Zusammenfassung
Orale maligne Melanome (OMM) sind selten; sie machen weniger als 0,5% aller malignen Erkrankungen im Mundraum aus. Die häufigsten Lokalisationen sind der Gaumen und die maxilläre Gingiva. Die histologische Untersuchung ist von entscheidender Bedeutung für die Diagnosestellung bei verdächtigen pigmentierten Läsionen in der Mundhöhle, vor allem, wenn eine präzise klinische Diagnose nicht möglich ist. Wir stellen einen Fall von OMM vor, der 2 Jahre zuvor in einem anderen Zentrum als ethniespezifische Pigmentierung fehldiagnostiziert worden war. Die klinische Untersuchung ergab multiple Makulae und Noduli auf dem harten und weichen Gaumen, der oberen Alveolarmukosa und Gingiva. Diese Läsionen waren schmerzlos und variierten farblich von dunkelblau bis schwarz. Die histologische Analyse zeigte Lagen und Nester atypischer Melanozyten verschiedener Formen (plasmazytoid, epithelioid, rund) im oberflächlichen Korium mit Ausbreitung in tiefere Gewebeschichten. Manche Tumorzellen enthielten variable Mengen an Melanin. Eingesprosste Blutgefäße oder Nervenfasern waren nicht zu sehen. Die immunhistochemische Analyse ergab, dass die neoplastischen Zellen positiv für HMB-45, Melan-A und S-100 und negativ für AE1/AE3 waren, was die Melanomdiagnose bestätigte. Der Ki-67-Labeling-Index lag bei rund 25%. Die Patientin lehnte jegliche Behandlung ab und verstarb 11 Monate später. Übersetzung aus Dermatopathology 2016;3:1-7 (DOI:10.1159/000444049)
Einleitung
Das Melanom ist eine maligne Erkrankung, die von Melanozytenzellen ausgeht. Es entwickelt sich meist in der Haut [1,2,3], kann aber auch andere Körperregionen befallen, einschließlich der Mundhöhle [4,5].
Das orale maligne Melanom (OMM) gilt im Gegensatz zum kutanen Melanom als seltene Läsion mit einer Inzidenz von 0,4-1,8% aller Melanome oder 0,5% aller oralen Malignome [6,7]. Die Ätiologie des OMM ist noch nicht geklärt, im Gegensatz zum kutanen Melanom, bei dem Sonnenstrahlung und genetischer Hintergrund als ätiologische Faktoren gelten [2]. Die am häufigsten betroffenen Lokalisationen im Mund sind der Gaumen und die maxilläre Gingiva; andere weniger häufig betroffene Regionen sind die labiale und bukkale Schleimhaut sowie die Zunge [1,3,8,9,10,11,12]. Das Durchschnittsalter der Patienten bei der OMM-Erstdiagnose liegt zwischen 40 und 60 Jahren [1,13]. Eine Geschlechtsprädilektion gibt es nicht [9]. Personen schwarzafrikanischer, japanischer und indianisch-amerikanischer Abstammung sind häufiger betroffen als die europäische Bevölkerung [1,12,13].
Histologisch sind Melanome charakterisiert durch die Proliferation maligne entarteter Melanozyten entlang der Basalschicht mit dem Potenzial für Gewebeinvasion und Metastasierung. Diese Zellen zeigen beträchtlichen Pleomorphismus mit einem breiten Spektrum an Formen von kugel- bis spindelförmig, plasmazytoid, klarzellig oder epithelioid; in solidem, alveolärem, organoidem oder pagetoidem Muster. Ihre Kerne sind unregelmäßig und bisweilen hyperchromatisch [3,6,12]. Häufig kommt es zum Einsprossen von Blutgefäßen und Nervenfasern. Nekrose, ausbleibende entzündliche Reaktionen und nicht immer erkennbare mitotische Aktivität sind weitere histologische Merkmale der Krankheit [3].
Im vorliegenden Bericht soll ein Fall von OMM geschildert und die Bedeutung der histologischen Untersuchung unterstrichen werden.
Fallbericht
Eine 80-jährige Patientin wurde zur Beurteilung und Behandlung einer pigmentierten oralen Läsion an unsere Klinik überwiesen. In der Vorgeschichte hatte sie Pigmentierungen, die 2 Jahre zuvor anderswo als ethniespezifisch diagnostiziert worden waren. Die intraorale Untersuchung ergab multiple Läsionen in Form von Makulae und Noduli auf dem harten und weichen Gaumen, der oberen Alveolarmukosa und Gingiva (Abb. 1a,b). Die Läsionen waren unregelmäßig, ihre Farbe variierte zwischen dunkelblau und schwarz. Die Größe der Läsionen reichte von 0,4 bis 3,5 cm Durchmesser. Bei einer handelte es sich um ein ulzerierendes Knötchen, das geringfügige Beschwerden hervorrief. Tastbare Lymphknoten in der Kopf- und Halsregion lagen nicht vor. Eine Biopsie der freien und befestigten Gingiva sowie der Alveolarschleimhaut wurde durchgeführt und zur histopathologischen Analyse eingereicht.
Klinisches Erscheinungsbild des OMM. a Ulzerierter Nodulus und unregelmäßige Maculae am harten Gaumen und übergreifend auf den weichen Gaumen. b Nodulus auf der Gingiva und Alveolarschleimhaut (Region des oberen linken Schneidezahns). Die Farbe der Läsionen variierte zwischen dunkelblau und schwarz.
Klinisches Erscheinungsbild des OMM. a Ulzerierter Nodulus und unregelmäßige Maculae am harten Gaumen und übergreifend auf den weichen Gaumen. b Nodulus auf der Gingiva und Alveolarschleimhaut (Region des oberen linken Schneidezahns). Die Farbe der Läsionen variierte zwischen dunkelblau und schwarz.
Die histologische Untersuchung (Abb. 2a,b) ergab Lagen und Nester von Melanozyten, einige mit runder, plasmazytoider oder epithelioider Morphologie, im oberflächlichen Korium mit Ausbreitung bis in tief liegende Gewebeschichten. Einige besaßen runde Kerne unterschiedlicher Größe, die nahezu den gesamten Zytoplasmaraum ausfüllten, sowie prominente Nukleolen. Manche Tumorzellen enthielten variable Mengen an Melanin. Das darüberliegende Epithel war atrophiert und enthielt keine Melanozyten. Eingesprosste Blutgefäße oder Nervenfasern waren nicht zu sehen. In der Immunhistochemie zeigten sich Tumorzellen, die positiv für HMB-45 (Abb. 3a), Melan-A (Abb. 3b), S-100 (Abb. 3c), Ki-67 (Abb. 3d) und negativ für AE1/AE3 (nicht abgebildet) waren; dies bestätigte die Melanom-Diagnose. Der Ki-67-Labeling-Index lag bei rund 25%.
Histologische Untersuchung. a Lagen und Nester atypischer Melanozyten im Korium. HE. Finale Vergrößerung × 100. Darüberliegendes Epithel atrophiert und nicht pigmentiert. b Atypische Melanozyten in alveolärer Anordnung, einige mit runden Kernen unterschiedlicher Größe, die nahezu den gesamten Zytoplasmaraum ausfüllen, und prominenten Nukleolen. Einige wenige Tumorzellen enthalten dichtes zytoplasmatisches Melaninpigment (Pfeil). HE. Finale Vergrößerung × 100.
Histologische Untersuchung. a Lagen und Nester atypischer Melanozyten im Korium. HE. Finale Vergrößerung × 100. Darüberliegendes Epithel atrophiert und nicht pigmentiert. b Atypische Melanozyten in alveolärer Anordnung, einige mit runden Kernen unterschiedlicher Größe, die nahezu den gesamten Zytoplasmaraum ausfüllen, und prominenten Nukleolen. Einige wenige Tumorzellen enthalten dichtes zytoplasmatisches Melaninpigment (Pfeil). HE. Finale Vergrößerung × 100.
Immunhistochemische Analyse. Neoplastische Melanozyten, positiv für HMB-45 (a), Melan-A (b), S-100 (c; finale Vergrößerung ×400) und Ki-67 (d), mit einem Labeling-Index von ca. 25 %. a, b, d Finale Vergrößerung ×100.
Immunhistochemische Analyse. Neoplastische Melanozyten, positiv für HMB-45 (a), Melan-A (b), S-100 (c; finale Vergrößerung ×400) und Ki-67 (d), mit einem Labeling-Index von ca. 25 %. a, b, d Finale Vergrößerung ×100.
Die Patientin lehnte eine umfassende Untersuchung zur Abklärung (mit CT, MRT etc.) sowie jede Art von Behandlung ab und verstarb 11 Monate darauf.
Diskussion
Der hier vorgestellte Fall von OMM war 2 Jahre zuvor in einem anderen Zentrum als wahrscheinliche ethniespezifische Pigmentierung fehldiagnostiziert worden. Diese Diagnose war allein anhand des klinischen Erscheinungsbilds gestellt worden, ohne histologische Analysen. Erworbene sowie kleine angeborene Naevi zeigen häufig BRAF-Mutationen [14]. Beim kutanen Melanom liegt in etwa 50% der Fälle eine BRAF-Mutation vor [15]. Jedoch gibt es in der Literatur keine Berichte zur möglichen Rate maligner Transformationen von melanozytären Naevi oder sonstigen pigmentierten Läsionen im Mundraum [16]. In unserem Fall lässt sich nicht ermitteln, ob das Melanom de novo entstanden oder aus einer vorbestehenden benignen pigmentierten Läsion oder Vorstufe hervorgegangen ist, da keine Biopsie durchgeführt wurde. Deshalb sollten alle verdächtigen Läsionen, die eine asymmetrische, unregelmäßige Form mit variierendem Farbton und Durchmesser aufweisen, untersucht werden, um zu einer definitiven Diagnose zu gelangen [3,17]. Die Differentialdiagnose bei pigmentierten Läsionen umfasst Tätowierungen, orale Pigmentflecken, ethniespezifische Pigmentierungen, Naevi, Melanoakanthom, Melanom sowie systemische Erkrankungen wie polyostotische fibröse Dysplasie, Neurofibromatose, multiples endokrines Neoplasie-Syndrom, Peutz-Jeghers-Syndrom und Addison-Krankheit [9,13,17,18].
Zunächst manifestiert sich das OMM als asymptomatische Läsion in Form eines flachen Fleckens oder einer leicht erhabenen Läsion, die sich im weiteren Verlauf ausprägen und mit Anzeichen wie Schwellung, Ulzeration, Blutung, Schmerzen und Zahnlockerung einhergehen kann [6,13]. In der Literatur wird die Schwellung als Hauptgrund angeführt, aus dem die Patienten den Arzt aufsuchen, gefolgt von Blutung, schlecht sitzendem Zahnersatz, Schmerzen, Lockerung der Zähne und verzögerter Heilung von Extraktionsalveolen [6,8,9].
Das OMM tritt bei Erwachsenen jeden Alters auf, am häufigsten jedoch bei älteren Menschen. Aguas et al. [9] ermittelten bei ihrer Untersuchung von 187 Fällen ein Durchschnittsalter von 67,5 Jahren; einen ungewöhnlichen Fall eines 9-jährigen Patienten beschrieben Lorenço et al. [10.] Keine Einigkeit herrscht in der Literatur über das Geschlechterverhältnis unter den Patienten - ob keine Geschlechtsbevorzugung besteht oder eine leichte Prädilektion für Männer oder für Frauen [7,9,10].
Histologisch zeigen die Tumorzellen erheblichen Pleomorphismus mit einem breiten Spektrum von Formen und Mustern, die anderen Tumoren ähneln können, z.B. Lymphomen, gering differenzierten Karzinomen, neuroendokrinen Karzinomen, Sarkomen oder Keimzelltumoren [19]. Darüber hinaus können die Melanome in selteneren Fällen nicht-pigmentiert sein, was die klinische Diagnosestellung erschwert; diese Melanome werden typischerweise erst später diagnostiziert [2,6,9]. Darum ist die immunhistochemische Färbung ein wichtiges Instrument, um Melanome von anderen malignen Erkrankungen zu unterscheiden.
Hilfreiche Marker für die Melanomdiagnostik sind S-100, HMB-45, Melan-A und Tyrosinase [20,21,22]. Im hier vorgestellten Fall verwendeten wir S-100, HMB-45 und Melan-A.
S-100 ist hochgradig sensitiv (ca. 97-100%), aber nicht sehr spezifisch (75-87%) [21]. Verschiedene Karzinome, Sarkome (z.B. Rhabdomyosarkome, Leiomyosarkome und periphere Nervenscheidentumore) und Langerhanszell-Histiozytose können ebenfalls positiv für S-100 sein. HMB-45 und Melan-A gelten als Marker mit höherer Spezifität. HMB-45 erkennt ein membrangebundenes melanosomales Typ-I-Protein namens PMEL17 oder gp100-Protein. Die Analyse auf HMB-45 und Ki-67-Antikörper kann sinnvoll sein, um primäre kutane Melanome von einigen Naevi zu unterscheiden. Melan-A ist im Melanosomen und im endoplasmatischen Retikulum von Melanozyten zu finden [22]. Ki-67 ist ein Marker der Tumorzellproliferation, der meist ergänzend genutzt wird, um zwischen benignen Naevi und Melanom zu unterscheiden. Mit weniger als 5% positiven Zellen wird die Läsion als gutartiger Naevus eingestuft, mit 13-30% positiven Zellen als bösartiges Melanom [21]. In unserem Fall fanden wir etwa 25% Ki-67-positive Zellen.
Der Multi-Cytokeratin-Antikörper (AE1/AE3) ist Berichten zufolge charakteristisch für epidermale Zellen. Es ist sinnvoll, zwischen Melanom und Karzinom sowie anderen S-100-positiven malignen Erkrankungen zu unterscheiden [21].
Viele Prädiktoren für die Prognose bei OMM sind in der Literatur bereits diskutiert worden, z.B. Alter, klinisches Stadium, Invasionstiefe und vaskuläre Invasion [4,9,10,23]. Aufgrund der Seltenheit der Krankheit wurden jedoch noch keine Konsenskriterien definiert [4]. In der Mikrostaging-Klassifikation von Prasad et al. [24], die sich auf Gewebeinvasion in der Schleimhaut stützt, ist Grad I definiert als Melanoma in situ, Grad II als Melanom mit Invasion bis zur Lamina propria und Grad III als Melanom mit tiefer Gewebeinvasion. Unser Fall war hier als Grad III einzustufen, da die malignen Melanozyten bis zum Periost reichten. Allerdings lag keine Einsprossung von Blutgefäßen und Nervenfasern vor. In der Entwicklung des Melanoms gibt es eine frühe Phase, die als radiales oder horizontales Wachstum bezeichnet wird und die durch eine seitliche Ausbreitung maligner Melanozyten nur innerhalb des Epithels gekennzeichnet ist; dies ist das In-situ-Stadium. In die spätere Phase des vertikalen Wachstums fällt die Invasion der tiefer liegenden Gewebe [8,9]. Das OMM wird in der Regel erst im vertikalen Wachstum diagnostiziert, was seine sehr schlechte Prognose erklären könnte.
In unserem Fall lehnte die Patientin jegliche Behandlung ab und verstarb 11 Monate nach der Diagnosestellung. Es ist nachgewiesen, dass die frühzeitige Erkennung des Melanoms und seine Behandlung durch radikale Chirurgie die wichtigste Behandlungsstrategie darstellen [11,25,26]. Begleitend kann auch eine adjuvante Strahlentherapie durchgeführt werden. Bei metastasierter Erkrankung ist eine Chemotherapie in Betracht zu ziehen, mit dem Ziel, die Überlebenszeit von Patienten mit Kopf- und Halsmelanomen zu verbessern [26].
Aufgrund des tödlichen Ausgangs des OMM und seiner schlechten Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 15% ist bei allen fokal-pigmentierten Läsionen und den meisten diffus-pigmentierten Läsionen eine Biopsie für die Diagnose erforderlich. Die frühzeitige Erkennung des OMM ist der Schlüssel zu einer erfolgreicheren Behandlung.
Erklärung zu ethischen Konflikten
Die schriftliche Einverständniserklärung eines Angehörigen wurde eingeholt.
Disclosure Statement
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte offenzulegen.