Hintergrund: Seit einigen Jahren wird perkutane Sensibilisierung als Hauptmechanismus der Entstehung von Nahrungsmittelallergien diskutiert. In Japan ist seit 2010 bei Personen, die Seife mit hydrolysiertem Weizen verwenden, die Inzidenz von Weizenallergien vom Soforttyp gegen hydrolysiertes Weizenprotein drastisch gestiegen. Dies spricht für die Hypothese, dass Nahrungsmittelallergien durch perkutane Sensibilisierung entstehen. Klinische Zusammenfassung: Ein 25-jähriger Patient (Fall 1) und eine 18-jährige Patientin (Fall 2) mit atopischer Dermatitis stellten sich mit Nahrungsmittelallergie und Handekzem in unserem Hause vor. Nach Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit, bei der sie mit Fisch in Kontakt kamen, entwickelte sich ein ausgeprägtes juckendes Ekzem auf den Händen. Im weiteren Verlauf manifestierten sich nach dem Verzehr von Fisch orale Allergiesymptome, intraoraler Pruritus und Dyspnoe. In beiden Fällen wurden spezifische IgE-Antikörper gegen zahlreiche Fischarten nachgewiesen, und auch im Haut-Prick-Test zeigten beide Patienten positive Reaktionen gegen eine Vielzahl von Fischarten. Auch die Microarray-Immunoassay-Analyse ergab positive Reaktionen für die Fluoreszenzstärke spezifischer IgE-Antikörper gegen Parvalbumin verschiedener Fischarten. Wir stellten in beiden Fällen die Diagnose einer Kontakturtikaria infolge perkutaner Sensibilisierung gegen Parvalbumin durch beruflich bedingten körperlichen Kontakt mit Fisch. Schlussfolgerung: Die Vorgeschichten und Untersuchungsergebnisse der Patienten deuten darauf hin, dass eine perkutane Sensibilisierung durch berufsbedingte Exposition gegenüber Parvalbumin zur Entwicklung einer Nahrungsmittelallergie führen könnte. Übersetzung aus Case Rep Dermatol 2015;7:227-232 (DOI:10.1159/000439080)

Seit einigen Jahren wird perkutane Sensibilisierung als Hauptmechanismus der Entstehung von Nahrungsmittelallergien diskutiert [1,2]. In Japan ist seit 2010 bei Personen, die Seife mit hydrolysiertem Weizen verwenden, die Inzidenz von Weizenallergien vom Soforttyp gegen hydrolysiertes Weizenprotein drastisch gestiegen. Dies spricht für die Hypothese, dass Nahrungsmittelallergien durch perkutane Sensibilisierung entstehen [3,4].

Wir berichten hier über 2 Fälle von durch Fisch induzierter Kontakturtikaria bei Personen mit atopischer Dermatitis. Beide Patienten erteilten nach Aufklärung ihre Einwilligung, und die Studie wurde von der Ethikkommission der Institution genehmigt, für die die Autoren tätig sind.

Ein 25-jähriger Mann mit atopischer Dermatitis stellte sich in unserem Hause wegen Nahrungsmittelallergie und Handekzem vor. Der Patient hatte im Alter von 18 Jahren eine Tätigkeit als Koch aufgenommen und arbeitete täglich mit bloßen Händen mit verschiedenen Arten von rohem Fisch. Nach Beginn dieser beruflichen Tätigkeit entwickelte sich ein ausgeprägtes juckendes Ekzem auf den Händen. Danach begannen sich orale Allergiesymptome, intraoraler Pruritus und Dyspnoe nach dem Verzehr von Fisch zu manifestieren. Die Gesamtkonzentration an Antikörpern des Typs Immunglobulin E (IgE) betrug 704 IE/ml; außerdem wurden folgende spezifische IgE-Antikörperspiegel gemessen (CAP-Fluoreszenz-Immunoassay, Phadia Inc, Tokio, Japan): Hausstaub Klasse 2 (1,99 AE/ml); Hausstaubmilben Klasse 2 (1,96 AE/ml); Stachelmakrele Klasse 3 (6,10 AE/ml); Flunder Klasse 3 (5,97 AE/ml); Lachs Klasse 3 (5,39 AE/ml); Kabeljau Klasse 3 (4,23 AE/ml); Sardine Klasse 3 (4,16 AE/ml); Makrele Klasse 2 (2,35 AE/ml); Thunfisch Klasse 2 (1,32 AE/ml); Anisakis Klasse 3 (14,6 AE/ml). Haut-Prick-Tests ergaben positive Reaktionen auf Thunfisch, Lachs, Flunder, Gelbschwanzmakrele und Anisakis, jedoch negative Reaktionen auf Kalmar und Tiefseegarnele. Die positive Kontrolle (1% Histamindihydrochlorid, Wako Pure Chemical Industries, Ltd., Osaka, Japan) rief eine Reaktion von 5 × 4 mm Umfang hervor. Die negative Kontrolle (physiologische Kochsalzlösung) erzeugte keine Reaktion.

Die Probenlösungen (1 μg/ml) der verschiedenen Fischarten wurden auf einer Mikrotiterplatte immobilisiert, um sie mittels ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay) zu untersuchen. Diese Untersuchung ergab positive Reaktionen auf mehrere Fischarten (Abb. 1). Auch die Microarray-Immunoassay-Analyse (ISAC®; Immuno Solid-phase Allergen Chip; ThermoFisher, Uppsala, Schweden) ergab positive Reaktionen für die Fluoreszenzstärke spezifischer IgE-Antikörper gegen Parvalbumin verschiedener Fischarten (Tab. 1) [5].

Table 1

Ergebnisse der Microarray-Immunoassay-Analysen

Ergebnisse der Microarray-Immunoassay-Analysen
Ergebnisse der Microarray-Immunoassay-Analysen
Fig. 1

ELISA-Ergebnisse von Fall 1. Wir wendeten hier dieselben Methoden an wie Kondo et al. [10]. Die Untersuchung ergab positive Reaktionen auf verschiedene Fischarten, einschließlich derer, die Symptome beim Patienten hervorriefen.

Fig. 1

ELISA-Ergebnisse von Fall 1. Wir wendeten hier dieselben Methoden an wie Kondo et al. [10]. Die Untersuchung ergab positive Reaktionen auf verschiedene Fischarten, einschließlich derer, die Symptome beim Patienten hervorriefen.

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Eine 18-jährige Patientin mit atopischer Dermatitis und Polli- nose in der Vorgeschichte stellte sich in unserem Hause vor und klagte hauptsächlich über Urtikaria nach dem Verzehr von Fisch. Die Patientin arbeitete seit dem Alter von 16 Jahren in einem Sushi-Restaurant. Nach Aufnahme dieser Tätigkeit trat Juckreiz an den Händen auf, sobald sie Fisch berührte. Ab dem Alter von 17 Jahren begann sich nach dem Verzehr von Fisch Urtikaria zu manifestieren. Außerdem gab es eine Episode von Pruritus am ganzen Körper, Gesichtsödem, Dyspnoe und Blutdruckabfall, die 30 min nach Verzehr von Sushi-Rollen mit Flussaal, Gurken und Salat einsetzte. Die Gesamtkonzentration an IgE-Antikörpern betrug 474 IE/ml; außerdem wurden folgende spezifische IgE-Antikörperspiegel gemessen: Stachelmakrele Klasse 3 (10,7 AE/ml); Flunder Klasse 3 (8,58 AE/ml); Kabeljau Klasse 3 (7,26 AE/ml); Sardine Klasse 3 (7,07 AE/ml); Makrele Klasse 3 (6,40 AE/ml); Thunfisch Klasse 3 (3,61 AE/ml); Anisakis Klasse 0 (<0,35 AE/ml). Haut-Prick- und Scratch-Tests ergaben positive Reaktionen auf Meeraal, Lachs, Meerbrasse, Makrele, Gelbschwanzmakrele und Plattfisch und negative Reaktionen auf Thunfisch, Garnele, Kalmar und Anisakis. Auch in diesem Fall wurden in Microarray-Immunoassay-Analysen Reaktionen gegen Parvalbumin nachgewiesen (Tab. 1).

Zum Entstehungsmechanismus von Nahrungsmittelallergien stellte Lack 2008 [1] die Hypothese auf, dass die orale Exposition gegenüber einem Antigen eher zur Immuntoleranz beiträgt als zur Sensibilisierung, während die perkutane Exposition zur Sensibilisierung beiträgt. In einem Experiment an Mäusen wurde festgestellt, dass spezifische IgE-Antikörper gebildet wurden, wenn Hautkratzer mit Erdnüssen in Kontakt gebracht wurden [2]. Fallberichte zu Soforttyp-Weizenallergien infolge perkutaner Sensibilisierung durch hydrolysiertes Weizenmehl in Seife (Glupearl 19S) stützten ebenfalls den Ansatz, dass Nahrungsmittelallergien durch perkutane Sensibilisierung verursacht werden könnten [3,4]. Die Sensibilisierung wurde hierbei als mehrstufiger Ablauf erklärt, bei dem wiederholtes Gesichtswaschen mit der fraglichen Seife zur Schwächung der Hautbarriere führt, hierdurch die perkutane Resorption von hydrolysiertem Weizenprotein begünstigt wird und dies letztlich die Sensibilisierung zur Folge hat.

In den Fällen, über die hier berichtet wird, hatten beide Patienten atopische Dermatitis und kamen beruflich täglich mit bloßen Händen mit verschiedenen Fischarten in Kontakt, bei herabgesetzter Barrierefunktion der Haut. Es ist wahrscheinlich, dass die Hände der Patienten feucht waren, wenn sie mit dem Fisch arbeiteten, was potenziell ideale Voraussetzungen dafür schafft, dass Antigenproteine durch die Haut aufgenommen werden und dies schließlich zur perkutanen Sensibilisierung gegenüber Fisch führt. Außerdem postulierten wir, dass die orale Toleranz dadurch beeinträchtigt wurde, dass die Haut häufig in Kontakt mit dem verursachenden Antigen kam. Als Folge hiervon trat eine systemische Allergie unmittelbar nach dem Verzehr von Fisch auf.

Bei arbeitsbedingten allergischen Reaktionen wie in den hier beschriebenen Fällen ist es schwierig, die Exposition gegenüber den Allergenen nach dem Auftreten der Allergie zu vermeiden. Eine berufliche Veränderung lässt sich möglicherweise nicht umgehen. Beide Patienten aus diesem Bericht haben die Arbeit, bei der sie mit Fisch in Kontakt kamen, aufgegeben und sind zu einer anderen Tätigkeit gewechselt. Wenn Personen, deren Hautbarrierefunktion z.B. aufgrund von Neurodermitis oder Handekzem beeinträchtigt ist, eine berufliche Tätigkeit aufnehmen, bei der die Hände in Kontakt mit Nahrungsmitteln kommen, müssen sie unserer Ansicht nach Hinweise zur richtigen Hautpflege und zu angemessenem Schutz durch Tragen von Handschuhen erhalten, um eine perkutane Sensibilisierung gegen Allergene zu verhindern.

Auf der Grundlage der Prick-Test- und ELISA-Ergebnisse wurde in den hier beschriebenen Fällen eine durch IgE-Antikörper gegen verschiedene Fischarten vermittelte Allergie vom Soforttyp diagnostiziert. Darüber hinaus wurde in Microarray-Immunoassay-Analysen Parvalbumin als auslösendes Antigen identifiziert. Parvalbumin ist ein hitzestabiles, calciumbindendes Protein, das im Muskelgewebe nahezu aller Fischarten vorkommt. Kreuzreaktionen sind zwischen unterschiedlichen Fischarten zu beobachten; sobald also eine Sensibilisierung gegenüber diesem Protein eintritt, zeigt die betroffene Person allergische Reaktionen gegen zahlreiche Fischarten [6,7]. Onesimo et al. [8] berichteten über einen Fall von Kontakturtikaria unter Beteiligung spezifischer IgE-Antikörper gegen Parvalbumin. Hilger et al. [9] berichteten über einen Fall einer beinahe tödlich verlaufenen IgE-vermittelten anaphylaktischen Reaktion bei einem Erwachsenen innerhalb weniger Minuten nach dem Verzehr von gebratenen Froschschenkeln. Sie identifizierten zwar Parvalbumin als auslösendes Antigen, gingen jedoch nicht auf den Mechanismus der Pathogenese ein (z.B. epikutane Sensibilisierung).

Der Haut-Prick-Test ist ein nützliches diagnostisches Verfahren zur Identifikation von Allergien des Soforttyps, und in letzter Zeit sind viele Roh- und rekombinante Antigene auf den Markt gekommen. Jedoch gibt es Einschränkungen hinsichtlich der Anzahl der Testreagenzien. Microarray-Immunoassay-Analysen hingegen ermöglichen den Nachweis spezifischer IgE gegen ein breites Spektrum von Allergenen sowie eine umfassende Prüfung auf Kreuzreaktivität. Dieses Verfahren hat sich als besonders nützlich für die Untersuchung der Pathologie bei Patienten erwiesen, die allergische Reaktionen auf mehrere Fischarten mit einem gemeinsamen Panallergen zeigen, wie in den beiden hier beschriebenen Fällen.

Wir berichteten hier über 2 Fälle von Kontakturtikaria infolge einer perkutanen Sensibilisierung gegen Parvalbumin durch beruflich bedingten körperlichen Kontakt mit Fisch. Die genaue Pathologie der Nahrungsmittelallergie durch epikutane Sensibilisierung ist noch weitgehend ungeklärt, und weitere Daten müssen gesammelt werden, um die zugrundeliegenden Mechanismen zu erhellen.

Die Patienten haben ihre Einwilligung gegeben, ihre Fälle im Detail zu publizieren. Die Anonymität der Patienten wurde gewährleistet.

Die Autoren erklären, keine Interessenkonflikte zu haben. Sie haben keine Finanzmittel für diese Studie erhalten.

1.
Lack G: Epidemiologic risks for food allergy. J Allergy Clin Immunol 2008;121:1331-1336.
2.
Strid J, Hourihans J, Kimber I, Callard R, Strobel S: Epicutaneous exposure to peanut protein prevents oral tolerance and enhances allergic sensitization. Clin Exp Allergy 2005;35:757-766.
3.
Chinuki Y, Kaneko S, Sakieda K, Murata S, Yoshida Y, Morita E: A case of wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis sensitized with hydrolysed wheat protein in a soap. Contact Dermatitis 2011;65:55-57.
4.
Fukutomi Y, Itagaki Y, Taniguchi M, Saito A, Yasueda H, Nakazawa T, Hasegawa M, Nakamura H, Akiyama K: Rhinoconjunctival sensitization to hydrolyzed wheat protein in facial soap can induce wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis. J Allergy Clin Immunol 2011;127:531-533.
5.
Nettis E, Bonifazi F, Bonini S, Di Leo E, Maggi E, Melioli G, Passalacqua G, Senna G, Triggiani M, Vacca A, Canonica GW: Molecular diagnosis and the Italian Board for ISAC. Eur Ann Allergy Clin Immunol 2014;46:68-73.
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Heizmann CW: Parvalbumin, an intracellular calcium-binding protein; distribution, properties and possible roles in mammalian cells. Experienta 1984;40:910-921.
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Gerday CH: Soluble calcium-binding proteins from fish and invertebrate muscle. Mol Physiol 1982;40:910-921.
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Onesimo R, Giorgio V, Pill S, Monaco S, Sopo SM: Isolated contact urticarial caused by immunoglobulin E-mediated fish allergy. Isr Med Assoc J 2012;14:11-13.
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Hilger C, Grigioni F, Thill L, Mertens L, Hentges F: Severe IgE-mediated anaphylaxis following consumption of fried frog legs: definition of alpha-parvalbumin as the allergen in cause. Allergy 2011;66:298-305.
10.
Kondo Y, Komatsubara R, Nakajima Y, Yasuda T, Tsuge I, Urisu A: Parvalbumin is not responsible for cross-reactivity between tuna and marlin: a case report. J Allergy Clin Immunol 2006;118:1382-1383.
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