Zusammenfassung
Hintergrund: Hidradenitis suppurativa (HS) ist eine chronische entzündliche Erkrankung, die zur Fistelbildung in der intertriginösen Haut im axillären, genitofemoralen und perianalen Bereich führt. Ziel: Da andere chronische entzündliche Erkrankungen (z.B. Psoriasis) häufig mit Spondylarthropathien (SpA) einhergehen, war das Ziel der vorliegenden Studie, die Prävalenz von Rückenschmerzen und SpA bei HS-Patienten zu quantifizieren. Methoden: Es wurden eine prospektive Fragebogenerhebung bei 100 HS-Patienten sowie eine retrospektive Beurteilung von magnetresonanztomographischen (MRT) Aufnahmen der Beckenregion bei 46 HS-Patienten durchgeführt. Ergebnisse: 71% der HS-Patienten litten an Rückenschmerzen. Zwischen den HS-Patienten mit oder ohne Rückenschmerzen zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich des Alters beim ersten Auftreten von HS, der Dauer der Erkrankung, des Body-Mass-Index (BMI) oder des Schweregrades. Bei der Beurteilung der MRT-Aufnahmen der Beckenregion wurden bei 32,6% der HS-Patienten Anzeichen chronischer SpA und bei 39,1% Anzeichen aktiver SpA festgestellt. Auch zwischen Patienten mit bzw. ohne SpA ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich des Alters bei der MRT, des Alters beim ersten Auftreten von HS, der Dauer der Erkrankung, des Raucherstatus und des BMI. Ferner bestand auch keine Korrelation zwischen diesen Parametern und dem Ausmaß der SpA. Einschränkungen: Nur Patienten mit mittelschwerer bis schwerer HS (Hurley-Stadium II und III) im genitofemoralen oder perianalen Bereich wurden mittels MRTuntersucht. Schlussfolgerung: Rückenschmerzen und SpA sind bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer HS sehr häufig. Weder Anamnese noch klinische Parameter liefern Hinweise auf das Vorliegen von SpA.
Transfer in die Praxis von Dr. Peter Weisenseel (Hamburg)
Hintergrund
Hidradenitis suppurativa (HS) als chronisch entzündliche Erkrankung hat in den letzten Jahren deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Dies basiert auch auf Studien, die zur Etablierung von Klassifikationen und Zulassung neuer Therapieoptionen geführt haben [1]. In der vorgestellten Arbeit von Schneider-Burrus et al. wurde untersucht, wie häufig bei Patienten mit HS subjektive Rückenschmerzen bzw. radiologische Hinweise auf Entzündungen im unteren Rückenbereich vorliegen. Eine enge Assoziation würde HS mehr als entzündliche Systemerkrankung erscheinen lassen - ähnlich der heutigen Auffassung von Psoriasis.
Studienergebnisse
Auf den ersten Blick legen die erhobenen Daten eine Assoziation von HS und Rückenschmerzen nahe. Obwohl ich als Dermatologe über keine tiefgreifende rheumatologische Fachkenntnis verfüge, möchte ich dennoch die Methodik und die daraus gezogenen Schlüsse hier kritisch diskutieren.
Rückenschmerzen sind in Industrieländern sehr häufig. In Deutschland liegt die Stichtagprävalenz (Schmerzen zum Zeitpunkt der Befragung) in der allgemeinen Bevölkerung zwischen 32% und 49% [2]. Die Lebenszeitprävalenz für Rückenschmerzen liegt zwischen bis 74% und 85%.
Demnach ist die in der Studie per Fragebogen ermittelte Rate an Rückenschmerzen bei HS nicht relevant höher als erwartet. Interessant wäre aber ja vor allem, ob die Rate an entzündlichem Rückenschmerz erhöht ist. Spezifische Fragen nach Symptomen, wie Morgensteifigkeit, Besserung bei leichter Bewegung, Verschlechterung in Ruhe usw., die konkreter auf einen entzündlichen Rückenschmerz hindeuten, wurden in dieser Arbeit nicht gestellt. Rückenschmerzen per se sind kein Beweis für eine entzündliche Beteiligung des Bewegungsapparates bei HS-Patienten. Durch schmerzhafte HS-Läsionen ausgelöste Fehlhaltungen und muskuläre Verspannungen sind als Ursache für Rückenbeschwerden ebenso denkbar.
Im zweiten Teil der Arbeit wurden in einem anderen Kollektiv retrospektiv Schichtaufnahmen der Lumbosakral- und Hüftregion ausgewertet, die im Rahmen einer präoperativen Diagnostik bei HS-Patienten angefertigt wurden. Die radiologischen Zeichen für entzündliche Vorgänge im Lumbal- bzw. ISG-Bereich zeigen, dass bei einem relevanten Teil der HS-Patienten durchaus eine Spondylarthropathie vorliegen kann. In welchem Umfang die radiologischen Zeichen mit klinischen Symptomen einhergehen, kann jedoch nicht beantwortet werden, da die Patienten, von denen Schichtaufnahmen vorlagen, nicht zu Schmerzen befragt wurden.
Fazit für die Praxis
Die vorgestellte Arbeit von Schneider-Burrus et al. liefert zwar Hinweise auf eine mögliche Assoziation von Spondylarthropathie und HS, aber systematischere Untersuchungen an größeren Kollektiven sind dazu noch erforderlich.
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.