Abstract
Einleitung: Das primär dermale Melanom (PDM) ist eine kürzlich beschriebene klinische Entität und für weniger als 1% aller Melanome verantwortlich. Histologisch ist es in der Dermis oder im Subkutangewebe lokalisiert. Es zeigt keine Verbindung zur darüber liegenden Epidermis. Die Differentialdiagnose erfolgt prinzipiell zusammen mit der des metastasierten kutanen Melanoms. Fallbericht: Eine 72-jährige europäischstämmige Frau mit multiplen Krebserkrankungen in der Vorgeschichte (metachrones bilaterales Mammakarzinom, Meningeom, klarzelliges Nierenzellkarzinom, uterine Fibromatose und intestinale adenomatöse Polyposis) wurde mit einer nodulären Läsion auf dem Rücken vorstellig. Nach Entfernung der Läsion zeigte der histologische Befund ein malignes PDM oder ein metastasiertes malignes Melanom. Bei der klinischen und instrumentellen Beurteilung der Patientin fand sich kein anderer Primärtumor, was auf die primitive Natur der Läsion hindeutete. Das Fehlen einer epithelialen Komponente sprach für die histologische Diagnose eines PDM. Anschließend erfolgte eine weiträumige chirurgische Exzision mit Sentinel-Lymphknotenbiopsie, die positiv für ein metastasiertes Melanom ausfiel. Schließlich wurde der Mutationsstatus der wichtigsten Gene, die die Proliferation, Apoptose und Zellalterung steuern, untersucht. In den Genen CDKN2A, BRAF, NRAS, KRAS, cKIT, TP53 und PTEN wurden keine pathogenen Mutationen nachgewiesen. Dies lässt vermuten, dass andere Signalwege und Veränderungen mit niedriger Frequenz daran beteiligt sind. Schlussfolgerungen: Die Differenzialdiagnose zwischen PDM und einer isolierten Melanommetastase basiert auf der Negativität von bildgebender Diagnostik und klinischen Befunden hinsichtlich anderer Primärläsionen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die 5-Jahres-Überlebensraten in solchen Fällen höher sind als in Fällen mit Metastasierung (80-100% vs. 5-20%).
Einleitung
Man nimmt an, dass es sich beim primär dermalen Melanom (PDM) um einen speziellen Subtyp des Melanoms handelt [1,2]. Eine solche Hautläsion ist auf die Dermis und/oder das subkutane Fettgewebe begrenzt. Sie weist keine Verbindungen zur darüber liegenden Epidermis auf und gleicht einer Melanommetastase [1]. Ein PDM muss vom primär nodulären Melanom, dem metastasierten kutanen Melanom sowie dem Klarzellsarkom abgegrenzt werden, da es im Vergleich zu diesen Erkrankungen eine ausgezeichnete Prognose besitzt [2,3,4]. Allgemein ist bei allen Patienten mit einem auf die Dermis und das Subkutangewebe begrenzten solitären Melanom die Diagnose eines PDM in Betracht zu ziehen, wenn nach entsprechenden Staging-Untersuchungen keine Hinweise auf einen Primärtumor oder eine Erkrankung an anderen Körperstellen vorliegen. Die Inzidenz dieser seltenen klinischen Entität liegt den Angaben in der Literatur zufolge zwischen 0,4 und 0,9% [3].
Bei den Hauptwegen, die bei der Melanomgenese eine Rolle spielen - Signalwege, die die Zellprolilferation induzieren (proliferative Signalwege), solche, die Zellalterung überwinden (Seneszenzsignalwege), oder solche, die die Apoptose beeinflussen (apoptotische Signalwege) -, zeigte die molekulare Charakterisierung von PDM-Läsionen erniedrigte Expressionslevel der p53- und Cyclin-D1-Proteine [3] sowie eine Hochregulation des cKIT-Gens [4].
Wir berichten einen Fall von PDM bei einer 72-jährigen kaukasischen Frau mit einer speziellen Vorgeschichte von multiplen Malignomen. Eine molekulare Charakterisierung der Läsion wurde durchgeführt.
Fallbericht
Eine 72-jährige kaukasische Frau stellte sich mit einer rot-violetten, rechts paravertebral gelegenen nodulären Läsion am Rücken vor, die einige fokale Pigmentierungen sowie einen kleinen halbmondförmigen Bereich mit bräunlicher Pigmentierung aufwies (Abb. 1a). Die Patientin konnte keine Angaben zum erstmaligen Auftreten der Läsion machen. Zu den Differenzialdiagnosen im vorliegenden Fall gehörten Basalzellkarzinom, malignes Melanom, Gefäßläsionen, epidermoides Karzinom und Dermatofibrom.
Dermaler PDM-Knoten am Stamm. a Klinische Merkmale. b Hämatoxylin-Eosin-gefärbter Tumorschnitt (× 20).
Dermaler PDM-Knoten am Stamm. a Klinische Merkmale. b Hämatoxylin-Eosin-gefärbter Tumorschnitt (× 20).
Die klinische Vorgeschichte der Patientin war durch multiple Tumoren gekennzeichnet und umfasste ein bilaterales metachrones Mammakarzinom (behandelt mit bilateraler Mastektomie und axillärer Lymphadenektomie), ein klarzelliges Nierenzellkarzinom, eine uterine Fibromatose und eine intestinale Polyposis mit niedrig- und hochgradiger Dysplasie. Obwohl der makroskopische Aspekt für ein pigmentiertes Basalzellkarzinom sprach, entschieden wir uns für eine Exzisionsbiopsie mit 2 mm Rand, da das Risiko bestand, dass es sich um eine melanozytäre Läsion handelte.
Die Gewebeprobe der Hautläsion zeigte eine schlecht differenzierte neoplastische dermale Infiltration mit morphologischen Aspekten einer melanozytären Proliferation (Abb. 1b). Die Tumorzellen wiesen runde oder ovale Formen und eine rege mitotische Aktivität auf; ihre Anordnung war nodulär mit abgerundeten Rändern. Eine lymphozytäre und plasmazelluläre Infiltration der Läsion ohne Bildung lymphoider Knoten war zu beobachten. Eine intraepidermale Komponente oder Ulzeration und regressive Aspekte ließen sich, auch bei Untersuchung mehrerer Schnitte, nicht erkennen; ebenso wenig waren ein präexistenter Nävus, neoplastische Spindelzellen oder Bänder reifen interzellulären Kollagens nachweisbar. Zwischen der dermalen Neoplasie und der darüber liegenden Epidermis zeigte sich eine deutliche Grenzzone. Die neoplastischen Zellen wiesen immunhistochemische Eigenschaften vom melanozytären Typ auf (S100-Protein und HMB-45-positiv). Der unter Verwendung von MiB 1 beurteilte Proliferationsindex lag bei 25%.
Der histopathologische Bericht ließ sich wie folgt zusammenfassen: «malignes Melanom (Dicke 2 mm); das Fehlen intraepidermaler atypischer Melanozyten ist vereinbar mit einem metastasierten malignen Melanom oder PDM». Ein desmoplastisches Melanom wurde anhand der zytologischen Untersuchung und wegen der fehlenden desmoplastischen Reaktion ausgeschlossen, während ein noduläres Melanom aufgrund der fehlenden intraepidermalen Komponente ausgeschlossen wurde. Zum Nachweis einer möglichen Primärläsion wurden folgende Untersuchungen durchgeführt: dermatologische Untersuchung, Ganzkörper-CT, ophthalmologische Untersuchung, Pankoloskopie, Hals-, Nasen-, Ohrenuntersuchung, Ösophagogastroduodenoskopie sowie gynäkologische Untersuchung. Ein anderes primäres Melanom wurde nicht gefunden, allerdings wurde parallel ein frontales Meningeom festgestellt. Wegen des Fehlens einer anderen primären Läsion stellten wir die Diagnose PDM nach dem Ausschlussverfahren.
Der zweite chirurgische Schritt beinhaltete die Exzision der Biopsienarbe mit 2 cm Rand und eine Sentinel-Lymphknotenbiopsie. Die präoperative Lymphszintigraphie zeigte drei Bereiche mit Aktivitätsanreicherung - zwei von ihnen mit Beteiligung des Weichteilgewebes auf der Ebene der hinteren Axillarlinie beider Axillen und eine links paravertebral in Nachbarschaft zum vorherigen Operationsgebiet. Im letztgenannten Bereich wurde jedoch nur ein einzelner Sentinel-Lymphknoten mit einer Melanommikrometastase gefunden.
Zur Untersuchung der Bereiche mit Aktivitätsanreicherung in der Lymphszintigraphie wurde eine bilaterale Ultraschalluntersuchung der Axillen durchgeführt. Anschließend erfolgte ein weiterer chirurgischer Eingriff zur Entfernung eines Lymphknotens mit nicht eindeutigen sonographischen Merkmalen im Restfettgewebe der linken Axilla (die Patientin hatte einige Jahre zuvor eine ipsilaterale axilläre Lymphadenektomie wegen des Mammakarzinoms erhalten). Die histologische Untersuchung der Gewebeprobe zeigte Fettgewebe sowie einen Lymphknoten mit reaktiven Mustern. Die Patientin lebt und ist seit der Diagnose 14 Monaten krankheitsfrei.
Mutationsanalyse
An der Entwicklung eines Melanoms sind verschiedene Signalwege beteiligt [5]. Berichten zufolge tragen Melanome an Hautstellen, die nicht dauerhaft der Sonne ausgesetzt sind - wie die anatomische Lokalisation der Hautläsion in unserem Fall - gewöhnlich ein mutiertes NRAS-Gen oder ein mutiertes BRAF-Gen oder gleichzeitig mutierte BRAF- und PTEN-Gene [6]. Zudem war das gleichzeitige Vorliegen zusätzlicher Tumoren bei unserer Patientin eine starke Indikation für eine Untersuchung der CDKN2A- und TP53-Gene, die nachweislich an der Prädisposition und Pathogenese zahlreicher Krebsarten beteiligt sind [7], oder für eine Untersuchung auf das Auftreten der E318K-Sequenzvariation im MITF(microphthalmia-associated transcription factor)-Onkogen, die bei Patienten berichtet wurde, bei denen es einen Zusammenhang zwischen Melanom und Nierenkarzinom gab [8]. Schließlich erfolgte eine Mutationsanalyse im cKIT-Gen, von dem eine Beteiligung an der Pathogenese des PDM bekannt ist [4]. Aus einer peripheren Blutprobe und Tumorgewebe wurde unter Verwendung von Standardmethoden genomische DNA isoliert. Die vollständigen Kodierungssequenzen und Spleißstellen der Gene p16CDKN2A (Exons 1α, 2 und 3), p14CDKN2A (Exon 1β) und PTEN (Exons 1-9) sowie die am häufigsten betroffenen Exons der Gene NRAS/KRAS (2-3), BRAF (15), cKIT (9, 11, 13, 17 und 18) und TP53 (5-8) wurden auf Mutationen der somatischen DNA untersucht, die aus in Paraffin eingebetteten Tumorgewebeproben isoliert worden war. Die Untersuchung erfolgte durch direkte Sequenzierung der amplifizierten PCR-Produkte in einem automatischen Fluoreszenzzyklus-DNA-Sequencer (ABI PRISM 3130, Applied Biosystems, Foster City, CA, USA). Für die Gene p16CDKN2A, p14CDKN2A und MITF erfolgte zudem eine Mutationsanalyse an Keimbahn-DNA aus dem peripheren Blut der Patientin, wie zuvor beschrieben [8,9].
In den für die Melanomempfänglichkeit und -pathogenese entscheidenden Genen wurde keine Mutation gefunden. Berichten zufolge sind insbesondere Veränderungen des CDKN2A-Gens, das für p16CDKN2A, die wichtigste Komponente des CyclinD1-RB-Signalwegs, sowie für p14CDKN2A, das funktionell mit dem MDM2-p53-Signalweg verbunden ist, kodiert, die häufigsten Ursachen der erblichen Melanomempfänglichkeit auf Keimbahnebene und auch an der Melanomprogression auf somatischer Ebene beteiligt [10,11]. Das Fehlen von TP53-Mutationen in Melanomzellen aus den Gewebeproben unserer Patientin steht im Einklang mit der fehlenden Beteiligung sowohl der p16CDKN2A-Cyclin D1-RB- als auch der p14CDKN2A-MDM2-TP53-Kaskaden an der Pathogenese dieser Läsionen. Entsprechend war die Aktivierung sowohl des MAPK-ERK-Signalweges (einschließlich der Kaskade der NRAS/KRAS-, BRAF-, MEK1/2- und ERK1/2-Proteine), einer wichtigen Signalkaskade für die Kontrolle von Zellwachstum und -proliferation, als auch des PTEN-abhängigen Signalwegs (einschließlich der Effektoren PI3K- und AKT), der für die Steuerung von Überleben und Apoptose der Zelle wichtig ist, in unserem Fall nicht an der malignen Transformation beteiligt. Als weitere Bestätigung, dass in unserem PDM-Fall genetische Veränderungen in diesen wichtigen Signalwegen bei der Pathogenese keine Rolle spielten, wurde eine cKIT-Wildtypvariante sowie das Fehlen der MITF E318K-Variante nachgewiesen (das cKIT-Gen rekrutiert und aktiviert eine Reihe von intrazellulären Signalwegen, die an der melanozytären Transformation und Progression beteiligt sind, einschließlich der PI3K-AKT- und MAPK-Signalwege [12]). Daher ist zu vermuten, dass die Kaskade an Veränderungen, die der Melanomgenese zugrunde liegen, bei unserer Patientin durch andere niedrigfrequente genetische und molekulare Ereignisse bedingt war.
Diskussion
Eine dermale oder subkutane Melanommetastase unbekannten primären Ursprungs wird gemäß den Staging-Leitlinien des AJCC (American Joint Committee on Cancer) 2002 als Erkrankung im Stadium IV M1a klassifiziert und hat eine schlechte Prognose (5-Jahres-Überlebensrate 18,8%). Allerdings wurde eine kleine Reihe dermaler oder subkutaner Solitärläsionen mit einheitlich besseren Rezidiv- und Überlebensraten (je nach Dicke und Vorliegen einer Ulzeration) berichtet. Im Jahr 2004 berichteten Swetter et al. [1] eine Serie von 5 Patienten mit derartigen Läsionen; sie vermuteten, dass es sich dabei um Fälle eines eigenen Melanomsubtyps handelte, der als primär dermales Melanom bezeichnet werden sollte. Es ist daher äußerst wichtig zwischen dem PDM und einem solitären dermalen Melanom oder einer subkutanen Melanommetastase zu unterscheiden.
Hinsichtlich der Pathogenese des PDM wurden verschiedene Hypothesen vorgeschlagen. Einige Autoren nehmen an, dass der Tumor aus nichtepidermalen Melanozyten oder intradermalen Nävi entsteht, während andere der Ansicht sind, es handele sich um einen epidermal zurückgebildeten Primärtumor [13,14]. Obwohl Belege zugunsten beider Theorien vorliegen, ist keine von ihnen abschließend bewiesen worden. Aufgrund der Seltenheit von PDM und der geringen Anzahl berichteter Fälle sind die Daten zur Demographie und zu den am häufigsten betroffenen anatomischen Körperstellen inkonsistent. Zudem ist der Einfluss dieser Faktoren auf die Prognose nicht bekannt. Lee et al. [15] fanden in einer Serie von 101 solitären dermalen Melanomen keine auf die betroffene Körperstelle bezogenen Unterschiede, was die allgemein bessere Prognose dieser Tumoren erklären könnte.
Aus klinischer Sicht sollten eine gründliche dermatologische Untersuchung der Haut und der sichtbaren Schleimhäute sowie eine gynäkologische und ophthalmologische Untersuchung, eine Pankoloskopie und ein Ganzkörper-CT erfolgen, um verborgene Primärtumoren zu finden und möglichst auszuschließen. Die Bedeutung der Sentinel-Lymphknotenbiopsie im klinischen Management ist noch nicht klar; sie scheint jedoch für den Nachweis von Mikrometastasen, wie in unserem Fall, hilfreich zu sein. Da derartige Melanome ein bestimmtes genetisches Muster zeigen können, nahmen wir auch eine genetische Analyse vor. Die Patientin hatte außerdem multiple Malignome in der Vorgeschichte und damit mögliche Hinweise für eine genetische Prädisposition.
Die sowohl auf Keimbahnebene als auch auf somatischer Ebene durchgeführte genetische Analyse ergab, dass die wichtigsten Gene für die Melanomempfänglichkeit bzw. -pathogenese bei unserer Patientin nicht betroffen waren. Dies lässt eine Beteiligung anderer Genveränderungen mit niedriger Frequenz oder anderer Signalwege vermuten. Ein umfassenderes genetisches Profiling mittels Microarray-Technologie ist für die Herstellung von Korrelationen zwischen molekularen Signaturen und klinischen Merkmalen hilfreich; bislang wurden zur Klassifizierung solcher Melanome Genexpressions-Arrays eingesetzt [16]. Die Fortschritte in der Biotechnologie, hauptsächlich in Form von Sequenzierungsmethoden der nächsten Generation [17], werden jedoch noch zuverlässigere Werkzeuge für detaillierte genbasierte Analysen liefern. Diese werden den Ärzten eine bessere Charakterisierung molekularer Biomarker ermöglichen, um zu einer genaueren Diagnose und Vorhersage von Prognose und therapeutischem Ansprechen von Patienten mit Melanom zu gelangen.
Schlussfolgerungen
Die Differenzialdiagnose zwischen PDM und einer isolierten Melanommetastase erfolgt im Allgemeinen nach dem Ausschlussverfahren und basiert auf der Negativität von klinischen Befunden und bildgebender Diagnostik hinsichtlich anderer Primärläsionen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die 5-Jahres-Überlebensraten bei PDM einheitlich höher sind als in Fällen mit Metastasierung (80-100% vs. 5-20%).
Disclosure Statement
Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.