Zusammenfassung
Hintergrund: Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass ein systemischer Entzündungszustand die Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte, doch es liegen nur wenig Daten zu Männern mit Psoriasis vor. Ziel: Das Ziel dieser Studie war die Beurteilung der Keimdrüsenfunktion bei Männern mit Psoriasis unter Anwendung unseres Wissens über Fertilität bei diesen Patienten. Methoden: Männer mit Psoriasis im Alter zwischen 18 und 55 Jahren und eine Gruppe nach Alter, BMI und geographischer Herkunft parallelisierter gesunder Probanden wurden in die Studie aufgenommen. Bei allen Teilnehmern wurden eine umfassende körperliche und andrologische Untersuchung, Standard-Spermaanalyse, vollständige mikrobiologische Analyse und Ultraschalluntersuchung der Geschlechtsdrüsen durchgeführt. Die suPAR-Konzentration im Sperma (soluble urokinase-type plasminogen activator receptor) sowie die Serumkonzentrationen von Testosteron, Estradiol (E2), SHBG (sex hormone-binding globulin), luteinisierendem Hormon und follikelstimulierendem Hormon wurden ebenfalls bestimmt. Ergebnisse: 50 Patienten und 50 Kontrollpersonen erfüllten die Einschlusskriterien und wurden in die Studie aufgenommen. Die Testosteron- und SHBG-Werte waren bei den Psoriasispatienten signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Außerdem wurden in der Psoriasisgruppe höhere E2-Konzentrationen gemessen. Die Gesamtzahl und Motilität der Spermien sowie der Anteil Spermatozoen mit normaler Morphologie lagen bei den Patienten signifikant niedriger als bei den Kontrollpersonen. Die suPAR-Konzentration war bei den Patienten signifikant höher als bei den Kontrollpersonen und lag oberhalb des Referenzbereichs. Sonographische Anzeichen für eine Inflammation der akzessorischen Drüsen lagen bei 35 der 50 Psoriasispatienten und bei keiner der Kontrollpersonen vor. Schlussfolgerung: Unsere Studie deutet darauf hin, dass unbehandelte Psoriasis die männliche Fertilität beeinträchtigen könnte. Sie hat außerdem ergeben, dass dies in den Auswirkungen einer systemischen Inflammation auf das hormonelle Profil und die Inflammation der akzessorischen Geschlechtsdrüsen begründet sein könnte.
Transfer in die Praxis von Dr. Peter Weisenseel (Hamburg)
Hintergrund
Schwere Psoriasis wird heute als entzündliche Systemerkrankung aufgefasst, die zu einer Reihe von Begleiterkrankungen führen kann. Unabhängig von der direkt assoziierten Psoriasis-Arthritis ist auch der Zusammenhang zu Erkrankungen des metabolischen Formenkreises (Diabetes mellitus II, arterielle Hypertonie, Lipidstoffwechselstörungen und Adipositas) relativ gut untersucht und belegt. Epidemiologisch werden auch Depressionen, Osteoporose und nicht-alkoholische Hepatopathie sowie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen häufiger bei Patienten mit Psoriasis beobachtet. Insgesamt ist die Lebenserwartung bei schwerer Psoriasis im Vergleich zur Normalbevölkerung um mehrere Jahre verringert.
Studienergebnisse
In der vorliegenden Arbeit wird eine bisher wenig beleuchtete potenzielle Komorbidität der Psoriasis untersucht: verminderte Zeugungsfähigkeit.
Untersucht wurden 50 erwachsene Patienten (Durchschnittsalter 34 Jahre +/- 8,4) mit milder bis mittelschwerer Psoriasis (durchschnittlicher PASI 8,0+/- 5,5) ohne laufende systemische Therapie. Zwei Patienten hatten eine bekannte Psoriasis-Arthritis. Aktuelle Infektionen im Genitourethralbereich wurden ausgeschlossen.
Die erhobenen Unterschiede zwischen Psoriasis-Patienten und gesunden Kontrollen (gematcht nach Alter, BMI und anderen Faktoren) sind teilweise hochsignifikant - zu Ungunsten der Psoriasis-Patienten. Besonders auffällig: Unter den Psoriasis-Patienten war die Spermaqualität schlechter, und bei der Mehrheit der Patienten ließen sich im Ultraschall Entzündungszeichen der akzessorischen Drüsen nachweisen.
Dies deutet darauf hin, dass auch Entzündungen, wie im Rahmen der postulierten systemischen Inflammation bei Psoriasis, zu einer reduzierten Zeugungsfähigkeit führen könnten. Ähnliche Befunde wurden auch bei Patienten mit anderen, chronisch-entzündlichen Erkrankungen gesehen, z.B. bei der Ankylosierenden Spondylitis [1].
Wie die Autoren bereits diskutieren, ist die Anzahl der untersuchten Patienten und Kontrollen noch zu gering, um allgemeine Aussagen zu treffen. Zudem wäre eine Untersuchung auch von Patienten mit schwerer Psoriasis interessant, um nach einer möglichen Korrelation zur Krankheitsschwere zu forschen.
Fazit für die Praxis
Der Einfluss von systemischer Psoriasis-Therapie auf die Spermaqualität ist eine spannende Fragestellung. Hierzu gibt es bisher wenige publizierte Untersuchungen. Wenn die systemische Entzündung reduziert wird, könnte sich auch die Entzündung der akzessorischen Drüsen und damit die Spermaqualität verbessern. Bisher konnte ein eindeutig positiver Effekt diesbezüglich aber nicht nachgewiesen werden. In einer aktuellen Arbeit der Universitätsklinik Erlangen konnte beispielsweise keine Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung der Spermaqualität unter TNF-α-Inhibition oder Fumarsäureestern bei Psoriasis-Patienten festgestellt werden [2].
Aber auch bei Männern ohne Psoriasis nimmt die Spermaqualität seit Jahrzehnten in den Industrienationen nachweislich ab, was nicht nur die Samenbanken nachdenklich stimmt. Die Ursachen hierfür sind nicht genau bekannt, diskutiert werden veränderte Umweltbedingungen, Übergewicht, zu wenig Sport, engere Hosen, ungesunde Ernährung und Schadstoffspuren in Lebensmitteln, Stress, Mobiltelefon in der Hosentasche, etc.
Gegen eine generelle Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit spezifisch durch Psoriasis spricht, dass die Inzidenz von Psoriasis wohl seit Tausenden von Jahren etwa stabil ist. Also können Männer mit Psoriasis sehr wohl und sehr gut gesunde Nachkommen zeugen. Falls aber ein Kinderwunsch bei einem Mann mit Psoriasis über einen längeren Zeitraum unerfüllt bleibt, ist eine Abklärung sehr sinnvoll, wenngleich kein Grund zur Panik.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.