Abstract
Hintergrund/Ziele: Antibiotikainduzierte Arzneimittelresistenzen erfordern neue Ansätze in der topischen Aknetherapie. Von Tyrothricin ist bekannt, dass es nicht zur Resistenzentwicklung führt. In dieser Studie wurde es erstmals in der topischen Aknetherapie geprüft. Untersucht wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von topisch appliziertem Tyrothricin 0,1%. Methoden: Randomisierte, mit aktivem Vergleichspräparat kontrollierte, für den Untersucher verblindete explorative klinische Studie mit 24 Teilnehmern mit Acne papulopustulosa. Die Teilnehmer wurden per Randomisierung einer Halbseiten-Behandlung mit entweder Tyrothricin versus Clindamycin + Benzoylperoxid (BPO) (n = 12) oder Tyrothricin versus BPO 5% (n = 12) zugeteilt. Der primäre Endpunkt war die Veränderung der Zahl entzündlicher und nicht-entzündlicher Läsionen. Ergebnisse: Die mittleren Unterschiede in der Zahl entzündlicher Läsion gegenüber Studienbeginn betrugen -12,3 (95%-KI: -20,5 bis -4,1) unter Clindamycin + BPO, -10,2 (95% KI: -15,3 bis -5,0) unter BPO 5% und -7,7 (95% KI: -11,7 bis -3,7) unter Tyrothricin. Tyrothricin bewirkte eine Reduktion der Zahl nicht-entzündlicher Läsionen (mittlerer Unterschied: -6,5 (95%-KI: -11,6 bis -1,4) und weniger arzneimittelbedingte unerwünschte Ereignisse (n = 31) im Vergleich zu BPO (n = 37) und Clindamycin + BPO (n = 20). Schlussfolgerung: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Tyrothricin ein Kandidat für die Aknetherapie und besser verträglich sein könnte als beide Vergleichstherapien. Übersetzung aus Skin Pharmacol Physiol 2016;29:1-8 (DOI:10.1159/000439439)
Experten-Kommentar
Transfer in die Praxis
Acne vulgaris - eine chronisch inflammatorische Erkrankung des Talgdrüsenfollikels - gehört zu den häufigsten dermatologischen Erkrankungen weltweit. Die Pathogenese von Akne ist polyätiologisch. Im Vordergrund stehen eine dysregulierte Talgdrüsenaktivität, eine gestörte Balance der Hormone und Neuropeptide, eine follikuläre Hyperkeratose und eine lokal induzierte Entzündung aufgrund dysfunktionaler, angeborener und adaptiver Immunitätsmechanismen [1].
Zur Behandlung von Akne stehen mehrere Therapeutika zur Verfügung. Die etablierten Richtlinien basieren jedoch auf mangelhaften Daten zu evidenzbasierten Studien [2]. Lokale Externa, unter anderem Benzoylperoxid (BPO), Azelainsäure, Retinoide sowie Kombinationspräparate (z.B. Adapalen/BPO, Clindamycin/BPO), finden eine breite Anwendung. Trotz der guten Wirksamkeit sind unerwünschte Wirkungen dieser Behandlungen in mehreren Fällen dokumentiert worden [2,]vor allem Antibiotikaresistenzen und lokale Reaktionen wie Rötungen, Brennen, trockene Haut, Schälen der Haut, Juckreiz, Hautreizung, Stechen, Überempfindlichkeit und allergische Kontaktdermatitis.
Laut In-vitro-Daten könnten antimikrobielle Peptide (AMPs) eine vielversprechende Alternative zu den o.g. Präparaten darstellen, da sie anti-inflammatorische Eigenschaften besitzen [3]. Die sogenannten natürlichen Antibiotika sind kationische, amphiphile Peptide bestehend aus 6-50 Aminosäuren. Durch Interaktion mit anionischen Phospholipidmembranen zeigen sie ein breites bakterizides und fungizides Spektrum. Ein besonderes Merkmal der AMPs ist es, dass die Entwicklung von Resistenzen, häufig beobachtet nach Antibiotikagebrauch, nicht provoziert wird. Bisher sind mehr als 1200 AMPs unterschiedlicher Herkunft - Bakterien, Pflanzen, Insekten, Reptilien und Säugetiere - bekannt.
In der randomisierten, explorativen, mit derzeitigen Standardbehandlungen als Vergleich kontrollierten, verblindeten Studie von Richter et al. wurde Tyrothricin, ein bekanntes AMP, auf seine Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Akne getestet. Entsprechend wurden 24 Patienten (18-25 Jahre alt) mit leichter bis schwerer Akne papulopustulosa rekrutiert: 12 Patienten erhielten Tyrothricin 0.1% versus Clindamycin + BPO (Halbseiten-Behandlung), 12 Patienten Tyrothricin 0.1% versus BPO 5% (Halbseiten-Behandlung). Folgende Parameter wurden beurteilt: a) inflammatorische und b) nicht-inflammatorische Hautläsionen. Die Applikation der jeweiligen Behandlungen erfolgte einmal täglich über 25 Tage. Quantitative Erfassungen der Läsionen sowie ISGA®-Wertungen erfolgten vor, während und am Ende der Studie.
Sowohl die inflammatorischen als auch die nicht-inflammatorischen Hautläsionen zeigten eine signifikante Abnahme unter allen genannten Behandlungen. Die Kombination Clindamycin + BPO bewies insbesondere bei den inflammatorischen Läsionen eine überlegene Wirksamkeit, während die Effizienz von Tyrothricin 0.1% bzw. BPO 5% ähnlich war. Tyrothricin zeigte ebenfalls einen signifikanten, vergleichbaren Effekt bei den nicht-inflammatorischen Läsionen, was ein Beweis dafür ist, dass Tyrothricin sowohl antientzündliche als auch keratolytische Eigenschaften hat. Schließlich bewies Tyrothricin eine bessere Verträglichkeit im Vergleich zu Clindamycin + BPO bzw. BPO 5%.
Fazit
Trotz der niedrigen Anzahl der Probanden und der kurzen Dauer der Studie sind die Erkenntnisse über die Wirkung von Tyrothricin bedeutend und könnten bei der Planung von zukünftigen Langzeitstudien angewandt werden. Unter der Berücksichtigung, dass die Akne-Behandlung ein langjähriger Prozess ist, welcher oft mit Antibiotikaresistenzen und unerwünschten Effekten einhergeht, könnten AMPs eine gute Alternative darstellen.