Zusammenfassung
Inhibitoren des Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α-Hemmer) stellen eine wirksame Therapieoption zur Behandlung schwerer Psoriasis bei Hepatitis-C-Virus (HCV)-positiven Patienten dar. In der Literatur wird vorwiegend über die Kurzzeitbehandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis von minimaler bis moderater Aktivität berichtet; bei akzeptablem Sicherheitsprofil. Wir berichten über die ersten beiden Fälle der Entstehung eines hepatozellulärem Karzinoms (HCC) bei HCV-positiven Psoriasis-Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung während einer Langzeitbehandlung mit Etanercept. Beim ersten Patienten war die HCV-Infektion seit 41 Jahren bekannt; er entwickelte nach 21-monatiger Behandlung mit Etanercept (50 mg/Woche) ein HCC. Der zweite Patient war seit 20 Jahren HCV-positiv, wurde 58 Monate lang mit demselben Therapieschema behandelt und schließlich HCC-diagnostiziert, und obwohl keine Anzeichen einer Leberfunktionsstörung vorlagen. Beide Patienten hatten sich mit einer Zirrhose vorgestellt, die 9 bzw. 5 Jahre zuvor diagnostiziert worden war. Es bleibt zu klären, ob zwischen der Psoriasis-Behandlung mit einem Tnf-α-Hemmer und der Entwicklung des HCC bei den HCV-infizierten Patienten ein Zusammenhang besteht. Weitere Langzeit-Follow-up-Studien und Register von HCV-Patienten mit leichter/moderater Aktivität könnten zur Klärung dieser Frage beitragen.
Einleitung
In der täglichen klinischen Praxis ist bei Psoriasis-Patienten das gleichzeitige Vorliegen von Psoriasis und einer Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion in Regionen mit hoher Prävalenz nicht ungewöhnlich. HCV-Infektionen sind eine führende Ursache für chronische Hepatitis, Zirrhose und hepatozelluläre Karzinome (HCC). Es wird diskutiert, dass Inhibitoren des Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α-Hemmer), insbesondere Etanercept, eine wirksame und sichere Zweitlinientherapie zur Behandlung schwerer Psoriasis bei HCV-positiven Patienten darstellen könnten [1]. Bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis (PsA) als Begleiterkrankung könnten diese Wirkstoffe außerdem in der ersten Therapielinie als krankheitsmodifizierende Therapie eingesetzt werden, da Methotrexat bei ihnen kontraindiziert ist. Allerdings wird die Behandlung dieser Patienten durch das Risiko erschwert, dass immunsuppressive Therapien sich nachteilig auf den Verlauf von Lebererkrankungen auswirken können.
Bis heute liegt keine Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien vor, die für den Einsatz von TNF-α-Hemmern zur Behandlung von Psoriasis vor dem Hintergrund einer HCV-Infektion spricht; alle verfügbaren Daten stammen aus Fallberichten und Fallserien mit kurzen Nachbeobachtungszeiträumen. Über die Anwendung von TNF-α-Hemmern bei Patienten mit geleichzeitigem Vorliegen von HCV und Psoriasis ist in 26 Publikationen mit insgesamt 61 Patienten berichtet worden (Online-Zusatzmaterial siehe www.karger.com/doi/10.1159/000439587). Insgesamt lag bei 49 Patienten eine Psoriasis vom Plaque-Typ vor, 2 Patienten hatten erythrodermische Psoriasis, und bei 9 Patienten war die klinische Form nicht näher angegeben. Bei 20 Patienten war die Psoriasis mit PsA vergesellschaftet. Von allen Patienten in den Publikationen wurden 53 mit einem einzelnen TNF-α-Hemmer behandelt (47 mit Etanercept, 5 mit Adalimumab und einer mit Infliximab). Sechs Patienten wurden nacheinander mit 2 verschiedenen TNF-α-Hemmern behandelt: einer mit Infliximab und nachfolgend Adalimumab, 4 mit Etanercept und dann Adalimumab und einer mit Etanercept und dann Infliximab. Die mittlere Dauer der Behandlung mit TNF-α-Hemmern betrug 11 Monate (Spannweite: 2-48 Monate). Eine morphologische Charakterisierung des Leberstatus anhand einer Biopsie zu Studienbeginn lag bei 15 Patienten vor. Allerdings erfolgte ein histopathologischer Bericht nach der Anti-TNF-α-Therapie, welcher den Goldstandard zur Beurteilung von Veränderungen der Aktivität und der Fibrosierung bei Hepatitis darstellt, nur bei 2 Patienten, die nach 1-jähriger Behandlung keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zur Leberhistologie vor Behandlungsbeginn zeigten. In den meisten Studien wurden die Entzündung des Leberparenchyms und die virale Replikation anhand von Serum-Aminotransferasen und Viruslast überwacht. Bei der großen Mehrheit der Patienten zeigten die Transaminasenwerte und die HCV-Viruslast im Verlauf der Behandlung keine signifikanten Veränderungen. In nur 2 Fällen wurden die TNF-α-Hemmer abgesetzt. Bei einem Patienten war ein Anstieg sowohl der Transaminasen als auch der HCV-Viruslast zu verzeichnen; beide Werte gingen nach Einleitung von Peginterferon/Ribavirin in Kombination mit dem TNF-α-Hemmer wieder zurück. Beim anderen Patienten wurde ein Anstieg der Viruslast um mehr als 1 × log10 festgestellt, ohne jegliche Verschlechterung der Leberfunktion. Eine aktuelle retrospektive multizentrische Beobachtungsstudie mit 15 HCV+PsA-Patienten und einem Beobachtungszeitraum von 12 Monaten ergab, dass die Anti-TNF-α-Therapie weder die Viruslast noch die Leberenzymwerte veränderte [2].
Das Sicherheitsprofil der TNF-α-Hemmer, insbesondere von Etanercept, bei gleichzeitig vorliegender Psoriasis und HCV-Infektion scheint akzeptabel zu sein. Eine aktuelle Übersichtsarbeit kommt darüber hinaus zu dem Schluss, dass Etanercept, zumindest auf kurze Sicht, bei Patienten mit PsA und begleitender HCV-Infektion wirksam und hinreichend sicher zu sein scheint [3]. Da jedoch bei der großen Mehrheit der Patienten, über die in der Literatur berichtet wurde, chronische Hepatitis mit minimaler bis moderater Aktivität vorlag, können diese Erkenntnisse nur unter Vorbehalt auf fortgeschrittenere Lebererkrankungen übertragen werden.
Fallberichte
Fall 1
Wir berichten über einen 61-jährigen männlichen Patienten mit Psoriasis und PsA sowie HCV-Infektion als Begleiterkrankung. Auffällig in seiner allgemeinen Anamnese waren Vorhofflimmern, schwere arterielle Hypertonie und in der Vorgeschichte ein Epidermoidkarzinom der Mundhöhle, das vollständig entfernt worden war. Bei dem Patient war seit 1965 eine HCV-Infektion vom Genotyp 2c bekannt, die nie behandelt worden war. Der Patient hatte außerdem eine Vorgeschichte von Alkoholabusus, und blutchemische Laboranalysen deuteten auf anhaltenden Alkoholkonsum in den folgenden Jahren hin; der Patient bestritt jedoch jeglichen Alkoholkonsum zu dieser Zeit oder danach. Bei der Überweisung im August 2006 stellte er sich mit einer Leberzirrhose vor, die erstmals 1997 diagnostiziert worden war. Der Ultraschall (US)-Befund entsprach dem Bild einer Zirrhose mit ersten Anzeichen von portaler Hypertonie. Eine Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts ergab keine Ösophagusvarizen. Die Labordaten belegten eine moderate Erhöhung der alkalischen Phosphatase und der γ-Glutamyltransferase. Serologische Tests auf Hepatitis B waren negativ, die auf HCV-Antikörper und HCV-RNA hingegen positiv (Viruslast: 4 460 578 Kopien/ml). Die Serumkonzentration von Aspartat-Aminotransferase und direktem Bilirubin war leicht erhöht. Die Untersuchung ergab erythematöse, hyperkeratotische Plaques von 5-40 cm Durchmesser, die 25% der Körperoberfläche bedeckten und vorwiegend auf der Kopfhaut, in den Achselhöhlen, an den Ellenbogen, am Gesäß sowie an den Oberschenkeln und Knien lokalisiert waren. Der Patient berichtete über Schmerzen, Druckempfindlichkeit und Schwellungen im Bereich der proximalen Interphalangealgelenke beider Hände, des linken Kniegelenks und der Sprunggelenke. Die größten Beschwerden bereiteten ihm chronische Rückenschmerzen und Morgensteifigkeit. Die Psoriasis war seit 7 Jahren bekannt, die PsA seit 4 Jahren. Die Psoriasis war bereits mit verschiedenen topischen Therapien vorbehandelt, darunter Dithranol, Kortikosteroide, Salicylsäure und Vitamin-D-Derivate sowie Phototherapien mit schmalbandigem UV-B oder Psoralen-Bad plus UV-A. Die systemische Anwendung von Acitretin lieferte lediglich partielle und vorübergehende Ergebnisse. Aufgrund der Leberzirrhose und schwerer arterieller Hypertonie waren Methotrexat, Leflunomid und Ciclosporin kontraindiziert. Die Behandlung der Gelenkbeteiligung beschränkte sich auf nicht-steroidale Entzündungshemmer und Physiotherapie. Der Patient kam zu uns, um eine bessere Kontrolle der Psoriasis und PsA zu erreichen. Aufgrund der aktiven peripheren und axialen Arthritis und Psoriasis wurde eine Therapie mit 25 mg Etanercept zweimal wöchentlich eingeleitet. Die ersten 6 Monate dieser Therapie bewirkten eine deutliche Verbesserung sowohl der Psoriasis als auch der Arthritis. Die Viruslast veränderte sich unter der Therapie nicht signifikant im Vergleich zum Behandlungsbeginn, jedoch stiegen die Werte für Aspartat-Aminotransferase, γ-Glutamyltransferase und Bilirubin kontinuierlich an und führten so zur Absetzung von Etanercept. Nach Beendigung der Therapie hatte das gute Ansprechen noch ca. 6 Monate Bestand. Aufgrund eines schweren Arthritis- (20 von 68 Gelenken schmerzhaft, 10 von 66 Gelenken geschwollen) und Psoriasisschubs (PASI 22) wurde jedoch 8 Monate nach der Absetzung die wöchentliche Anwendung von Etanercept (50 mg) wieder aufgenommen. Mit dieser Therapie wurde eine bemerkenswerte Kontrolle sowohl der Psoriasis als auch der Gelenkbeteiligung erreicht. Der Patient wurde alle 3 Monate mittels Labortests und alle 6 Monate mittels Leber-US und Messung des Serum-α-Fetoproteins untersucht. Die Aspartat-Aminotransferase- und γ-Glutamyltransferase-Werte bewegten sich im Bereich des Dreifachen der Obergrenze des Normbereichs, der Bilirubinspiegel lag im Bereich von 1,39 bis 2,64 mg/dl, während die Alanin-Aminotransferase normal blieb und die HCV-Viruslast sich auf 667 000 Kopien/ml verringerte. Der Serumspiegel des α-Fetoproteins lag zu allen Zeitpunkten im normalen Bereich. Im Juni 2009, nach 21-monatiger Therapiedauer, wurden im US zwei HCC-Knoten entdeckt und mittels Computertomographie bestätigt. Das Etanercept wurde endgültig abgesetzt und eine Therapie mit niedrig dosiertem systemischen Kortikosteroid in Kombination mit einem Analgetikum eingeleitet, um zumindest eine minimale Symptomkontrolle der Psoriasis zu erzielen. Der Tumor wurde mit zahlreichen Zyklen transarterieller Chemoembolisation, perkutaner Hochfrequenz-Thermoablation und perkutaner Ethanolinjektion behandelt; die Ergebnisse waren partiell und nicht von Dauer. Zum Zeitpunkt der letzten Überweisung lagen ein Rezidiv des HCC mit multiplen fokalen Leberläsionen, eine neoplastische Thrombose der Pfortader sowie eine schwere Beeinträchtigung der Leberfunktion vor, die im August 2011 zum Tod des Patienten führten.
Fall 2
Ein 50-jähriger männlicher Patient kaukasischen Ursprungs stellte sich mit Psoriasis und begleitender HCV-Infektion in unserer Klinik vor. Seine allgemeine Anamnese umfasste arterielle Hypertonie, Dyslipidämie und Nephrolithiasis sowie eine Pyelolithotomie mit Bluttransfusion im Jahr 1985. Seitdem war zusätzlich eine HCV-Infektion vom Genotyp 1b bekannt. Zum Zeitpunkt der Überweisung belegten die Labordaten eine moderate Erhöhung der Transaminasen und γ-Glutamyltransferase, der Test auf HCV-RNA war positiv (Viruslast: 1 190 341 Kopien/ml), zudem lag eine Leberzirrhose vor. Der Patient litt seit 25 Jahren an Psoriasis und PsA. Die Hautuntersuchung ergab erythematöse, hyperkeratotische, konfluierende Plaques auf 45% der Körperoberfläche, vorwiegend lokalisiert am Rumpf, an den Ellenbogen, am Gesäß sowie an den Oberschenkeln und Knien. Der Patient klagte über Schmerzen in den Interphalangealgelenken beim Aufwachen sowie chronische Rückenschmerzen. Der Patient war mit verschiedenen topischen Therapien vorbehandelt, darunter Kortikosteroide, Salicylsäure und Vitamin-D-Derivate sowie Phototherapien mit schmalbandigem UV-B oder Psoralen-Bad plus UV-A. Zur Behandlung der PsA wurden orale Kortikosteroide in Kombination mit einem Analgetikum gegeben. Aufgrund der Begleiterkrankungen war eine systemische Therapie mit Methotrexat und Leflunomid nicht indiziert. Angesichts der Aktivität der Psoriasis und der Arthritis wurde eine Monotherapie mit Etanercept 25 mg s.c. zweimal wöchentlich eingeleitet. Die Behandlung mit Etanercept über 17 Monate bewirkte eine deutliche Verbesserung sowohl der Psoriasis als auch der Arthritis. Viruslast und Transaminasen veränderten sich in dieser Zeit im Vergleich zu Behandlungsbeginn nicht signifikant. Zur besseren Kontrolle des Verlaufs der Hepatitis wurde der Patient außerdem mit Peginterferon-α 2a (Pegasys®) und Ribavirin behandelt, womit die Virus-Negativierung erreicht wurde. Die Etanercept-Therapie wurde über die folgenden 58 Monate fortgesetzt. In diesem Zeitraum wurde der Patient alle 3 Monate mittels Bluttests untersucht und alle 6 Monate mittels US und α-Fetoprotein-Bestimmung. Die Aspartat-Aminotransferase zeigte keine signifikante Veränderung gegenüber Behandlungsbeginn, während der Wert der Alanin-Aminotransferase sich gegenüber Behandlungsbeginn verdreifachte und die γ-Glutamyltransferase einen Spitzenwert von 143 U/l erreichte. Der Serumspiegel des α-Fetoproteins lag im normalen Bereich, und die Viruslast war durchgängig negativ. Im Rahmen der Nachbeobachtung wurden im US zwei HCC-Knoten entdeckt und mittels Computertomographie bestätigt. Aus diesem Grund wurde Etanercept abgesetzt und eine Behandlung mit niedrig dosiertem systemischen Kortikosteroid und Acitretin eingeleitet. Der Tumor wurde mit Resektionen und zahlreichen Zyklen transarterieller Chemoembolisation behandelt. Nach 2 Jahren wurde ein neuer HCC-Herd gefunden und mittels perkutaner Hochfrequenz-Thermoablation behandelt. Der Patient wartet derzeit auf eine Lebertransplantation.
Diskussion
Wir führten eine systematische Abfrage englischsprachiger Datenbanken (PubMed) mit den folgenden Stichworten und MeSH-Termini durch: [‘Hepatitis C' (MeSH) AND ‘Psoriasis' (MeSH) OR ‘Arthritis, Psoriatic' (MeSH)] AND [‘adalimumab' (Supplementary Concept) OR ‘TNFR-Fc fusion protein' (Supplementary Concept) OR ‘infliximab' (Supplementary Concept)] sowie [‘Hepatocellular carcinoma' AND ‘Arthritis, Psoriatic' (MeSH) OR ‘Psoriasis' (MeSH)]. Es wurden keine Ausschlusskriterien angewandt. Die Anwendung von TNF-α-Hemmern bei Patienten mit Zirrhose wurde in 9 Veröffentlichungen bei insgesamt 9 Patienten beschrieben [3,4,5,6,7,8,9,10,11]. Zusammengefasst wurden bei diesen Patienten keine signifikanten Nebenwirkungen beobachtet, mit der hervorzuhebenden Ausnahme einer retrospektiven, multizentrischen Fallserie über 2 HCC in einer Population von 20 Psoriasis-Patienten mit HCV-Infektion. Drei Berichte befassen sich mit der Anwendung verschiedener TNF-α-Hemmer bei jeweils einem Psoriasis-Patienten [3,4,5]. Ein 52-jähriger Mann mit Plaque-Psoriasis, PsA sowie hereditärem α1-Antitrypsin-Mangel und dadurch bedingter histologisch diagnostizierter mikronodulärer Zirrhose wurde nacheinander mit Infliximab (5 mg/kg alle 8 Wochen), Etanercept (50 mg wöchentlich) und Adalimumab (40 mg alle 2 Wochen) behandelt; die Behandlungsdauer betrug 5, 3 bzw. 8 Monate. Die Labortests waren negativ für Hepatitis A, B und C und ergaben keine signifikanten Veränderungen der Leberfunktion während der Therapie. Über die Behandlung mit TNF-α-Hemmern wurde außerdem bei 3 Patienten mit rheumatoider Arthritis und primär biliärer Zirrhose berichtet; zwei Autoimmunerkrankungen, die häufig miteinander vergesellschaftet sind [6,7,8]. Die Hepatitis-Serologie war bei allen Patienten negativ. Ein Patient wurde zunächst mit Infliximab (3 mg/kg, 5 Infusionen) behandelt, danach wegen schlechtem klinischen Ansprechen der Gelenke einmal wöchentlich über 30 Monate mit Etanercept (50 mg) [6]. Darüber hinaus zeigte dieser Patient eine Verbesserung der Leberfunktion unter der Etanercept-Therapie, was unter der vorherigen Infliximab-Therapie nicht der Fall gewesen war. Über die gleichzeitige Verbesserung der Leberfunktion und der Wirksamkeit im Hinblick auf die rheumatoide Arthritis in 2 weiteren Fällen berichteten auch Ogata et al. [8] und Kubo et al. [9]; hier betrug die Behandlungsdauer mit Etanercept 12 bzw. 19 Monate. In einer kleinen Fallserie wurden 3 Patienten mit Leberzirrhose und chronisch-entzündlicher Darmerkrankung mit Infliximab behandelt [10]. Bei einem Patienten lag eine kryptogene Zirrhose vor, bei 2 Patienten eine primäre sklerosierende Cholangitis; Angaben zum Hepatitis-B- und -C-Infektionsstatus wurden nicht gemacht.
Die Rolle von TNF-α-Hemmern als «reines» Hepatokarzinogen in Abwesenheit von Hochrisiko-Lebererkrankungen scheint unbedeutend zu sein. Nach unserem Wissen gibt es bis jetzt nur wenige Berichte [10,11,12,13,14] über Fälle von neu auftretendem HCC unter der Behandlung einer entzündlichen Darmerkrankung mit einem TNF-α-Hemmer (Infliximab, Etanercept, Adalimumab). Hierbei ist hervorzuheben, dass in allen diesen Fällen keine etablierte chronische Lebererkrankung vorlag und alle außer einem Patienten eine längere Azathioprin-Therapie in der Anamnese hatten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen bedeutenden Beitrag zur Entstehung des HCC geleistet hat [11]. Überraschend ist, dass bei den 2 Fällen, über die Kumar und Le berichteten [12], eine längere Überlebenszeit nach Absetzung der Anti-TNF-α-Therapie zu verzeichnen war.
In einem Fall, über den Collazo et al. berichteten [15], wurde ein Patient, bei dem wegen HCV-Infektion, Leberzirrhose und HCC eine Lebertransplantation erfolgt war, wegen hartnäckiger generalisierter Psoriasis mit Etanercept behandelt; hiermit wurde das Abklingen der Psoriasis ohne jegliche unerwünschte Wirkungen erreicht. In der großen Fallserie von Navarro et al. [16] entwickelten 2 von 20 Psoriasis-Patienten mit HCV, die mit TNF-α-Hemmern behandelt wurden, ein HCC. Beide Patienten erhielten Etanercept, jedoch litt nur einer an einer alkoholischen Leberzirrhose.
Zusammenfassend betrachtet entwickelte von den 9 Patienten mit Leberzirrhose und Anti-TNF-α-Hemmern, die in der Literatur zu finden waren, nur ein Patient ein HCC (Bericht von Navarro et al. [16]). Andererseits hatten von allen 61 Psoriasis-Patienten mit HCV (siehe Online-Zusatzmaterial, Tab. 1) nur 2 Patienten ein HCC; einer mit Leberzirrhose und einer ohne.
Dies ist überraschend, insofern als unserer Erfahrung nach die Häufigkeit von HCC bei HCV-Patienten deutlich höher ist. Die Krankheitsdauer der HCV-Infektion und der Leberzirrhose bei Patient 1 war lang (40 Jahre bzw. über 10 Jahre). Darüber hinaus lag bei diesem Patienten intensiver Alkoholkonsum in der Vorgeschichte vor. Der kombinierte schädliche Effekt von HCV-Infektion und Alkohol im Hinblick auf die Progression von terminaler Lebererkrankung zum HCC ist hierbei anerkanntermaßen deutlich größer als die addierten Einzeleffekte [17]. Ob Etanercept bei unseren Patienten zur Hepatokarzinogenese beigetragen hat, ist unklar. Die wissenschaftliche Grundlage der Hypothese, dass TNF-α eine Rolle in der Induktion der Leberfibrosierung bei chronischer Virusinfektion spielt, ist solide und sowohl in humanen als auch in murinen Modellen gut etabliert [18]. Vor diesem Hintergrund wurde die Vermutung aufgestellt, dass die Anti-TNF-α-Therapie sogar eine therapeutische Rolle spielen könnte, indem sie das Entzündungsgeschehen sowie die zunehmende Vernarbung, Fibrosierung und Zirrhose hemmt. Auf der anderen Seite ist die Hypothese nicht zu verwerfen, dass die TNF-α-Blockade auf direktem oder indirektem Wege zu einer frühen Progression eines ruhenden HCC führen könnte. Chew et al. [19] stellten fest, dass das Überleben von HCC-Patienten positiv mit einer höheren Expression einer Entzündungsgen-Gruppe innerhalb der Tumore assoziiert war. Konkret wiesen sie eine starke Anreicherung von TNF-α in Leukozyten nach, die aus den Lebern von HCC-Patienten mit einer besseren Prognose isoliert worden waren. Die möglichen Wechselwirkungen zwischen einer Anti-TNF-α-Therapie und lokalen Immunreaktionen bei HCV-positiven Zirrhosepatienten mit erhöhtem HCC-Risiko rechtfertigen somit weiterführende Untersuchungen.
Die Anti-TNF-α-Therapie verdient eine ernsthafte Erwägung als Zweitlinien-Therapieoption bei HCV-positiven Psoriasis-Patienten. Dieser Aspekt ist in der Literatur bisher möglicherweise unterschätzt worden. Es könnte jedoch ein zunehmend wichtigeres Thema werden, dessen wir uns annehmen müssen. Die jährliche Inzidenz von HCC bei zuvor etablierter Zirrhose beträgt 2-6% [20]; bei Patienten mit HCV-assoziierter schwerer Fibrose oder Zirrhose sind es sogar 5,0-5,4% [21]. Unabhängige Risikofaktoren für HCC bei Patienten mit HCV-assoziierter chronischer Hepatitis sind den Untersuchungen zufolge höhere α-Fetoprotein-Werte, höheres Alter, männliches Geschlecht sowie HBV-Koinfektion oder konkomitanter Alkoholkonsum [22].
Insgesamt 2 der 4 hier beschriebenen HCV-positiven Psoriasis-Patienten, die mit TNF-α-Hemmern behandelt wurden, entwickelten ein HCC. Bemerkenswert ist, dass beide Psoriasis-Patienten, die eine fortgeschrittene Lebererkrankung hatten und eine Anti-TNF-α-Therapie erhielten, ein HCC entwickelten - der erste nach 21 Monaten Behandlungsdauer, der zweite nach 75 Monaten. Ausgehend von einer jährlichen Rate der HCC-Entwicklung bei bestehender Leberzirrhose von 5% (laut Literatur) könnte man also die Hypothese aufstellen, dass die HCC-Entstehung bei unseren beiden HCV-positiven Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung und Anti-TNF-α-Therapie nicht zufällig, sondern durch die Gleichzeitigkeit dieser Umstände bedingt ist.
Eine angemessene Patientenberatung und -auswahl sowie klinische Nachbeobachtung sind erforderlich, um die Sicherheit der Patienten zu maximieren. Psoriasis-Patienten mit latenter Tuberkuloseinfektion, die mit TNF-α-Hemmern behandelt werden, folgen einem standardisierten Nachsorgeplan [23]. Für Psoriasis-Patienten mit HCV-Infektion möchten wir analog dazu ebenfalls Empfehlungen aussprechen.
Zunächst einmal muss der Schweregrad der zugrundeliegenden Lebererkrankung gründlich untersucht werden. Wir unterstreichen hierbei die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit dem Hepatologen, der eine klinische, biochemische und serologische Evaluierung durchführen sollte. Darüber hinaus sollte der Hepatologe entscheiden, ob zu Behandlungsbeginn eine Biopsie oder eine nichtinvasive Beurteilung des Fibrosestadiums erforderlich ist. Es gibt keine klare Indikation dafür, wie häufig die Transaminasewerte währen der Behandlung kontrolliert werden sollten; eine mögliche Empfehlung wäre jedoch einmal monatlich während der ersten 3 Monate und danach alle 3 Monate. Leberfunktionstests sollten bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Lebererkrankungen alle 3 Monate durchgeführt werden, bei allen anderen Patienten alle 6 Monate. HCC-Vorsorgeuntersuchungen mittels US sind bei den ehemaligen Patienten alle 6 Monate durchzuführen; auch die Bestimmung des α-Fetoprotein-Spiegels könnte in Verbindung mit dem US potenziell sinnvoll sein, auch wenn sie nicht mehr empfohlen wird [24].
Schlussfolgerung
Wir haben hier 2 Fälle von HCV-positiven Psoriasis-Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung vorgestellt, bei denen während einer Behandlung mit Etanercept ein HCC aufgetreten ist. Ob diese Anti-TNF-α-Therapie als zusätzlicher Risikofaktor für die HCC-Entwicklung betrachtet werden muss, ist auf der Grundlage der verfügbaren Daten nicht nachzuweisen. Es sind also weitere kumulative klinische Untersuchungen und Daten aus Beobachtungsregistern notwendig, um eventuelle Zusammenhänge zwischen TNF-α-Hemmern und HCC bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung aufzudecken. Wir schlagen vor, diese Patientensubgruppe mit besonderer Aufmerksamkeit klinisch, biochemisch und radiologisch nachzubeobachten und Behandlungsentscheidungen stets einzelfallbezogen zu treffen, unter Berücksichtigung der Schwere der Psoriasis und der PsA sowie zusätzlicher Cofaktoren, die sich auf den Verlauf der Lebererkrankung auswirken.
Erklärung zu ethischen Konflikten
Die Patienten wurden gemäß der Erklärung von Helsinki und der guten klinischen Praxis behandelt.
Disclosure Statement
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte offenzulegen.