Zusammenfassung
Hintergrund: Der Einfluss systemischer Komorbiditäten auf den Erfolg der Kopfhaut-Kühlung während der Chemotherapie (CT) ist weitgehend unerforscht. Komorbiditäten erfordern häufig eine zusätzliche Medikation, die ihrerseits gelegentlich Alopezie hervorrufen kann. Gegenstand dieser Untersuchung war der Einfluss ausgewählter Parameter auf die Wirksamkeit der Kopfhaut-Kühlung in der Prävention CT-induzierter Alopezie. Patienten und Methoden: 226 Krebspatienten wurden mit verschiedenen CT-Schemata in Kombination mit sensorgesteuerter Kopfhaut-Kühlung behandelt. 136 Brustkrebs-Patientinnen erhielten eine (neo)adjuvante Therapie, 76 davon mit Epirubicin plus Cyclophosphamid (4 × EC 3-wöchentlich) gefolgt von Paclitaxel (12 × T wöchentlich). Die folgenden Parameter wurden prospektiv untersucht: Chemotherapie-induzierte Alopezie, systemische Begleiterkrankungen und Begleitmedikation, Nikotinkonsum, Behandlung der Haare, Menopausenstatus und trichologi- scher Status. Ergebnisse: Die Kopfhaut-Kühlung war erfolgreich (kein oder kein erkennbarer Haarausfall; Schweregrad laut Common Toxicity Criteria 0-1) bei 65% der Gesamtheit der Patienten, bei 65% der 136 Patientinnen mit Brustkrebs und bei 68% der 76 Patientinnen hiervon, die mit EC/T behandelt wurden. Innerhalb dieser Untergruppe zeigten die prämenopausalen Patientinnen (p = 0,009) sowie diejenigen ohne systemische Begleiterkrankungen (p = 0,003), ohne Begleitmedikation (p < 0,001) und mit hoher Haardichte (p = 0,038) ein geringeres Maß an Haarausfall unter der CT; auch beim Nikotinkonsum war ein Effekt erkennbar (p = 0,023). Haarlänge und Haarbehandlung zeigten keinen signifikanten Einfluss. Schlussfolgerung: Die sensorgesteuerte Kopfhaut-Kühlung stellt eine wirksame Ergänzung zur supportiven Krebstherapie dar. Der Erfolg der Kopfhaut-Kühlung hängt vom angewandten CT-Schema ab. Parameter wie Menopausenstatus, systemische Komorbiditäten, Medikation, Nikotinkonsum und ursprüngliche Haardichte beeinflussen ebenfalls den Erfolg der Haarausfall-Prävention. Übersetzung aus Oncol Res Treat 2015;38:489-495 (DOI: 10.1159/000440636)
Experten-Kommentar
Transfer in die Praxis
Chemotherapie-induzierte Haarverluste sind häufig und bedeuten für die betroffenen Patienten einen erheblichen Verlust von Lebensqualität und eine Stigmatisierung. Verschiedene Behandlungsweisen wie topisches Minoxidil oder die Kühlung der Kopfhaut werden zur Prävention eingesetzt, wobei letztere die am weitesten verbreitete Methode darstellt [1].
In dieser einarmigen, prospektiven, interventionellen Studie untersuchten Schaffrin-Nabe et al., inwiefern die Effektivität der Kopfhaut-Kühlung zur Vorbeugung gegen Chemotherapie-induzierte Alopezie mit demografischen und klinischen Patienteneigenschaften assoziiert ist. Insgesamt wurden 226 Patienten untersucht, darunter 136 Patientinnen mit Brustkrebs, von denen wiederum 76 Epirubicin und Cyclophosphamid alle 3 Wochen erhielten. Letztere Subgruppe wurde aufgrund ihrer Homogenität zur statistischen Analyse der Ergebnisse herangezogen. Alle Patienten erhielten eine standardisierte Kopfhaut-Kühlung mit einem kommerziellen Gerät. Der Haarzustand der Patienten wurde nach den Common Terminology Criteria of Adverse Events dokumentiert; zusätzlich wurden weitere Daten erfasst.
Die Autoren berichten, dass 65% der Gesamtpopulation (n = 226) keinen sichtbaren Haarverlust entwickelten und somit keiner Perücke oder anderer Hilfsmittel bedurften. Bei den 76 Patientinnen der Epirubicin/Cyclophosphamid-Gruppe wurden Faktoren identifiziert, die mit einem weniger ausgeprägten Haarverlust einhergingen. In dieser Datenanalyse zeigte sich, dass Patientinnen, die jünger als 54 Jahre waren, rauchten, keine Begleitmedikamente bzw. Vorerkrankungen hatten, sich vor der Menopause befanden oder vor Therapiebeginn eine hohe Haardichte aufwiesen, signifikant weniger hochgradige Alopezien entwickelten als Patientinnen ohne diese Eigenschaften. Zudem zeigte sich, dass chemische und thermische Einwirkungen wie regelmäßiges Föhnen oder Färben keinen Einfluss auf die Inzidenz von hochgradigen Alopezien hatten.
Die Erfassung und Definition von Patientengruppen, die besonders gut oder schlecht von einer Kopfhaut-Kühlung zur Prävention von Chemotherapie-induzierter Alopezie profitieren, ist eine klinisch relevante Fragestellung. Aufgrund des einarmigen Designs lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die prädiktive Wertigkeit der gefundenen Assoziationen ziehen. Zudem wäre eine multivariate Analyse wünschenswert, um zu klären, ob die gefundenen Assoziationen unabhängig voneinander sind. Das Risiko einer Chemotherapie-induzierten Alopezie ist jedoch, wie die Autoren selbst diskutieren, von den applizierten Substanzen abhängig, sodass anhand dieser Studie keine Aussagen in Bezug auf andere Therapieregime zu treffen sind; somit gelten die gezeigten Assoziationen nur für Frauen mit Brustkrebs, die eine Therapie mit Epirubicin/Cyclophosphamid erhalten. In dieser Gruppe können die vorgestellten Daten jedoch helfen, die Patientinnen besser zu informieren und aufzuklären. Insbesondere können Patientinnen wahrscheinlich eine Haarpflege mit regelmäßigem Föhnen und Färben durchführen, ohne die Wirksamkeit der Kopfhaut-Kühlung zu beeinflussen.
Fazit
Schaffrin-Nabe et al. konnten zeigen, dass die Effektivität der Prävention der Chemotherapie-induzierten Alopezie mittels Kopfhaut-Kühlung mit bestimmten Patienteneigenschaften assoziiert ist. Diese Assoziationen sind nicht geeignet, die Wirksamkeit zuverlässig vorherzusagen, können aber helfen, Patientinnen mit Brustkrebs unter Epirubicin/Cyclophosphamid-Therapie besser zu informieren und aufzuklären.