt auftretenden atopischen Erkrankungen beim Menschen. Vor Erreichen des 5. Lebensjahres sind laut Sánchez-Valverde et al. zwischen 2 und 3% aller Kinder von einer Kuhmilchallergie betroffen. Die klinische Ausprägung kann sowohl eine angeborene als auch eine adaptive, IgE-vermittelte Immunantwort oder beide Formen gleichzeitig annehmen. Viele der Kinder entwickeln nach einiger Zeit wieder eine Toleranz gegenüber Kuhmilch. Die Faktoren für diese Toleranzentwicklung zu kennen, könnte zusätzlich entscheidende Mechanismen bei der Entwicklung weiterer Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis wie dem atopischen Ekzem offenlegen und für den Stopp der «Allergiker-Karriere» dienlich sein. Etwa 30% aller Neugeborenen erkranken in den ersten Lebensmonaten an einem atopischen Ekzem. Ein wichtiger Faktor dabei ist das Mikrobiom, welches sich bei der Geburt und während der Stillzeit zum Teil über die Mutter beim Kind bildet [1]. Epidemiologischen Studien zeigen, dass die Art der Geburt - also auf natürliche Weise oder durch operativen Eingriff - die Ausbildung des Mikrobioms beeinflusst. Besonders herausfordernd für die Forschung ist es, Datensätze zu generieren, die klinische Werte sowohl der erkrankten Kinder als auch ihrer nächsten Verwandten, insbesondere der Mütter, beinhaltet. Hierfür sind Registerstudien erforderlich, welche bereits früh begonnen haben, klinische Daten von Patienten und Angehörigen gleichermaßen zu dokumentieren, um so den natürlichen Verlauf einer Allergie nachvollziehen zu können. Bei der Therapie von Nahrungsmittelintoleranzen sind diese Grundlagen bisher oftmals nicht gegeben. Die Gabe von Laktobazillen als proaktive Toleranzförderung ist zwar in Studien untersucht worden, jedoch ohne Einbezug vollständiger Beobachtungsdaten. Diese Lücke schließt die vorliegende Publikation. Bislang gilt das erste Lebensjahr entscheidend für die Entwicklung von Nahrungsmitteltoleranz [2], weshalb sich eine möglichst vielseitige Nahrungsgabe empfiehlt. Insgesamt wird das Immunsystem in dieser Lernphase durch die Diversität externer Faktoren geschult. Hierfür wurden unter anderem positive Effekte beim atopischen Ekzem durch Kuhstallstaub nachgewiesen, in denen Endotoxine von bestimmten Bakterien enthalten sind [3]. Negativen Einfluss auf die Hautbarriere hat dagegen das Aufwachsen an viel befahrenen Straßen [4]. Mikrobiom und Immunsystem lernen also besonders gut, wenn die Diversität der externen Faktoren hoch ist, der Einfluss schädlicher Umweltfaktoren dagegen möglichst niedrig. Zu den schädlichen Umweltfaktoren zählen vor allem Luftschadstoffe und Umweltgifte in Haushalt, Kleidung und Nahrungsmitteln. Die immunologischen Mechanismen bei einer Toleranzentwicklung gegenüber Nahrungsmitteln wie Kuhmilch zu kennen und diese mit der Umwelt und psychosozialen Faktoren zu korrelieren, ist daher von besonderer Wichtigkeit für die dermatologische Forschung.
Methodik
Für die Studie konnten retrospektiv Daten von 245 Kindern ausgewertet werden, von denen 125 eine IgE-vermittelte Immunantwort auf Kuhmilch zeigten. Allen Studienteilnehmenden gemeinsam waren klinische Symptome nach Gabe von Kuhmilch sowie ein positiver, oraler Nahrungsmitteltest. Die retrospektive Beobachtungsstudie listet die wichtigsten biologischen Faktoren auf, darunter Alter, Geschlecht, allergische Erkrankungen in der direkten Verwandtschaft, Art der Geburt, Art der Ernährung (Mutter- oder Folgemilch) während des Krankenhausaufenthaltes nach der Geburt und nach der Diagnose sowie allergische, gastrointestinale und respirative Symptome bei Diagnose. Hinsichtlich der Ernährungsgaben wurde weiterhin unterschieden, ob Kuhmilch mit oder ohne Zusatz von Lactobacillus rhamnosus GG (LGG) gegeben wurde. Als Vorannahme für Faktoren mit Einfluss auf die Toleranzentwicklung sahen die Autoren unter anderem eine familiäre Prädisposition zur Allergie, totales IgE im Serum, IgE spezifisch auf Kuhmilch und das Auftreten eines atopischen Ekzems. Den an der Studie teilnehmenden Kindern wurde entweder nur Caseinhydrolysat oder Caseinhydrolysat zusammen mit LGG gegeben.
Ergebnisse der Studie
Bei insgesamt 78,5% Prozent konnte das Immunsystem eine Toleranz gegenüber Kuhmilch entwickeln, jedoch mit einer deutlichen Diskrepanz zwischen IgE-vermittelt mit 64% und nicht-IgE vermittelt mit 94,2%. Weiterhin hat die Dauer der Toleranzentwicklung bei nicht IgE-vermittelten Kuchmilchallergikern durchschnittlich 9 Monate betragen, bei IgE-vermittelten dagegen durchschnittlich 32 Monate. Die Autoren kommen weiterhin zu dem Ergebnis, dass die Immunantwort je nach Typ I oder II von unterschiedlichen Faktoren begünstigt wird. Einen klaren Hinweis gibt es auf einen Zusammenhang zwischen einer Kaiserschnittgeburt und einer IgE-vermittelten Kuhmilchintoleranz. Kinder mit einer nicht IgE-vermittelten Immunantwort auf Kuhmilch entwickelten schneller eine Toleranz. Zusätzlich hat die Gabe von Caseinhydrolysat zusammen mit LGG die Toleranzentwicklung befördert, besonders bei IgE-vermittelten Intoleranzen.
Kritik und Fazit für die Praxis
Als besonders wichtiges Ergebnis dieser Publikation ist festzuhalten, dass die Art der Intoleranz, also ob IgE vermittelt oder nicht, entscheidend für die Toleranzentwicklung ist. Hierbei kann eine Kuhmilchallergie nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in Bezug auf andere atopische, frühkindliche Erkrankungen untersucht werden. Die Frage stellt sich also, wie allergenspezifisch die Immunreaktion in diesem Alter ist. Die Autoren selbst benennen Einschränkungen in der Methodik. Hierunter zählen fehlende Daten wie der sozioökonomische Status der Mutter, rurale oder urbane Umgebung während des Aufwachsens, Gabe von Antibiotika, gleichzeitiges Stillen und Gabe von Folgemilch. Dies limitiert die Ergebnisse der Studie nur bedingt, erteilt vielmehr den Auftrag an die Forschung, bei Registerstudien ganzheitlich Biomarker und Umweltfaktoren sowohl von den Patienten als auch von den Müttern und bestenfalls beider Elternteile zu messen.
Disclosure Statement
Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte in Bezug auf den vorliegenden Wissenstransfer bestehen.