Zusammenfassung
Hintergrund: Vitamin D hat verschiedene immunologische Funktionen. Die Daten zur Beziehung zwischen Vitamin-D-Status und Allergien sind umstritten. Methoden: Wir untersuchten den Zusammenhang zwischen Serumkonzentrationen von 25-Hydroxyvitamin D (25-OHD) und Allergien im Kindesalter. Die Studienpopulation (n = 819) war Teil einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie, in der Mütter, bei deren Kindern ein hohes Allergierisiko bestand, in den letzten 4 Wochen der Schwangerschaft eine Probiotika-Mischung (oder Placebo) einnahmen und ihr Kind dies nach der Geburt 6 Monate lang erhielt. Die Probanden wurden 5 Jahre lang im Hinblick auf das Auftreten von Sensibilisierung und allergischen Symptomen beobachtet und im Alter von 3 und 6 Monaten, 2 und 5 Jahren sowie im Falle allergischer Symptome medizinisch untersucht. Die 25-OHD-Spiegel wurden in Proben von Nabelschnurblut (NSB) (n = 724) und in Serumproben, die im Alter von 2 Jahren genommen wurden, (n = 369) gemessen. Die Daten wurden in Terzile (T1-T3) und Quartile (Q1-Q4) kategorisiert. Die Beziehung zwischen 25-OHD-Spiegeln und Sensibilisierung bzw. Allergie wurde mit einer multivablen logistischen Regressionsanalyse ausgewertet. Ergebnisse: 25-OHD-Spiegel in T2 im NSB waren mit einem höheren Risiko einer Sensibilisierung im Alter von 2 Jahren und allergischen Erkrankungen im Alter von 5 Jahren verbunden. Bei den im Alter von 2 Jahren genommenen Serumproben waren 25-OHD-Spiegel in Q3 mit einem höheren Sensibilisierungsrisiko und IgE-vermittelten Allergien im Alter von 5 Jahren verbunden. Schlussfolgerung: Die 25-OHD-Spiegel im frühen Kindesalter sind mit dem Auftreten von Allergien assoziiert, jedoch scheint der Zusammenhang nichtlinear zu sein.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann (Augsburg)
Hintergrund
Um das Vitamin D hat sich ein wahrer Hype entwickelt. Es scheint gut zu sein für vieles, z.B. soll es vor chronischen Infektionen [1], Depressionen [2], vor Krebs [3] und Diabetes mellitus Typ 2 [4] schützen, und diese Liste könnte man noch um zahlreiche Erkrankungen ergänzen. Aber was davon ist wirklich wahr? Und jetzt mal Hand aufs Herz: Wer hatte schon mal einen Patienten, bei dem der Vitamin-D3-Spiegel im Normbereich lag? Vielleicht etwas schwarz-weiß gemalt, aber offensichtlich ist, dass die wissenschaftliche Publikationsplattform Pubmed übervoll von Studien zu Vitamin D3 ist, jedoch endet fast jeder Abstract wie folgt: «Die Empfehlung zu Supplementation zum Schutz vor der Erkrankung X kann auf Grund dieser Daten nicht gegeben werden». Bei Säuglingen ist die Vitamin-D-Gabe Normalität. Umso mehr schreckte uns die Publikation aus dem Jahr 2004 [5 ]auf, die den epidemiologischen Beweis zu geben schien, dass eine Vitamin-D-Gabe im Säuglingsalter das Allergierisiko erhöht. Darin zeigte sich an einer Geburtskohorte aus Finnland, dass eine Vitamin D-Supplementierung im Kleinkindesalter mit höherer Prävalenz der Sensibilisierung und allergischen Rhinitis im Erwachsenenalter in Verbindung einhergeht.
Vitamin D und das Immunsystem
Vitamin D3 ist ein Secosteroid mit klassischer Wirkung auf das Skelett und den Mineralienhaushalt. Die aktive Form Calcitriol (1,25(OH)2D) entsteht aus der Speicherform Calcidiol (25-OHD). 25-OHD >50 nmol/l sind laut Institute of Medicine (IOM) für die Allgemeinbevölkerung ausreichend, um skeletale Mangelerscheinungen zu vermeiden [6].
Vitamin D nimmt auf viele Zellen des Immunsystems Einfluss [7,8,9,10,11,12]. Die Effekte sind ambigue: Zwar wird eine Immuntoleranz gefördert [8,9,10], jedoch wird die Proliferation T-regulierender Zellen gehemmt [11] und eine TH2-gewichtete Imbalance induziert [7]; letztere ist mit IgE-vermittelten Allergien assoziiert [13].
Studienergebnisse
In der Publikation von Savilahti et al. wurde die Assoziation zwischen 25-OHD-Serumkonzentrationen und Allergien im Kindesalter untersucht. Diese neue Studie zeigt, dass die Serum-25-OHD-Konzentration bei Geburt und im frühen Kindesalter mit dem Auftreten von IgE-Sensibilisierung und Allergien nichtlinear assoziiert ist: 25-OHD-Konzentrationen des 2. Terzils bei Geburt (21,5-29,5 nmol/l) sind mit einem höheren Risiko für Typ-I-Sensibilisierung unter 2 Jahren und allergischen Erkrankungen bis zum 5. Lebensjahr assoziiert. Das 3. Quartil der 2-Jährigen (51.7-62.6 nmol/l) geht einher mit einem höheren Risiko für Typ-I-Sensibilisierung gegenüber Umweltallergenen und IgE-vermittelten Allergien bis 5 Jahre.
Fazit für die Praxis
Ein Verzicht der Supplementation von Vitamin D zum Schutz vor Allergien kann aufgrund dieser Daten nicht empfohlen werden. Eine gerade publizierte Metaanalyse zum Thema Vitamin D und Allergien [14 ]zeigt, dass es wohl Effekte gibt, die allerdings alters- und geschlechtsspezifisch sind. Was jedoch für alle Studien gilt, ist: es sind Assoziationen und keine Kausalitäten!
Disclosure Statement
Hiermit erkläre ich, dass keine Interessenskonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.