Abstract
Hintergrund: In einer früheren Arbeit haben wir gezeigt, dass T-Zellen von Patienten mit Neurodermitis bei Stimulation mit Staphylokokken-Exotoxin mehr IL-22 produzieren als T-Zellen von Patienten mit Psoriasis und von gesunden Probanden. Die Auswirkung von Staphylokokken-Exotoxinen auf polarisierte Gedächtnis-T-Helferzellen (TH-22-Zellen), die bei entzündeter Haut mit Neurodermitis vermehrt vorliegen, ist noch ungeklärt. Das Ziel dieser Arbeit war es, die IL-22-Produktion in menschlichen T-Gedächtniszellen und polarisierten TH-22-Zellen nach Stimulation mit Staphylokokken-Enterotoxin B (SEB) und α-Toxin zu untersuchen.Methoden: Die IL-22-Induktion wurde in aus humanem peripherem Blut gewonnenen CD4+ CD45RO+ CD45RA- T-Zellen und polarisierten TH-22-Zellen nach Stimulation mit SEB und α-Toxin in sublytischer Dosis zeitabhängig anhand der mRNA- und Proteinkonzentration (ELISA) gemessen.Ergebnisse: Die TH-22-Zellen sezernierten mehr IL-22 als frisch aus peripherem Blut isolierte T-Gedächtniszellen. SEB und α-Toxin induzierten IL-22 in T-Gedächtniszellen ebenso wie in TH-22-Zellen. In frisch isolierten T-Gedächtniszellen aus peripherem Blut wurde mehr IL-22 durch SEB und α-Toxin induziert als in TH-22-Zellen aus T-Gedächtniszellen in längerer Zellkultur ohne Polarisierung und als in TH-22-Zellen unter TH-22-fördernden Bedingungen mit IL-6 und TNF-α. Zwischen den Zellen von Neurodermitis-Patienten, Psoriasis-Patienten und gesunden Probanden waren keine Unterschiede im Hinblick auf die IL-22-Induktion durch Staphylokokken-Exotoxine zu beobachten.Schlussfolgerungen: Eine erhöhte IL-22-Sekretion lässt sich in hautinfiltrierenden CD4+ CD45RO+ CD45RA- T-Gedächtniszellen durch Staphylokokken-Exotoxine prompt induzieren; sie kann potenziell die chronische Hautinflammation bei Neurodermitis im Kontext einer bakteriellen Besiedlung und Infektion verstärken. Hierzu sind weiterführende, detaillierte Untersuchungen an geschädigter Haut von Neurodermitis- und Psoriasis-Patienten durchzuführen.Übersetzung aus Int Arch Allergy Immunol 2014;165:35-39 (DOI: 10.1159/000367923)
Originalartikel
Staphylococcal Exotoxins Induce Interleukin 22 in Human Th22 Cells
Margarete Niebuhr Julia Mainardy Annice Heratizadeh Imke Satzger Thomas Werfel
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Abteilung Immundermatologie und experimentelle Allergologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
Transfer in die Praxis
Unser Verständnis der verschiedenen Möglichkeiten der T-zellulären Immunantwort bei Hauterkrankungen hat sich in den vergangenen Jahren stark erweitert. Neben der seit längerem bekannten Dichotomie zwischen TH-1 (zelluläre Immunantwort) und TH-2 (humorale/allergische Immunantwort) ist seit einiger Zeit die «regulatorische Immunantwort» vom TH-10-Typ beschrieben. Neuere Vertreter des Konzepts unterschiedlicher Prägungen einer Immunreaktion sind TH-17- und TH-22-Immunantworten, die vor allem im Zusammenhang mit chronischen Entzündungsprozessen der Haut (Psoriasis bzw. Neurodermitis) beschrieben wurden. Nachdem der Stellenwert der TH-17-Immunantwort bei Psoriasis inzwischen auch durch den Erfolg gerichteter Blockademedikamente gesichert wurde, befasst sich die hier vorgestellte Arbeit mit der Induktion und Expansion von TH-22-Zellen bei Patienten mit Neurodermitis im Vergleich zu Patienten mit Psoriasis.
Eine Besonderheit der Erkrankungssituation bei Patienten mit Neurodermitis ist die fast obligate Besiedelung der Haut mit Staphylococcus aureus, einem Bakterium, das in großer Menge Enterotoxine und Hämolysine sezernieren kann; diese können innerhalb des Immunsystems des Wirts als sogenannte Superantigene bzw. als unspezifische Proliferationsfaktoren eine große Anzahl von T-Zellen stimulieren und damit die Immunantwort massiv unterhalten. Dieses Phänomen wird als ein wichtiger Faktor für die Ausprägung und Chronizität der Hautentzündung bei Neurodermitis angesehen.
Niebuhr et al. konnten zeigen, dass zwei der näher untersuchten Virulenzfaktoren von S. aureus, das Superantigen B und das α-Hämolysin, in der Lage sind, sowohl sogenannte Memory-T-Lymphozyten zur Produktion von IL-22 anzuregen und damit die Immunantwort in Richtung der TH-22-Inflammation zu verändern als auch bereits bestehende TH-22-Lymphozyten zu einer verstärkten Aktivität und damit deutlicheren Ausprägung der TH-22-Immunantwort zu stimulieren. Diese Eigenschaft scheint unabhängig von der Herkunft der verwendeten T-Zellen zu sein, da die Versuche für Lymphozyten von Neurodermitis- und Psoriasis-Patienten ähnliche Ergebnisse erbrachten.
An der Arbeit von Niebuhr et al. muss kritisiert werden, dass die dargestellten Untersuchungen unabhängig von Antigenen durchgeführt wurden. Während bei der Psoriasis bislang kein pathogenetisch relevantes (Auto-)Antigen identifiziert wurde, ist gerade bei erwachsenen Patienten mit Neurodermitis eine Vielzahl von allergenspezifischen T-Zellen im Blut oder in der Haut der Patienten zu finden (z.B. Der-p1-spezifische T-Zellen). Untersuchungen zur Antigenabhängigkeit der IL-22-Produktion würden eine wichtige Rolle im Entzündungsprozess der Haut gerade bei Neurodermitis erhellen. Diese antigenabhängige Immunantwort würde dann durch Toxine von S. aureus in ihrer Ausprägung amplifiziert werden.
Fazit
Neben den etablierten T-zellulären Immunantworten vom TH-1-, TH-2-, TH-10- (TH-reg-) und TH-17-Typ rückt die vom Interleukin IL-22 dominierte TH-22-Immunantwort zunehmend in den Fokus der Analyse von T-Zell-Untergruppen bei chronisch entzündlichen Hauterkrankungen. Diese TH-22-Immunantwort lässt sich, wie andere Immunantworten auch, sehr stark durch Toxine von S. aureus stimulieren. Weiterführende Untersuchungen sind in Arbeit, um die Signaturen der jeweiligen Immunantworten bei unterschiedlichen entzündlichen Hauterkrankungen herauszufinden und eine gezielte Intervention zu ermöglichen.