Zusammenfassung
Den Sicherheitsanalysen von Sznol und Koautoren liegen die Daten von 448 Patienten der Dosiseskalations-Studie CA209-004 (Phase I) sowie der Phase-II- und III-Studien CheckMate 067 und CheckMate 069 zugrunde. Schadendorf und Koautoren wählten dagegen die 407 behandelten Patienten der CheckMate 067 und 069 Studien aus. In allen Studien war eine Induktionstherapie mit Nivolumab plus Ipilimumab sowie eine Konsolidierungstherapie nur mit Nivolumab vorgesehen. Sznol und Koautoren legen den Fokus auf die Häufigkeit, Schwere, Art und den zeitlichen Verlauf der Nebenwirkungen (NW) der immunonkologischen (I-O) Therapie. Sie unterscheiden allgemeine und vermutet immunologische NW. Schadendorf und Koautoren analysieren die Daten in Bezug auf die therapeutische Effektivität (progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben) und unterscheiden nach Patienten, welche die Therapie aufgrund von NW abbrachen versus diejenigen, die die I-O-Therapie fortführten.
Transfer in die Praxis von Dr. Jan Maschke (Köln)
Hintergrund
Die Nebenwirkungen (NW) der immunonkologischen (I-O) Kombinationstherapie sind bei der zunehmenden Überlebensdauer der Patienten von besonderer Bedeutung. Der Grad der NW bei Nivolumab plus Ipilimumab kann leicht bis schwer, transient oder permanent oder selten progredient und tödlich sein. In der Dezemberausgabe 2017 des Journals of Clinical Oncology befassen sich gleich zwei Publikationen mit den NW und dem Sicherheitsprofil von Nivolumab plus Ipilimumab.
Ergebnisse der Studien
Sznol et al. berichten, dass 94,9% aller Patienten behandlungsbezogene NW hatten: bei 55,5% waren es NW Grad 3 und 4 (schwerwiegend und lebensbedrohlich); bei 35,7% wurde aufgrund der NW die Therapie abgebrochen. Unter den vermutet immunologischen NW waren am häufigsten Hautveränderungen (z.B. Exantheme, Juckreiz), gastrointestinale NW (z.B. Durchfälle) und hepatische NW (z.B. Hepatitis). In der zeitlichen Abfolge treten die NW der Haut früh auf, gefolgt von hepatischen, gastrointestinalen und endokrinen NW wie z.B. Hypophysitiden. Immunonkologische NW in mehr als einem Organ traten bei 30,1% der Behandelten auf.
Schadendorf et al. analysierten die Effektivität der I-O-Kombination nach minimal 18 Monaten Verlaufsbeobachtung: das mittlere progressionsfreie Überleben für Therapieabbrecher (Abbruch in der Kombinationsphase) war 8,4 Monate, für Patienten, die die Therapie nicht beendeten hingegen 10,8 Monate. Das mittlere Gesamtüberleben war bei keiner der beiden Gruppen erreicht worden. Die Ansprechrate betrug 58,3% bei den Therapieabbrechern versus 50,2% bei denjenigen, die die Therapie nach der Induktionsphase fortführten.
Welche Kritikpunkte gibt es?
Die kombinierte Therapie mit Nivolumab plus Ipilimumab ist seit Mai 2016 bei Erwachsenen mit fortgeschrittenem Melanom, das metastasiert oder nicht resezierbar ist, unabhängig vom BRAF-Mutationsstatus in der Europäischen Union zugelassen. Vom gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) erfolgte im Dezember 2017 eine Neubewertung dieser Therapie. Fazit war, dass die vorgelegten Daten keinen beträchtlichen Zusatznutzen für nicht vorbehandelte Patienten mit einem BRAF-V600-Wildtyp-Tumor gegenüber Nivolumab-Monotherapie belegen [1]. Diesbezüglich sind die Publikationen von Wolchok et al. [2] und Ming et al. [3] lesenswert. Während Wolchock et al. die 3-Jahres-Überlebensdaten der CheckMate 067 Studie vorstellen, treffen Ming et al. nach ihrer Analyse die Aussage, dass diese Studie von der Planung und Ausgestaltung nicht dazu geeignet war, die Nivolumab-Monotherapie mit der Kombination von Nivolumab plus Ipilimumab direkt zu vergleichen.
Fazit für die Praxis
Die I-O-Kombinationstherapie birgt die Hoffnung auf ein langfristiges Überleben für unsere Patienten. Jedoch dürfen wir nicht die Häufigkeit und Schwere der unerwünschten NW aus den Augen verlieren. Wir müssen darüber aufklären und gegen andere Optionen (z.B. Monotherapie mit einem PD-1-Antikörper) abwägen. Die Sicherstellung eines zeitnahen NW-Managements und ein regelmäßiges Training des ärztlichen und pflegerischen Teams können dabei hilfreich sein. «Kombinieren, kombinieren», ja gerne, aber leider fehlen uns hinsichtlich der I-O-Therapien aktuell Langzeitdaten, die einen möglichen beträchtlichen Zusatznutzen für den GBA belegen würden sowie zuverlässige Biomarker mit prädiktivem und prospektivem Aussagewert.
Disclosure Statement
Ich erkläre, dass bei mir keine Interessenkonflikte in Bezug auf den vorliegenden Wissenstransfer bestehen.