Zusammenfassung
Hintergrund: Die Überlappung von bullösem Pemphigoid (BP) und chronischen Psoriasis-Plaques (CPP) kommt häufig vor. BP und Psoriasis pustulosa (PP) hingegen treten weniger häufig überlappend auf. Zugleich gelten periläsionales Erythem und pustulöse Läsionen bei CPP gemeinhin als Anzeichen einer instabilen Psoriasis. Instabile Psoriasis könnte durch bestimmte reizende topische Psoriasistherapien hervorgerufen werden. Diese chemischen Substanzen könnten außerdem ein lokalisiertes Muster einer generalisierten PP induzieren. Wir beschreiben hier das Aufeinandertreffen von BP und PP bei instabilen CPP. Ziel: Mit diesem Bericht postulieren wir, dass BP ein Anzeichen für aktive Psoriasis sein könnte. Vermutlich ist Psoriasis-induziertes BP ein von der Entzündungsaktivität abhängiges Ereignis. Methoden: Die vorliegende Arbeit ist ein Fallbericht mit Literaturübersicht. Ergebnisse: Das dramatische Ansprechen der bullös-pustulösen Läsionen auf eine Kurzzeitbehandlung mit Methotrexat (MTX) deutet auf die Regel «Keine Psoriasis, kein BP» hin. MTX unterdrückte vermutlich die Entzündungsaktivität der CPP; das BP klang vollständig ab, sobald die CPP unter Kontrolle waren. Schlussfolgerung: Das BP kann in diesem Fall ein Anzeichen einer aktiven Psoriasis sein.
Einleitung
Psoriasis pustulosa (PP) kann generalisiert oder lokal begrenzt auftreten. Eine generalisierte PP (GPP) erstreckt sich auf mehr als zwei anatomische Einheiten des Körpers. Akute GPP, Schwangerschafts-GPP, juvenile GPP, annuläre GPP und lokalisierte Muster einer GPP sind verschiedene klinische Varianten der GPP [1]. Lokalisierte GPPentwickelt sich häufig während instabiler Phasen chronischer psoriatischer Plaques (CPP), hervorgerufen durch Reizstoffe wie Steinkohlenteer oder plötzliche Absetzung starker topischer Steroide [1]. Entzündung ist bei PP ein stärker vorherrschendes Ereignis als bei Psoriasis vulgaris. Pustulöse Formen von CPP und periläsionale Rötung sind somit Anzeichen der Aktivität und Entzündlichkeit der Erkrankung [1,2]. Ein gleichzeitiges Auftreten einer Psoriasis und einer bullösen Autoimmunerkrankung wurde erstmals bereits 1929 in der Literatur geschildert [3]. Die häufigste assoziierte bullöse Autoimmunerkrankung ist das bullöse Pemphigoid (BP). Die BP-Inzidenz ist bei Psoriasis-Patienten höher als in der Allgemeinbevölkerung. Der ätiopathogenetische Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen ist jedoch nicht vollständig geklärt.
Dass Patienten mit CPP auch BP entwickeln, kommt sehr häufig vor. Das gleichzeitige Auftreten von PP und BP ist hingegen sehr selten. Unseres Wissens wurden in der Literatur bisher erst 4 Fälle berichtet. In allen Fällen entwickelten sich die bullösen Läsionen entweder nach einer Phototherapie zur Behandlung der Psoriasis [4,5], oder es bildeten sich pustuläre Läsionen unter einer systemischen Kortikosteroidtherapie zur Behandlung des BP bei Patienten mit Psoriasis [6,7]. Eine gleichzeitige Entwicklung von bullösen und pustulösen Läsionen ohne auslösende Faktoren ist bis jetzt nicht beschrieben worden. Hier berichten wir über ein Aufeinandertreffen von bullösen und pustulösen Läsionen in demselben Psoriasis-Areal als lokales Ereignis, vermutlich als Anzeichen der psoriatischen Aktivität.
Fallbericht
Ein 77-jähriger männlicher Patient wurde mit pustulösen Neubildungen an beiden Unterschenkeln an die dermatologische Klinik überwiesen. Der Patient litt zu diesem Zeitpunkt seit 20 Jahren an Psoriasis vulgaris. Einige Jahre zuvor hatte er einen GPP-Schub gehabt. Die dermatologische Untersuchung ergab auf Knie-, Ellenbogen- und Lendenregion begrenzte CPP. An beiden Unterschenkeln lagen medial große, juckende Psoriasis-Plaques vor, mit Pustelbildung entlang der Ränder der Plaques (Abb. 1). Die pustulösen Läsionen waren auf die Unterschenkel begrenzt; im Verlauf des Krankenhausaufenthalts trat keine Generalisierung ein. Aktive erythematöse Läsionen mit geringer ausgeprägter Hyperkeratose wurden rund um die CPP gefunden. Der Patient gab an, vor der Pustelbildung auf beiden Unterschenkeln starke Kortikosteroide angewendet und eine Woche zuvor eine topische Therapie abgebrochen zu haben. Pustel- und plaqueförmige Psoriasis-Läsionen wurden histologisch bestätigt (Abb. 2). Es gab keine Anzeichen für eine Infektionskrankheit oder eine verdächtige Arzneimitteleinnahme, die zu Pustelbildung führen könnte. Eine Routine-Blutanalyse ergab normale Werte. Akute-Phase-Reaktanten-, Albumin- und Kalziumspiegel waren normal. Auch bei Autoimmunmarkern und im endokrinen Profil lagen keine Anomalien vor. Während des Krankenhausaufenthalts wurden bullöse Hautläsionen an der Basis der pustulösen Läsionen an den Unterschenkeln entdeckt (Abb. 1). Eine Hautprobe von einer bullösen Läsion ergab subepidermale Spaltung und ein hohes Maß an eosinophiler Infiltration. In der direkten Immunfluoreszenz-Untersuchung wurden dermoepidermale lineare C3- und IgG-Ablagerungen festgestellt (Abb. 2). Der Patient wurde mit Methotrexat (MTX) 10 mg/Woche und starken topischen Kortikosteroiden behandelt. Am Ende der zweiten Woche waren die pustulösen und bullösen Neubildungen vollständig abgeheilt und kehrten auch in 3 Monaten Nachbeobachtung nicht wieder (Abb. 1).
a-c Pustulöse und bullöse Hautläsionen, überlappend, am Rand der psoriatischen Basis. Erkennbare Pustelbildung auf der Oberfläche der bullösen Läsion. d Rechter medialer Unterschenkel nach 2 Wochen MTX-Therapie.
a-c Pustulöse und bullöse Hautläsionen, überlappend, am Rand der psoriatischen Basis. Erkennbare Pustelbildung auf der Oberfläche der bullösen Läsion. d Rechter medialer Unterschenkel nach 2 Wochen MTX-Therapie.
a Subkorneale Pustelbildung und gemischte entzündliche Zellinfiltration in die Dermis. HE. × 100. b Elongierte Reteleisten, Akanthose und Hypogranulose. HE. × 100. c Subepidermale Blasenbildung und neutrophilen- und eosinophilenreiche Infiltration ins Innere der Kavität. HE. × 200. d Lineare C3- und IgG-Ablagerung im dermoepidermalen Raum. × 10.
a Subkorneale Pustelbildung und gemischte entzündliche Zellinfiltration in die Dermis. HE. × 100. b Elongierte Reteleisten, Akanthose und Hypogranulose. HE. × 100. c Subepidermale Blasenbildung und neutrophilen- und eosinophilenreiche Infiltration ins Innere der Kavität. HE. × 200. d Lineare C3- und IgG-Ablagerung im dermoepidermalen Raum. × 10.
Diskussion
Es gibt verschiedene Begleiterkrankungen zum BP, darunter Demenz, zerebrovaskuläre Ereignisse, Morbus Parkinson, bipolare Störungen, Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen und Psoriasis. Psoriasis in Verbindung mit blasenbildenden Autoimmunerkrankungen tritt recht häufig auf [8]. Die Inzidenz von BP bei chronischer Plaque-Psoriasis ist höher als bei PP. Die Diagnose der Psoriasis geht hierbei der des BP typischerweise 20 Jahre voraus [8], was umgekehrt selten vorkommt. Bullöse Läsionen sind in der Regel auf die CPP beschränkt. BP im Zusammenhang mit Psoriasis entwickelt sich meist in einem früheren Alter als sporadisches BP. Topische Kortikosteroide, topisches Anthralin, Steinkohlenteer und ultraviolette (UV-)Strahlung sind mögliche auslösende Faktoren für die Entwicklung von BP bei Patienten mit Psoriasis [8]. In unserem Fall trat die Blasenbildung ohne einen solchen auslösenden Faktor ein. Von spontanem Auftreten eines auf die CPP begrenzten BP wurde zuvor in einem Fall berichtet [9]. In Abbildung 1 ist eine klinisch doppelte subepidermale Spaltung (subkorneal und unmittelbar unterhalb der pustulösen Läsionen) zu erkennen. Auf intakter Haut waren keine Pusteln und Blasen zu finden. Die bullösen Läsionen waren zudem jeweils auf derselben Linie lokalisiert wie die Pustelbildung.
MTX ist eine von mehreren wirksamen Behandlungsmöglichkeiten bei chronischer Plaque-Psoriasis. Allerdings ist MTX kein Wirkstoff, der in der Behandlung des BP häufig eingesetzt wird, trotz verschiedener Berichte, die für die Gabe von MTX bei BP sprechen. Andererseits zeigt die Behandlung mit MTX gute Ergebnisse bei Überlappung von Psoriasis und BP. Bei lokalisierter GPP ist das Ansprechen auf MTX hervorragend, während MTX bei anderen Formen von GPP mäßige bis gute Erfolge erzielt [10]. Bei diesem Patienten war es erstaunlich zu sehen, wie die bullös-pustulösen Läsionen nach der Behandlung mit zwei Dosen MTX 10 mg/Woche abheilten. Wir vermuten, dass das MTX wahrscheinlich das aktive Entzündungsgeschehen im Rahmen einer instabilen CPP gehemmt und die kurz zuvor eingetretene Hyperinflammation unterdrückt hat, was seinerseits zum Verschwinden der pustulösen und bullösen Läsionen führte, d.h. die bullös-pustulösen Läsionen heilten sekundär ab, als Folge der Unterdrückung der aktiven Entzündung in der psoriatischen Basis durch die MTX-Gabe - keine Psoriasis, kein BP. Hinsichtlich der oben genannten Spekulation sollten wir also anerkennen, dass das gleichzeitige Auftreten von BP und Psoriasis wahrscheinlich kein Zufall ist, sondern die Psoriasis ein auslösender Faktor für das BP ist. Vermutlich war das BP neben den pustulösen Läsionen und der periläsionalen Rötung ein weiteres Anzeichen des aktiven hyperinflammatorischen Zustands der CPP. In diesem Fall kam es - wahrscheinlich infolge der plötzlichen Absetzung des starken topischen Kortikosteroids und eines lokalen Rebound-Effekts - zu einem Aufflammen der stabilen CPP und zur Pustelbildung als Anzeichen dieser Entzündungsaktivität. Durch den hyperinflammatorischen Zustand der CPP war auch die Basalmembran (BM) betroffen, und die BP-Antigenität veränderte sich. Als Folge hiervon entwickelte sich das BP. Es ist bekannt, dass sich während der instabilen Phase einer CPP als Zeichen der psoriatischen Aktivität periläsionales aktives Erythem und pustulöse Läsionen entwickeln. Vor diesem Hintergrund sollten wir das BP als Zeichen des CPP-Aktivierungs-Phänomens wahrnehmen - neben periläsionalem Erythem und Pusteln.
Wir postulieren, dass die klinische Überlappung von BP und Psoriasis der pathogenetischen Überlappung der beiden Erkrankungen entspricht. In der Literatur gibt es jedoch zahlreiche Berichte, die das Auftreten eines BP bei Patienten mit Psoriasis im Hinblick auf bestimmte auslösende Faktoren betrachten, z.B. verschiedene topische Arzneimittel, systemische Steroide oder UV-Strahlung. Diese Arzneimittel könnten BP induzieren, indem sie die antigenen Eigenschaften der BM der psoriatischen Basis und auch der intakten Haut bei genetisch prädisponierten Individuen verändern. Außerdem liegen in der Literatur einige Berichte über die Entwicklung eines BP bei Patienten vor, die wegen nicht-psoriatischer Dermatosen eine Phototherapie erhalten haben [11]. Ein BP kann sich also bei jeder genetisch entsprechend veranlagten Person entwickeln, die einem auslösenden Faktor ausgesetzt wurde, der die antigenen Eigenschaften der BM verändern kann. Solche Antigen-verändernden Faktoren (AVF) könnten die Einnahme bestimmter Arzneimittel, UV-Strahlung, bestimmte topische Arzneimittel mit Reizwirkung, maligne Erkrankungen, Impfungen, Infektionen, thermische oder elektrische Verbrennungen, chirurgische Eingriffe oder Organtransplantationen umfassen [12]. Auch Psoriasis könnte auf der Liste der AVF für BP stehen. Mehrere AVF können bei genetisch prädisponierten Individuen zusammentreffen und so zum BP führen. Bei Psoriasis-Patienten können die psoriatische Entzündung selbst sowie die genannten AVF die Antigenität der BM verändern - einzeln oder durch ihr Zusammenwirken. Darum ist die Inzidenz von Pemphigoid-Erkrankungen bei Psoriasis-Patienten extrem hoch. AVF liegen lediglich bei 15% der BP-Patienten vor [12]. In unserem Fall war der auslösende Faktor für das BP vermutlich die Psoriasis selbst. In diesem Zusammenhang können wir sagen, dass bei Psoriasis-Patienten bullöse Läsionen auf die psoriatische Basis begrenzt sein oder die intakte Haut sowie die Läsionsareale beteiligt sein können, je nach Art und Kombination der AVF. In unserem Fall war der AVF vermutlich der hyperinflammatorische Zustand der psoriatischen Basis aufgrund der plötzlichen Absetzung der topischen Steroidtherapie. Welche Art von subepidermaler blasenbildender Autoimmunerkrankung (ASBD; autoimmune subepidermal blistering disease) bei einem Psoriasis-Patienten auftritt, hängt wahrscheinlich davon ab, welches Antigen in der BM verändert wurde. Bisher sind 7 ASBD anhand ihrer jeweiligen autoantigenen Profile identifiziert. Die häufiger mit Psoriasis assoziierten ASBD sind BP und Antilaminin-γ-1-Pemphigoid (ALG1P) [13]. Dies bedeutet, dass Psoriasis häufiger eine Veränderung der Bullöse-Pemphigoid-Antigene (BPAG1 und BPAG2) sowie des Laminin-γ-1-Antigens der BM bewirkt. Es gibt in der Literatur jedoch auch Berichte über Psoriasis im Zusammenhang mit Schleimhautpemphigoid, linearer IgA-Dermatose oder Dermatitis herpetiformis. Der letztgenannte Zusammenhang entwickelte sich vor dem Hintergrund der Zöliakie. Pemphigoid gestationis ist in diesem Kontext keine relevante ASBD, andere ASBD werden wahrscheinlich auf unbekannten Wegen von der Psoriasis selbst induziert. AVF können bei demselben Psoriasis-Patienten mehrere BM-Antigene verändern und verschiedene ASBD hervorrufen. Bei einem Patienten mit erythrodermischer Psoriasis und bullösen Läsionen wurden Autoantikörper gegen Laminin γ-1, BPAG1 und BPAG2 gefunden [14]. In einem anderen Fall lagen bei einem Psoriasis-Patienten ALG1P und Schleimhautpemphigoid gleichzeitig vor [15].
Leider war es uns nicht möglich, die BM mittels Salt-Split-Technik zu separieren, um die Art der ASBD zu bestimmen. Die BP-Diagnose wurde in diesem Fall gemäß der klassischen BP-Diagnosekriterien gestellt: 2 Hauptkriterien plus ein obligatorisches Kriterium.
Abschließend lässt sich sagen, dass Psoriasis-Patienten vielen verschiedenen AVF ausgesetzt sein können, die zuvor bereits in der vorliegenden Arbeit aufgeführt worden sind. Darum ist die Inzidenz von ASBD und insbesondere BP bei Psoriasis-Patienten extrem hoch. Die Psoriasis selbst ist vermutlich ein solcher AVF. In der aktiven Phase einer CPP kann das Auftreten bullöser Läsionen neben periläsionaler Rötung und Pustelbildung ein Anzeichen der entzündlichen Aktivität sein. Inflammation und AVF können die Antigenität der BM verändern und - je nachdem, welche Antigene verändert werden - verschiedene Formen von ASBD hervorrufen. Die häufigste Form ist das BP. Im hier beschriebenen Fall wurde das BP nach den klassischen Kriterien diagnostiziert. Es war auf die Lokalisation der CPP beschränkt, in der aktives Entzündungsgeschehen vorlag. Das dramatische Ansprechen der bullös-pustulösen Läsionen auf die MTX-Behandlung ist vermutlich auf die Regel «Keine Psoriasis, kein BP» zurückzuführen. Deshalb postulieren wir, dass das gleichzeitige Auftreten dieser beiden Erkrankungen bei diesem Patienten kein Zufall war, sondern dass die aktive Psoriasis das BP ausgelöst hat und das Psoriasis-induzierte BP ein Anzeichen der Psoriasis-Aktivität war.
Disclosure Statement
Es sind keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit dieser Publikation bekannt. Für diese Arbeit wurde keine finanzielle Unterstützung geleistet, die deren Ergebnis hätte beeinflussen können.