Zusammenfassung
Wir berichten über einen Patienten mit einer seit der Pubertät bestehenden Hidradenitis suppurativa (HS). Er klagte über chronische Rückenschmerzen in Verbindung mit Sensibilitätsstörungen und Muskelschwäche im rechten Bein. Es wurde eine Lumboischialgie diagnostiziert. Die Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika und Schmerzmitteln brachte keine Symptomlinderung. Daraufhin wurde die Indikation zur chirurgischen Dekompression gestellt. Diese wurde jedoch intensiv kontrovers diskutiert, denn in der Hautregion, in der die Operation erfolgen sollte, befanden sich ausgedehnte entzündliche und fibrotische HS-Läsionen. Eine Kombinationstherapie mit Clindamycin/Rifampicin wurde eingeleitet und die Operation verschoben. Einen Monat nach Beginn der antibiotischen Therapie waren die Gelenksymptome vollständig abgeklungen und die entzündlichen Hautläsionen zeigten eine starke Besserung. Anhand des vorliegenden klinischen Falles möchten wir die verschiedenen mit HS assoziierten rheumatischen Erkrankungen erörtern, die eine korrekte Diagnose erfordern und bei der therapeutischen Versorgung des Patienten berücksichtigt werden sollten.
Patientenfall
Wir berichten über den Fall eines 43-jährigen Patienten mit einer seit vielen Jahren bestehenden Hidradenitis suppurativa (HS). Er klagte über zunehmende Rückenschmerzen in Verbindung mit neuropathischen Entladungen am äußeren rechten Oberschenkel, Bein und Fuß. Nach Angaben des Patienten traten die Schmerzen besonders morgens und beim Sport auf und waren manchmal mit Parästhesien verbunden.
Die körperliche Untersuchung ergab eine verringerte Muskelkraft und einen Sensibilitätsverlust am betroffenen Bein. Die Computertomographie (CT) zeigte eine lumbale Diskushernie auf Höhe der Wirbelkörper L5/S1 mit rechts posterolateraler Verlagerung der Bandscheibe. Die Blutuntersuchung ergab einen Normalwert des C-reaktiven Protein(CRP)-Spiegels mit 4,5 mg/l.
Die Langzeittherapie mit nichtsteroidalen Antiphlogistika und Schmerzmitteln brachte keine Besserung, sodass die Indikation für eine operative posteriore lumbale Dekompression gestellt wurde. In der Hautregion, in der die Operation erfolgen sollte, befanden sich ausgedehnte entzündliche und fibrotische HS-Läsionen. Um postoperative Komplikationen zu vermeiden, wurde die Operation verschoben und eine Kombinationstherapie mit Clindamycin 600 mg/Tag und Rifampicin 600 mg/Tag eingeleitet. Einen Monat nach Beginn der antibiotischen Therapie waren die Gelenksymptome vollständig abgeklungen und die entzündlichen Hautläsionen zeigten eine deutliche Besserung.
Bemerkenswert ist, dass dadurch eine Operation vermieden wurde. Der starke antiinflammatorische Effekt der Antibiotika bewirkte wahrscheinlich auch eine Entzündungshemmung in der Umgebung des Bandscheibenvorfalls [1]. Wir nehmen diesen Fall zum Anlass, um den Zusammenhang mit einer entzündlich-rheumatischen Grunderkrankung zu erörtern.
Diskussion
In der Literatur gibt es nicht viele Berichte über mit HS assoziierte rheumatische Erkrankungen. Artikuläre Manifestationsformen zeigen Merkmale einer Spondyloarthritis vom axialen und/oder peripheren Typ [2]. Schätzungen zufolge beträgt die Prävalenz bei HS-Patienten 3,7% bis 48% [3,4]. In den meisten Fällen entwickeln sich die dermatologischen Läsionen vor einer Gelenkbeteiligung. Schübe und Schweregrad der Arthritis stehen positiv mit dem Auftreten von HS-Exazerbationen in Korrelation [4].
Kürzlich wurden weitere seltene Entitäten im Zusammenhang mit HS und Spondyloarthritis beschrieben, darunter das PAPA-Syndrom (PAPA = Pyoderma gangraenosum, Akne und pyogene Arthritis), das PASH-Syndrom (PASH = Pyoderma gangraenosum, Akne und HS), das PAPASH (Pyoderma gangraenosum, Akne, Psoriasis, Arthritis und HS), das PASS-Syndrom (PASS = Pyoderma gangraenosum, Akne, Sondyloarthritis und HS) sowie das PsPASH-Syndrom (PsPASH = Psoriasis-Arthritis, Pyoderma gangraenosum, Akne und HS). Diese Syndrome wurden in das interessante Konzept der Autoinflammation aufgenommen [5,6].
Nachweis und Diagnose von assoziierten rheumatischen Erkrankungen bei Patienten mit HS sind von großer klinischer Bedeutung, um eine entsprechend angepasste therapeutische Strategie festzulegen. Adalimumab ist der erste Tumornekrosefaktor(TNF)-α-Blocker, der von der Food and Drug Administration (FDA) zur Behandlung der HS zugelassen wurde. Seine Wirksamkeit bei HS wurde in den beiden randomisierten klinischen Studien PIONEER I und PIONEER II eindeutig nachgewiesen. Diese zeigten ein klinisch signifikantes Ansprechen der Erkrankung nach 12 Behandlungswochen gegenüber Placebo (41,8% vs. 26,0% in PIONEER I (p = 0,003) und 58,9% vs. 27,6% in PIONEER II (p < 0,001)) [7,8].
Darüber hinaus wird Adalimumab seit vielen Jahren in der Rheumatologie als therapeutische Option bei axialer Spondyloarthritis, rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis, ankylosierender Spondylitis und juveniler idiopathischer Arthritis eingesetzt [9.] Adalimumab ist eine Therapie der Wahl für HS-Patienten mit chronisch entzündlich-rheumatischer Grunderkrankung. Neben der medikamentösen Therapie, sind Allgemeinmaßnahmen zur Kontrolle von Übergewicht und Rauchgewohnheiten einzuhalten.
In dem von uns vorgestellten klinischen Fall entsprachen die vom Patienten berichteten Symptome den üblichen Symptomen eines lumbalen Diskusprolapses. Die Diagnose wurde durch computertomographische Aufnahmen bestätigt. Interessanterweise veranlassten uns die nächtlichen Rückenschmerzen in Verbindung mit Morgensteifigkeit zu der Annahme, es liege eine entzündlich-rheumatische Grunderkrankung vor.
Das rasche Abklingen der rheumatischen Symptome einen Monat nach Beginn der Kombinationstherapie mit Clindamycin und Rifampicin lässt sich möglicherweise durch den starken antiinflammatorischen Effekt dieser Arzneimittel erklären. Diese haben eine direkte entzündungshemmende Wirkung auf die Entzündung in der Umgebung der Diskushernie und darüber hinaus wirken sie auch auf die entzündeten Gelenke [1]. Überraschenderweise beobachteten wir außerdem eine starke Verbesserung der entzündlichen HS-Hautläsionen. Eine Operation konnte bei diesem Patienten vermieden werden und es wird eine Umstellung auf Adalimumab vorgeschlagen. Möglicherweise sind jedoch Dosisanpassungen erforderlich, um eine ausreichende Kontrolle sowohl der Haut- als auch der Gelenkläsionen zu erreichen. Die Dosierung von Adalimumab sollte entsprechend den vorherrschenden Symptomen der einander überlappenden Erkrankungen individuell angepasst werden.
Die Gabe von TNF-α-Blockern sollte in der Behandlung der HS und der verschiedenen überlappenden Erkrankungen aus dem Formenkreis der chronisch-rheumatischen Krankheiten frühzeitig in Betracht gezogen werden. Ein dynamisches Zusammenspiel zwischen Rheumatologen und Dermatologen ist für die optimale Therapie von HS-Patienten mit Gelenkerkrankung von entscheidender Bedeutung.
Erklärung zu ethischen Konflikten
Der Patient unterzeichnete eine schriftliche Einwilligungserklärung, die von der Ethikkommission des Erasme Hospital genehmigt worden war (Referenznummer: B2016/001).
Offenlegung
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte offenzulegen.