Hintergrund/Ziele: Tätowierungen sind weltweit in Mode. Das klinische Wissen über Komplikationen beruht auf Fallberichten, die im Laufe eines Jahrhunderts gesammelt wurden. Untersuchungen an größeren Kohorten zu Komplikationen und aktuellen Trends liegen nicht vor. Methoden: Wir analysierten retrospektiv eine Kohorte konsekutiver Patienten mit Tätowierungskomplikationen, die zwischen 2008 und 2015 in der «Tattoo-Klinik» des Universitätskrankenhauses Bispebjerg in Kopenhagen, Dänemark anhand einer Anamnese und der systematischen klinischen Untersuchung diagnostiziert wurden. Ergebnisse: Insgesamt wurden 493 Tätowierungskomplikationen bei 405 Patienten ausgewertet. In der Summe zeigten 184 (37%) allergische Reaktionen, 32,2% mit plaqueförmigen Erhebungen, 3,7% mit übermäßiger Hyperkeratose und 1,4% mit Ulzerationen, vor allem bei roten Tätowierungen und Rottönen; 66 (13%) zeigten papulös-noduläre Reaktionen, vor allem bei schwarzen Tätowierungen (als nicht-allergisch eingestuft) und infolge der Agglomeration von Pigmenten; 53 (11%) hatten bakterielle Infektionen; bei 46 (9%) lagen psychosoziale Komplikationen vor; 144 (30%) fielen in verschiedene diagnostische Einzelkategorien, darunter Lichtempfindlichkeit, Schmerzsyndrom und Lymphopathie. Wir fanden keine Fälle von kutanen oder sonstigen malignen Erkrankungen. Sarkoidose trat vor allem bei schwarzen Tätowierungen auf und stellte im Vergleich zur Basisbevölkerung eine häufige Begleiterkrankung dar, die bei 23 (5%) Reaktionen vorlag. Schlussfolgerung: Mit dieser Studie wird ein neues Konzept der Klassifizierung von Tätowierungskomplikationen eingeführt, das auf einfachen Instrumenten wie der Anamnese und objektiven Befunden aus der Histologie fußt. Die Studie spiegelt Komplikationen nach der Verwendung von aktuell gebräuchlichen Tätowierfarben wider, die häufig organische Pigmente enthalten. Die hier eingeführte Klassifizierung wurde der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Vorschlag für die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) vorgelegt.

Hintergrund

Das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Harris Interactive berichtet, dass die Prävalenz von Tattoos in den USA im Zeitraum von 2008 bis 2012 um 7% auf 21% gestiegen ist (www.harrisinteractive.com). Für Deutschland konnte für 2014 eine Querschnittstudie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Kollaboration mit der Ruhr-Universität Bochum eine Prävalenz von 9,1% ermitteln. Hierbei zeigte sich die höchste Prävalenz mit 22,3% in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen. Auch Serup und Mitarbeiter führen in der hier vorliegenden Arbeit an, dass in Europa ca. 100 Millionen Bürger tätowiert sind - Tendenz steigend. Wer sich ein Tattoo stechen lässt, ist sich zumeist nicht bewusst, dass Tätowierungen auch relevante gesundheitliche Risiken bergen. Diese reichen von Allergien über Infektionen bis hin zu psychosozialen Problemen.

Studienergebnisse

In ihrer restrospektiven monozentrischen Studie schlagen Serup und Mitarbeiter nun ein neues Konzept zur systematischen Klassifizierung Tattoo-assoziierter Nebenwirkungen vor. Hierzu haben die Autoren 493 Komplikationen ausgewertet, die in einem Zeitraum von 2008 bis 2015 bei 405 verschiedenen Patienten der Tattoo-Klinik in Kopenhagen gesammelt worden waren. Mit der verhältnismäßig hohen Zahl von fast 500 Reaktionen gehört die Studie zu den bis dato umfangreichten publizierten Fallsammlungen. Dies ermöglicht einen guten Überblick über die Frequenz der jeweiligen Komplikationen. Auch die Zuordnung von Komplikationen durch einzelne Tätowierungsfarben ist in diesem Kontext sehr hilfreich (Abb. 1).

Fig. 1

a Plaque-artige Erhebungen der Haut: gleichmäßige Erhebung mit Abschuppung in jedem Teil des Tattoos in roter Farbe, im Gegensatz zu anderen Farben, die keinerlei Reaktion hervorriefen. b Plaque-artige Erhebungen der Haut: gleichmäßige Erhebung in jedem Teil des Tattoos in roter Farbe ohne Abschuppung, im Gegensatz zu schwarzer Farbe, die keinerlei Reaktion hervorrief. c Exzessive Hyperkeratose: erhebliche Schwellung in den Bereichen des Tattoos in roter Farbe aufgrund von Hautentzündung sowie ausgeprägte hyperkeratotische Reaktion mit epidermaler Hyperplasie, Furchenbildung und begleitender Abschuppung. Man beachte die tiefen Einkerbungen entlang der schwarzen Rahmenlinie des Tattoos bzw. außerhalb.

Fig. 1

a Plaque-artige Erhebungen der Haut: gleichmäßige Erhebung mit Abschuppung in jedem Teil des Tattoos in roter Farbe, im Gegensatz zu anderen Farben, die keinerlei Reaktion hervorriefen. b Plaque-artige Erhebungen der Haut: gleichmäßige Erhebung in jedem Teil des Tattoos in roter Farbe ohne Abschuppung, im Gegensatz zu schwarzer Farbe, die keinerlei Reaktion hervorrief. c Exzessive Hyperkeratose: erhebliche Schwellung in den Bereichen des Tattoos in roter Farbe aufgrund von Hautentzündung sowie ausgeprägte hyperkeratotische Reaktion mit epidermaler Hyperplasie, Furchenbildung und begleitender Abschuppung. Man beachte die tiefen Einkerbungen entlang der schwarzen Rahmenlinie des Tattoos bzw. außerhalb.

Close modal

Die von den Autoren propagierte Klassifikation differenziert nach Level A und B (WHO Diagnostic Classification System) sowie nach diagnostischen Gruppen (Infektion, Entzündung, psychosozial, verschiedene und behandlungsassoziiert). Die Übersicht zeigt, dass in 37% aller Fälle allergische Reaktionen mit Abstand am häufigsten auftreten, gefolgt von nicht-allergischen Reaktionen (14%) und bakteriellen Infektionen (11%). Differenziert nach Farben tauchen Komplikationen häufig vor allem bei Rot (40%) und Schwarz (35%) auf. Während bei roten Tätowierungen vielfach lokale allergische Reaktionen auftreten, dominieren bei schwarzen Tätowierungen nicht-allergische Lokalreaktionen und Infektionen. Differenziert nach klinischer Ausprägung traten am häufigsten allergisch induzierte Plaque auf (32,2%), gefolgt von Licht-induzierten, urtikariellen Reaktionen (18,6%), nicht-allergischen papulonodulären Läsionen (13%) und lokoregionären Infektionen (9,9%). Als häufigste Ursache wurde Auswahl und Menge des eingebrachten Pigments ausgemacht (20,4%), gefolgt von kontaminierter Farbe (8,2%). Die häufigsten Komplikationen durch eine Entfernung von Tätowierungen zeigten sich bei Laserbehandlungen (3,6%). Nichtsdestotrotz gilt die Behandlung mit gütegeschalteten Lasersystemen als unumstrittener Goldstandard in der Tattoo-Entfernung. In 40 Fällen wurden zudem systemische Komplikationen dokumentiert, hierunter bemerkenswerterweise in 23 Fällen (57,7%) eine Sarkoidose.

Aus ihrem Kollektiv standen den Autoren ferner 259 Hautbiopsien zur Verfügung. Eine histopathologische Auswertung erbrachte in 69% der Fälle eine Entzündungsreaktion (nicht-granulomatös 69%; granulomatös 12%), gefolgt von Sarkoidose (8%), Pseudolymphom (3%) und Interface-Dermatitis (3%).

Fazit für die Praxis

Die Gruppe um Jørgen Serup gehört zu den international Führenden im Feld der Tattoo-Experten. Das von den Autoren vorgeschlagene System der Klassifikation hat das Potenzial, sich als neuer Standard für die Bewertung Tattoo-assoziierter Komplikationen zu etablieren.

Komplikationen nach Tätowierungen stellen ein in der Bevölkerung unterschätztes gesundheitliches Risiko dar. Dies sollte bei der Beratung von Patienten berücksichtigt werden. So ist einerseits zu empfehlen, die Entscheidung für ein Tattoo auch aus gesundheitlichen Gründen äußerst kritisch abzuwägen. Sofern sich der Patient für eine Tätowierung entscheidet, ist es zum anderen ratsam, insbesondere rote Farben zu meiden, da diese ein überdurchschnittliches Komplikationsrisiko bergen, sowie auf gute Hygienestandards des Tattoo-Studios zu achten.

Disclosure Statement

Honorare und Reisekostenunterstützung durch Asclepion Laser Technologies.

Copyright / Drug Dosage / Disclaimer
Copyright: All rights reserved. No part of this publication may be translated into other languages, reproduced or utilized in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, microcopying, or by any information storage and retrieval system, without permission in writing from the publisher.
Drug Dosage: The authors and the publisher have exerted every effort to ensure that drug selection and dosage set forth in this text are in accord with current recommendations and practice at the time of publication. However, in view of ongoing research, changes in government regulations, and the constant flow of information relating to drug therapy and drug reactions, the reader is urged to check the package insert for each drug for any changes in indications and dosage and for added warnings and precautions. This is particularly important when the recommended agent is a new and/or infrequently employed drug.
Disclaimer: The statements, opinions and data contained in this publication are solely those of the individual authors and contributors and not of the publishers and the editor(s). The appearance of advertisements or/and product references in the publication is not a warranty, endorsement, or approval of the products or services advertised or of their effectiveness, quality or safety. The publisher and the editor(s) disclaim responsibility for any injury to persons or property resulting from any ideas, methods, instructions or products referred to in the content or advertisements.