Abstract
Hintergrund: Psoriasis ist eine häufige, chronische, immunvermittelte Krankheit, die durch Wechselwirkungen zwischen genetischem Hintergrund und exogenen auslösenden Faktoren wie Stress oder Infektionen hervorgerufen wird. Informationen über die Auswirkungen von Impfstoffstimuli auf den Verlauf der Psoriasis liegen bisher nur in äußerst begrenztem Umfang vor.Ziel: Anlegen einer Fallsammlung von Psoriasis-Schüben nach Impfungen mittels einer landesweiten Erhebung.Methoden: Wir untersuchten Fälle von Psoriasis-Erstmanifestationen und -Schüben, die innerhalb von 3 Monaten nach der monovalenten H1N1-/saisonalen Impfung 2009 im Rahmen der Impfkampagne der Grippesaison 2009/2010 in Frankreich auftraten.Ergebnisse: Gemeldet wurden 10 Patienten - 6 männlich, 4 weiblich; Altersmedian 44 Jahre (Bereich 9-88 Jahre) -, die im Median 8 Tage nach der Impfung zum ersten Mal eine Psoriasis (n = 7) bzw. eine Verschlechterung einer zuvor diagnostizierten Psoriasis (n = 3) zeigten. Bei 9 der 10 Patienten lag ein gemischter klinischer Phänotyp aus Psoriasis guttata und Plaque-Form vor; bei 1 traten 2 aufeinanderfolgende Schübe generalisierter Psoriasis pustulosa (GPP) nach 2 Injektionen unterschiedlicher Impfstoffe auf.Schlussfolgerung: Die kurze Zeitspanne zwischen Vakzination und Auftreten der Psoriasis-Schübe, das Fehlen sonstiger Auslöser und die Schubsequenz nach 2 unterschiedlichen Impfstoffen bei einem GPP-Patienten deuten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der monovalenten H1N1-/saisonalen Vakzination 2009 und den Psoriasis-Schüben in den erfassten Fällen hin. Dessen ungeachtet unterstreicht die wahrscheinlich außerordentlich niedrige Inzidenz von Psoriasis-Schüben nach Impfungen das gute Sicherheitsprofil und die Bedeutung von Impfstrategien bei Psoriasis-Patienten, insbesondere bei Kandidaten für eine immunsuppressive Therapie.Übersetzung aus Dermatology 2014;229:130-135 (DOI: 10.1159/000362808)
Originalartikel
National Survey of Psoriasis Flares after 2009 Monovalent H1N1/Seasonal Vaccines
Emilie Sbidiana-c Pirayeh Eftekahrid Manuelle Viguiere,f Liliane Larochek Olivier Chosidowa-c Pierre Gosselinl Fabienne Trouchem Nathalie Bonnetn Catherine Arfio Florence Tubachg-i Hervé Bacheleze,f,j für die Groupe de Recherche sur le Psoriasis der French Society for Dermatology und des Syndicat National des Dermatologues-Vénéréologues
aService de Dermatologie, Hôpital Henri-Mondor, AP-HP, Créteil, Frankreich; bUFR de Médecine, Université Paris-Est Créteil, Créteil, Frankreich; cINSERM, Centre d'Investigation Clinique 006, Hôpital Henri-Mondor, AP-HP, Créteil, Frankreich; dCentre de Pharmacovigilance, Hôpital Fernand-Widal, AP-HP, Paris, Frankreich; eService de Dermatologie, Hôpital Saint-Louis, AP-HP, Paris, Frankreich; fSorbonne Paris Cité, Université Paris Diderot, Paris, Frankreich; gDépartement d'Epidémiologie et Recherche Clinique, Hôpital Bichat, AP-HP, Paris, Frankreich; hUFR de Médecine, Université Paris Diderot, Sorbonne Paris Cité, Paris, Frankreich; iCIE 801, INSERM, Paris, Frankreich; jInstitut Imagine, Hôpital Necker-Enfants Malades, AP-HP, Paris, Frankreich; kDepartment of Dermatology, Hôpital Avicenne, AP-HP, Bobigny, Frankreich; lDermatologist, Bayonne, Frankreich; mDermatologist, Rodez, Frankreich; nService de Dermatologie, Hôpital Nord, Marseille, Frankreich; oDermatologist, Issy-les-Moulineaux, Frankreich
Transfer in die Praxis
Ein klassischer Trigger-Faktor der Psoriasis sind Infektionen. Epidemiologisch besteht beispielsweise ein relativ enger Zusammenhang zwischen Psoriasis guttata und Infektionen mit beta-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A. Der Einfluss von Impfungen - als Immunstimulanzien - auf den Beginn oder den Verlauf der Psoriasis ist bisher nicht ausreichend untersucht. Vor allem Patienten mit antipsoriatischer Systemtherapie sollten einen ausreichenden Impfschutz besitzen. Ein relevanter Anteil der Psoriasis-Patienten befürchtet aber, dass sich die Erkrankung durch eine Impfung verschlechtern könnte. In Ermangelung belegbarer Daten können auch Ärzte dieses theoretische Risiko nicht genauer einschätzen bzw. dem Patienten fundiert vermitteln. Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema sind daher sehr begrüßenswert und hilfreich für die Praxis.
In der hier kommentierten retrospektiven Datenerhebung von Sbidian et al., die per Fragebogen unter rund 3000 französischen Dermatologen erfolgte, wurden insgesamt 10 Fälle von neu aufgetretener oder verschlechterter Psoriasis nach einer Grippeschutzimpfung 2009/2010 erfasst. In 7 Fällen trat erstmalig eine Psoriasis guttata/vulgaris auf; in 3 Fällen verschlechterte sich eine bestehende Psoriasis vulgaris bzw. generalisierte pustulöse Psoriasis deutlich im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Grippeschutzimpfung. Andere Trigger-Faktoren (Infektionen, Medikamente, psychischer Stress usw.) lagen jeweils nicht vor.
Fazit
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurden in der hier vorgestellten Studie nicht alle Fälle des untersuchten Zeitraums erfasst. Dennoch lassen sich aus den Ergebnissen verschiedene wichtige Erkenntnisse ziehen:
- Die Grippeschutzimpfung kann offensichtlich die Erstmanifestation oder die Verschlechterung einer Psoriasis guttata/vulgaris triggern, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit hierfür wohl sehr gering. Dass Impfungen Psoriasis-Arthritis in gewissem Umfang triggern können, wurde bereits in einer früheren Studie für Röteln- und Tetanus-Impfungen gezeigt [1].
- Alle hier berichteten Fälle einer erstmalig aufgetretenen Psoriasis nach einer Grippeschutzimpfung heilten unter Therapie komplett ab und rezidivierten im Beobachtungszeitraum nicht.
- Möglicherweise ist das individuelle Risiko, eine Verschlechterung nach Impfungen zu erleiden, bei Patienten mit einer generalisierten pustulösen Psoriasis höher. Ein Zusammenhang mit Variationen im IL-36-Signalweg ist denkbar.
- Der Anteil der Patienten mit Psoriasis, die sich gegen die saisonale Influenza impfen lassen, ist im Vergleich zur übrigen Bevölkerung geringer. Dies zeigte auch eine relativ aktuelle Querschnittserhebung in Deutschland [2]. Besonders Patienten mit immunsuppressiver Therapie sollten aus meiner und der Sicht weiterer Kollegen jedoch jährlich eine saisonale Influenza-Impfung erhalten [3].