Zusammenfassung
Vesikulobullöse Eruptionen bei Älteren sind Teil zahlreicher verschiedener Pathophysiologien und können für den Kliniker eine diagnostische Herausforderung darstellen. Die Diagnose erfordert eine sorgfältige Anamnese, eine eingehende körperliche und histomorphologische Untersuchung und entsprechende Immunfluoreszenztests. In der vorliegenden Arbeit berichten wir über den Fall einer 73-jährigen Frau, die sich mit einem seit zwei Tagen bestehenden schmerzhaften bullösen Exanthem in unserer Klinik vorstellte. Bei der Untersuchung der Haut fielen zahlreiche schlaffe Blasen auf normal erscheinender, nicht erythematöser Haut an den oberen und unteren Gliedmaßen auf. Die histologische Untersuchung der aus einer Läsion entnommenen Biopsie zeigte Veränderungen an der dermo-epidermalen Junktionszone mit subepidermaler Blasenbildung, leichter dermaler Fibrose und einem spärlichen interstitiellen neutrophilen Infiltrat. Die immunhistologische Untersuchung ergab deutlich positive IgG-Basalmembran-Antikörper mit dermalem Anordnungsmuster in der direkten Immunfluoreszenz und positive antinukleäre IgG-Antikörper in der indirekten Immunfluoreszenz. Der Nachweis von Antikörpern gegen Typ-VII-Kollagen sprach für die Diagnose Epidermolysis bullosa acquisita (EBA) oder bullöser systemischer Lupus erythematodes (BSLE). Aufgrund der positiven Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) für systemischer Lupus erythematodes (SLE) sowie der histopathologischen Befunde und Immunfluoreszenzergebnisse zu den vesikulobullösen Eruptionen wurde die Diagnose BSLE gestellt. Der vorliegende Fall verdeutlicht eine der vielen Herausforderungen bei der Diagnosestellung, vor denen der Arzt angesichts der großen Zahl blasenbildender Autoimmundermatosen steht. Es ist für Internisten und Dermatologen gleichermaßen wichtig, an diese seltene und unspezifische kutane Manifestationsform des SLE zu denken und sie von den zahlreichen Erkrankungen mit vesikulobullösen Hauteruptionen bei Älteren abzugrenzen. Übersetzung aus Case Reports in Dermatology 2016;8:278-282 (DOI: 10.1159/000448392).
Fallbericht
Eine 73-jährige Frau stellte sich mit einem seit zwei Tagen bestehenden schmerzhaften bullösen Exanthem in unserer Klinik vor. Anamnestisch auffällig waren eine mit Thiaziden behandelte Hypertonie, Hyperlipidämie, eine mit nicht krankheitsmodifizierenden Antirheumatika behandelte rheumatoide Arthritis sowie eine Thrombozytopenie unklarer Ätiologie. Die Patientin hatte die Läsionen, die nach ihren Angaben plötzlich und spontan aufgetreten waren und sich zunehmend auf alle Körperregionen ausgebreitet hatten, zwei Tage zuvor erstmals bemerkt. Die Läsionen waren extrem berührungsempfindlich, juckten nicht und rupturierten unter Austritt blutiger Flüssigkeit. Begleiterscheinungen wie Arthralgien, Photosensitivität, Fieber oder Schüttelfrost, Husten, Halsschmerzen, Hämoptysen, Diarrhoe oder Erbrechen, Epistaxis, Hämatemesis oder Meläna bestanden nicht. Erwähnenswert ist, dass der Patientin wegen eines Harnwegsinfekts Bactrim verschrieben worden war, das sie bis zwei Tage vor Auftreten des Exanthems eingenommen hatte. Zwei Monate zuvor war sie wegen eines ähnlichen klinischen Bildes schon einmal in unsere Klinik aufgenommen worden, wo eine umfangreiche Diagnostik zur Abklärung der Grunderkrankung erfolgte. Damals fanden sich keine etwaigen medikamentösen Auslöser in der Anamnese. Bis zu diesem Zeitpunkt war bei ihr noch nie ein Exanthem aufgetreten. Bei der Hautuntersuchung im Rahmen der aktuellen stationären Aufnahme zeigten sich zahlreiche unterschiedlich große schlaffe hämorrhagische Blasen. Diese befanden sich auf normal erscheinender, nicht erythematöser Haut an den oberen und unteren Gliedmaßen, einschließlich Handflächen, Achseln, Rücken und Inguinalregion (Abb. 1). Einige der rupturierten Blasen hinterließen berührungsempfindliche nässende Erosionen. Eine eingehende Untersuchung der Mundhöhle ergab Ulzerationen an Gaumen und Wangenschleimhaut und zahlreiche 2-3 mm große blutgefüllte Blasen auf der Zunge. Die restliche Untersuchung ergab keine weiteren Auffälligkeiten.
Schlaffe hämorrhagische Blasen am rechten Arm mit umgebender normaler Haut.
Bei den Laboruntersuchungen waren der Hämoglobinwert von 8,8 g/dl, die Thrombozytenzahl von 17 000/mm3 und die Albuminkonzentration von 3 g/dl auffällig. Die Eisenwerte entsprachen einer Anämie bei chronischer Erkrankung. Die Urinuntersuchung fiel mit einer leichten Proteinurie von 30 mg/dl unauffällig aus, und es waren keine Erythrozyten- oder Leukozytenzylinder nachweisbar. Im Autoantikörper-Panel waren positive antinukleäre Antikörpertiter (1:80) mit gesprenkeltem Immunfluoreszenzmuster, niedriges C3-Komplement (72 mg/dl) sowie positive Anti-RNP-, Anti-Chromatin- und Anti-Smith-Antikörper auffällig. Die IgA-Konzentration war hoch (1 080 mg/dl). Folgende Blutuntersuchungen fielen normal aus oder lagen innerhalb der Grenzwerte: Leukozytenzahl, Gerinnungswerte, ADAMTS13, Serumproteinelektrophorese, Urtikaria-induzierte Basophilen-Aktivierung, β2-Glykoprotein-, Anti-SSA-, Anti-SSB-, Anti-Zentromer-, Scl-70-, Myeloperoxidase-, Serinprotease-, Anti-BP180-, Anti-BP230-Antikörper sowie ein Hepatitis-Panel auf akute und chronische Hepatitis.
Die histologische Untersuchung der aus einer Läsion entnommenen Biopsie zeigte Veränderungen an der dermo-epidermalen Junktionszone mit subepidermaler Blasenbildung, leichter dermaler Fibrose und einem spärlichen interstitiellen neutrophilen Infiltrat. Die immunhistologische Untersuchung ergab deutlich positive IgG-Basalmembran-Antikörper mit dermalem Anordnungsmuster in der direkten Immunfluoreszenz und positive antinukleäre IgG-Antikörper in der indirekten Immunfluoreszenz. Da in der Immunfluoreszenzuntersuchung keine IgA-, Anti-BP180- und Anti-BP230-Antikörper nachweisbar waren, konnten eine bullöse lineare IgA-Erkrankung sowie ein bullöses Pemphigoid mit Antikörpern gegen BP180 bzw. BP230 ausgeschlossen werden. Der Nachweis von Antikörpern gegen Typ-VII-Kollagen sprach für die Diagnose Epidermolysis bullosa acquisita (EBA) oder bullöser systemischer Lupus erythematodes (BSLE) und ließ eine arzneimittelinduzierte bullöse Reaktion unwahrscheinlich erscheinen []1]. Unsere Patientin erfüllte vier der elf Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) für systemischer Lupus erythematodes (SLE), da sie abnorme antinukleäre Antikörpertiter, positive Anti-Smith-Antikörper, eine Immun-Thrombozytopenie sowie orale Ulzerationen aufwies. Aufgrund der positiven ACR-Kriterien für SLE sowie der erworbenen vesikulobullösen Eruptionen mit den entsprechenden histopathologischen Befunden und Immunfluoreszenzergebnissen wurde die Diagnose BSLE gestellt.
Diskussion
Der vorliegende Fall verdeutlicht eine der vielen Herausforderungen bei der Diagnosestellung, vor denen der Arzt angesichts der großen Zahl blasenbildender Autoimmundermatosen steht. Histologische Untersuchungen und Immunfluoreszenztests spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, das breite Spektrum an differentialdiagnostisch in Frage kommenden vesikulobullösen Dermatosen einzugrenzen. Differentialdiagnostisch muss BSLE vom Pemphigoid unterschieden werden, einer bei über 70-jährigen Patienten sehr viel häufigeren bullösen Immundermatose []2]. Da die Pemphigoid-Serologie negativ war und die Immunfluoreszenzergebnisse dagegen sprachen, konnte in unserem Fall ein Pemphigoid ausgeschlossen werden. Ferner muss BSLE auch von EBA abgegrenzt werden, einer Erkrankung, die hinsichtlich der klinischen und histologischen Merkmale viele Gemeinsamkeiten mit BSLE aufweist []3]. Im Hinblick auf die immunpathologischen Kriterien ähneln BSLE und EBA einander, was eine erhebliche diagnostische Herausforderung darstellen kann, insbesondere bei Patienten ohne anamnestisch bekannten SLE. Die Differenzierung dieser beiden Erkrankungen ist für eine optimale Behandlung und Prognose von großer Bedeutung. Eine sorgfältige Anamnese, bei der das Hauptaugenmerk auf den Charakteristika der Läsionen liegt, relevante serologische Untersuchungsergebnisse und das Ansprechen auf Dapson erleichtern die Unterscheidung dieser beiden Erkrankungen []4]. EBA-Läsionen sind überwiegend mechanobullöser Natur und treten typischerweise auf mechanisch exponierten Körperstellen wie Ellenbogen, Knie, Fußknöchel und Handrücken auf []5]. Zudem sind die Hautläsionen bei EBA resistenter gegen eine Behandlung mit Steroiden und anderen immunmodulatorischen Wirkstoffen, was ein weiteres wichtiges Differenzierungsmerkmal darstellt. Bei unserer Patientin deuteten die positiven antinukleären Antikörpertiter sowie die vorliegenden ACR-SLE-Kriterien und das Ansprechen auf Steroide auf die Diagnose BSLE hin []3,6]. In diesem Fall handelte es sich um die klinische Erstmanifestation von SLE bei Älteren, d.h. einer speziellen SLE-Untergruppe mit eindeutig ungünstigen Morbiditäts- und Mortalitätsergebnissen []7,8]. BSLE ist eine sehr seltene und unspezifische kutane Form von SLE, die bei weniger als 1% der Patienten auftritt []9]. Die Erkrankung betrifft im Allgemeinen Erwachsene mittleren Alters, doch wurden auch seltene Fälle bei Älteren berichtet []3]. BSLE kann gleichzeitig mit anderen immunbullösen und nicht immunbullösen Krankheiten bestehen []5]. Bei BSLE kann es sich um die Erstmanifestation eines SLE handeln, sodass der diagnostizierende Arzt ein hohes Maß an klinischer Vorsicht wahren sollte []10]. Darüber hinaus sind die Merkmale von SLE auch häufig bei rheumatoider Arthritis nachweisbar und die beiden Erkrankungen können, wie bei unserer Patientin, gleichzeitig vorliegen []11]. Während der diagnostischen Abklärung erhielt die Patientin zunächst empirisch gepulste Steroide und sprach klinisch gut auf diese Behandlung an (Abb. 2). BSLE-Läsionen sprechen ausgezeichnet auf Dapson an, weshalb es das Mittel der Wahl und zudem von großem diagnostischen Nutzen ist []12]. Das Ansprechen auf Kortikosteroide fällt weniger eindeutig aus, doch liegen Fallberichte vor, in denen die Wirksamkeit einer Steroidgabe nachgewiesen wurde []13]. Es ist für Internisten und Dermatologen gleichermaßen wichtig, an diese seltene und unspezifische kutane Manifestationsform von SLE zu denken und sie von den zahlreichen Erkrankungen mit vesikulobullösen Hauteruptionen bei Älteren abzugrenzen. Zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Arbeit wurde die Patientin aufgefordert, sich beim Dermatologen vorzustellen, um die Diagnose sowie ihre definitive Behandlung zu besprechen.
Nach Abheilung der Blasen bleiben Bereiche mit postinflammatorischer Hypopigmentierung zurück.
Nach Abheilung der Blasen bleiben Bereiche mit postinflammatorischer Hypopigmentierung zurück.
Erklärung zu ethischen Konflikten
Die schriftliche Einwilligungserklärung der Patientin lag vor.
Disclosure Statement
Die Autoren stehen in keiner Verbindung mit oder haben keine Beteiligung an einer Organisation oder an einem Unternehmen mit finanziellem oder nicht finanziellem Interesse am Thema der vorliegenden Arbeit oder den darin erörterten Materialien.