Zusammenfassung
Ziele: Mastzellen (MZ) und Nerven spielen eine wichtige Rolle bei allergischer Rhinitis (AR), doch über ihre Interaktion untereinander im Rahmen der AR ist wenig bekannt. Das Ziel dieser Studie war die Untersuchung der Interaktion zwischen MZ und Nerven in der menschlichen Nasenschleimhaut bei AR. Methoden: Die Assoziation zwischen MZ und Nerven, die Expression von Neuropeptid-Rezeptoren (Neurokinin-1-Rezeptor (NK1R), Neurokinin-2-Rezeptor (NK2R), Calcitonin Gene-Related Peptide Receptor (CGRPR) und MrgX2) auf MZ und die Expression von Protease-aktiviertem Rezeptor 2 (PAR2) und Tyrosinkinase-Rezeptor A (TrkA) auf Nervenfasern in der menschlichen Nasenschleimhaut wurden mit Immunfluoreszenz und Echtzeit-PCR untersucht. Ergebnisse: Zwischen MZ und Nerven wurde eine signifikant erhöhte Assoziation festgestellt, obwohl die Anzahl der MZ und Nervenfasern bei AR unverändert war. Tryptase-Chymase exprimierende MZ (MZTC) waren häufig mit Nervenfasern assoziiert, und diese Kontakte lagen bei AR in signifikant erhöhtem Maße vor. Die Neuropeptid Rezeptoren NK1R, NK2R und CGRPR wurden erstmals in hohem Maße auf MZ lokalisiert nachgewiesen. Die Anzahl der NK1R- und NK2R-, nicht aber CGRPR-exprimierenden MZ war bei AR signifikant erhöht. Interessanterweise exprimierten vor allem MZTC diese Neuropeptid-Rezeptoren. Der neu entdeckte Tachykinin-Rrezeptor MrgX2 wurde nicht von den nasalen MZ, aber von Drüsenzellen und bei AR in erhöhtem Maße exprimiert. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass tachykinerge Nervenfasern PAR2 oder TrkA als Rezeptoren für MZ exprimieren. Schlussfolgerungen: Diese Studie belegt erstmals eine verstärkte MZ-Nerven-Assoziation und Neuropeptid-Rezeptor-Expression auf MZ bei AR sowie Nervenfasern mit Rezeptoren für MZ. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Targeting oder die Kontrolle der sensorischen Nervenfunktion der Atemwege als Modulator der MZ allergische Atemwegsentzündungen wie die AR verhindern könnte.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Vera Mahler (Langen)
Hintergrund
Bei Patienten mit allergischen Erkrankungen steht die Freisetzung von Histamin und weiteren Mediatoren aus Mastzellen (MZ) nach Allergenkontakt im Mittelpunkt der allergischen Entzündungskaskade. Jedoch ist die Mediatorfreisetzung aus MZ nicht jeden Tag gleich: Verschiedene klinische Ko- und Augmentationsfaktoren (z.B. körperliche Anstrengung, psychische Belastung, Alkoholisierung, Betablocker-Einnahme) wurden identifiziert, die zur Manifestation oder Verstärkung der klinischen Symptomatik nach Allergenkontakt beitragen (mündliche Mitteilung von Frau Professor Margitta Worm, Charité Berlin: unpublizierte Daten aus dem Anaphylaxie-Register [1]).
Zahlreiche auf der MZ-Oberfläche exprimierte Rezeptoren (z.B. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren) spielen dabei eine Rolle und beeinflussen auch die allergische Fc epsilon RI-vermittelte MZ- Mediatorfreisetzung [2].
Weiterhin ist bekannt, dass MZ durch verschiedene Mediatoren, unter anderem auch Neuropeptide, moduliert werden und vice versa, dass sensorische Nerven der Atemwege durch eine Vielzahl von Faktoren aktiviert werden, wie z.B. körperliche Anstrengung, chemische Irritantien oder auch MZ-Mediatoren. Die anschließende sensorische Axonreaktion führt zur Freisetzung von Neuropeptiden wie Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) und/oder Tachykinine Substanz P (SP) und Neurokinin A (NKA).
Wenig ist jedoch über die Interaktion zwischen MZ und Nerven bei symptomatischer allergischer Rhinitis bekannt.
Studienergebnisse
In ihrer in Neuroimmunomodulation erschienenen Originalarbeit untersuchten Le et al. die MZ-Nerven-Interaktion in Biopsien der menschlichen Nasenschleimhaut bei Patienten mit perennialer allergischer Rhinitis (n = 8) und sechs Kontrollpersonen ohne Allergien.
Die Autoren untersuchten mittels Immunfluoreszenz und Real-time-PCR die Assoziation zwischen MZ und Nerven, d.h. die Expression von Neuropeptid-Rezeptoren (Neurokinin 1 Rezeptor (NK1R), Neurokinin 2 Receptor (NK2R), CGRP- und Tachykinin-Rezeptor MrgX2 auf MZ, sowie von Protease-aktiviertem Rezeptor 2 (PAR2) und Tyrosin-Rezeptor-Kinase A (TrkA) auf Nervenfasern in der menschlichen Nasenschleimhaut.
Sie konnten erstmals zeigen, dass die Assoziation zwischen MZ und Nerven bei gleichbleibender Gesamtzahl bei allergischer Rhinitis signifikant erhöht ist:
• Tryptase-Chymase-exprimierende MZ waren häufig mit Nervenfasern assoziiert, deren Kontakte während der allergischen Rhinitis zunahmen.
• Die Neuropeptid Rezeptoren NK1R, NK2R und CGRPR waren auf MZ weit verbreitet.
• NK1R- und NK2R-exprimierende MZ, nicht aber CGRPR-exprimierende nahmen während allergischer Rhinitis signifikant zu.
• Tachykinin-Rezeptor MrgX2 wird nicht auf MZ, sondern auf Drüsenzellen exprimiert und nahm während der allergischen Rhinitis zu.
• Zusätzlich wurden Nervenfasern identifiziert, die PAR2 oder TrkA als Rezeptoren für MZ exprimieren.
Fazit für die Praxis
Diese Ergebnisse eröffnen möglicherweise neue therapeutische Interventionsansätze zur Modulation der allergischen Entzündungskaskade durch Beeinflussung von MZ via Kontrolle der sensorischen Nervenfunktion.
Die allergische Reaktion als Folge von Allergen-Antikörper-Kontakt auf der MZ ist erheblich komplexer als das häufig herangezogene Bild des «Schlüssel-Schloss-Prinzips». Das «Eigenleben» der MZ mit ihren zahlreichen Rezeptoren, die stimulierende und inhibierende Faktoren vermitteln, ist vielschichtig. Diese Mechanismen bergen weiteren Forschungsbedarf zur Aufklärung, warum allergische Symptome und Belastungen variieren, Provokationstestungen (z.B. auf Nahrungsmittel, Medikamente) häufig nicht zu eindeutigen Ergebnissen führen, und von Placebo-Effekten, die bei allergischen Erkrankungen häufig ausgeprägt sind.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.