Zusammenfassung
Hintergrund: Hidradenitis suppurativa (HS) ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung. Die Evidenzlage spricht zunehmend dafür, dass dysfunktionelle Immunreaktionen sowohl der adaptiven als auch der angeborenen Immunität an HS beteiligt sind. Die kürzlich postulierte Assoziation der HS mit dem metabolischen Syndrom könnte zusätzlich zum Entzündungsgeschehen bei HS beitragen. Ziel: Untersuchung des Entzündungsstatus und des Leukozytenprofils im peripheren Blut von HS-Patienten. Material und Methoden: In einer komparativ aufgebauten Querschnittstudie untersuchten wir hochsensitives C-reaktives Protein (hs-CRP) und das Leukozytenprofil in Blutproben von stationär behandelten HS-Patienten (HS-HOSP), laut Selbstauskunft an HS leidenden Patienten aus der Allgemeinbevölkerung (HS-POP) sowie Populationskontrollen. Ergebnisse: Unsere Studie umfasste 32 Personen in der HS-HOSP-Gruppe, 430 in der HS-POP-Gruppe und 20 780 Kontrollen. Der mediane hs-CRP-Wert betrug in der HS-HOSP Gruppe 5,1 mg/l (Quartilsabstand 2,6-8,2), in der HS-POP-Gruppe 2,2 mg/l (1,0-4,3) und bei den Kontrollen 1,3 mg/l (0,7-2,9). Eine nach Lebensalter und Geschlecht adjustierte Analyse ergab ei- nen signifikant höheren hs-CRP-Wert für beide HS-Gruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe (p < 0,0001). In der nach Alter und Geschlecht adjustierten Analyse war in beiden HS-Gruppen die Wahrscheinlichkeit einer Leukozytose im Vergleich zur Kontrolle signifikant erhöht; die Odds Ratio lag für die HS-HOSP-Gruppe bei 4,38 (95-%-KI = 2,18-8,80; p < 0,0001) und für die HS-POP-Gruppe bei 1,95 (95-%-KI = 1,58-2,42; p < 0,0001). Das nach Lebensalter und Geschlecht adjustierte Leukozyten-Differentialblutbild ergab signifikant höhere Werte für neutrophile Granulozyten (p < 0,0001) und Monozyten (p = 0,0014; p = 0,0004) in den HS-Gruppen im Vergleich zu den Kontrollen. Schlussfolgerung: Die mit HS assoziierten hs-CRP-Werte scheinen im intermediären Bereich zu liegen (2,2-5,1 mg/l), was eher auf eine systemische Inflammation als auf eine Infektion hindeutet. Bei der Leukozytose im peripheren Blut bei HS standen neutrophile Granulozyten und Monozyten im Mittelpunkt.
Transfer in die Praxis von Dr. Evgenia Makrantonaki (Ulm)
Hintergrund
In der europäischen Bevölkerung liegt die Prävalenz von Hidradenitis suppurativa (HS)/ Acne inversa bei ca. 0,4-4%. Dabei kommt die Erkrankung häufiger bei Frauen als bei Männern vor, mit einem Männer/Frauen-Ratio von 1:2 bis 1:5. Das durchschnittliche Alter bei Erstmanifestation liegt bei 23 Jahren [1,2]. Der Leidensdruck der Betroffenen ist laut mehreren Studien sehr hoch, nicht nur aufgrund der Erkrankung per se sondern auch aufgrund von multiplen Komorbiditäten, die mit HS einhergehen können, u.a. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Spondylarthropathie und metabolisches Syndrom [3]. Nichtsdestotrotz ist die Pathogenese von HS weiterhin nicht geklärt und sogar umstritten. Genetische Prädisposition, endokrinologische Störungen, dysregulierte erworbene Immunität, bakterielle Superinfektion, Rauchen und Adipositas gehören zu den begünstigenden Faktoren [4,5].
Studienergebnisse
Miller et al. untersuchten in einer komparativen Querschnittstudie das Leukozytenprofil im peripheren Blut, das Neutrophilen/Leukozyten-Ratio (N/L Ratio) und den Spiegel vom C-reaktiven Protein in 462 Fällen von Patienten mit HS. Im Anschluss wurden die Werte der HS-Patienten mit denen von 20 780 gesunden Probanden verglichen. Ziel der Studie war es, neue Erkenntnisse zu gewinnen, in wieweit bei den HS-Patienten eine Dysregulation der erworbenen bzw. angeborenen Immunität besteht. Von den 462 HS-Patienten waren 32 hospitalisiert; 430 Patienten waren populationsbasiert rekrutiert und mittels eines validierten Fragebogens mit HS diagnostiziert worden [6]. Das Alter, das Geschlecht und der Raucher-Status wurden in der statistischen Beurteilung berücksichtigt. Interessanterweise präsentierten die HS-Patienten im Vergleich zu den gesunden Probanden einen signifikant erhöhten CRP-Spiegel und eine Leukozytose. Insbesondere die Neutrophilen und die Monozyten waren signifikant erhöht. Diese Befunde indizieren, dass eine systemische Inflammation das Auftreten von HS begünstigt.
Fazit für die Praxis
Die Assoziation von HS mit dem metabolischen Syndrom könnte die o.g. Hypothese unterstützen, da das Fettgewebe ein aktives endokrines Organ darstellt, welches in der Lage ist, Hormone und Zytokine, u.a. TNF-alpha, zu sezernieren. Darüber hinaus könnte dadurch die gute Wirkung von systemischen Therapeutika der ersten Wahl, u.a. Clindamycin und Rifampicin, die auch einen immunmodulatorischen Effekt aufweisen, und die gute Ansprechrate auf Biologika erklärt werden [7]. Zu den Nachteilen dieser Studie gehört, dass nur wenige hospitalisierte HS-Patienten untersucht wurden und dass das Hurley-Stadium, der Body Mass Index (BMI) sowie die eingeleiteten Therapien nicht bei der Planung der Studie berücksichtigt worden sind.
HS ist eine komplexe Erkrankung, die mit mehreren Komorbiditäten in Verbindung gebracht worden ist. Eine systemische Inflammation z.B. im Rahmen eines begleitenden metabolischen Syndroms könnte der Auslöser dieser Erkrankung sein. Aufgrund dessen sind Therapeutika mit immunmodulatorischer Wirkung stets zu empfehlen.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.