Zusammenfassung
Atopische Dermatitis (AD) ist eine weit verbreitete entzündliche Hauterkrankung, die durch chronische Entzündung, eine gestörte Hautbarriere und mikrobielle Dysbiose gekennzeichnet ist, wobei Staphylococcus aureus eine wichtige Rolle in der Pathogenese spielt. Diese Übersichtsarbeit untersucht die Stammvielfalt und Mikroevolution von S. aureus bei AD-Patienten und zeigt, wie sich bestimmte Stämme an das veränderte Hautmilieu anpassen und die Erkrankung verschlimmern. Die Übersichtsarbeit unterstreicht die Bedeutung der Variation spezifischer funktioneller Gene bei S. aureus-Stämmen, die ihre Fähigkeit zur Anpassung an unterschiedliche Mikroumgebungen verbessert und ihr pathogenes Potenzial prägt. Darüber hinaus wird diskutiert, wie mobile genetische Elemente, insbesondere Prophagen, zur genetischen Diversität beitragen und die Virulenz und Antibiotikaresistenz von S. aureus bei AD fördern. Die klinischen Herausforderungen, die diese stammspezifischen Faktoren für die Behandlung der Krankheit darstellen, werden hervorgehoben. Die Arbeit plädiert für die Integration fortgeschrittener Genomikinstrumente wie vollständige Genomsequenzierung und maschinelles Lernen, um zielgerichtete Therapien zu entwickeln. Durch die Fokussierung auf die genetische Anpassungsfähigkeit von S. aureus und ihre Auswirkungen auf die AD unterstreicht diese Übersichtsarbeit den Bedarf an stammspezifischer Diagnostik und personalisierten Behandlungsstrategien, um die Ergebnisse für die Patienten zu verbessern.
Einführung,
Staphylococcus aureus ist ein äußerst anpassungsfähiges und vielseitiges Bakterium, das für seine Fähigkeit bekannt ist, ein breites Spektrum von Wirten zu kolonisieren, darunter Menschen [1], Nutz- und Haustiere [2, 3], was auf eine mögliche Übertragung zwischen verschiedenen Arten hindeutet. Das Bakterium wurde auch unter verschiedenen Umweltbedingungen nachgewiesen [4]. Dieses Bakterium hat eine lange evolutionäre Geschichte als kommensaler und opportunistischer Krankheitserreger, was seine bemerkenswerte Fähigkeit widerspiegelt, in verschiedenen ökologischen Nischen zu gedeihen. Beim Menschen ist S. aureus ein kommensales Bakterium, das die Nase, das Ohr und die Haut von etwa 20–30% der Bevölkerung besiedelt [1]. Sein Vorkommen ist jedoch nicht rein neutral. S. aureus wird auch mit verschiedenen atopischen Erkrankungen wie der atopischen Dermatitis (AD) [5] und dem nasalen Heuschnupfen [6] in Verbindung gebracht. Dies zeigt seine doppelte Rolle für die menschliche Gesundheit, sowohl als harmloser Bewohner als auch als potenzieller Auslöser allergischer Reaktionen.
Die Fähigkeit von S. aureus, in einem so breiten Spektrum von Umgebungen und Wirten zu existieren, wirft wichtige Fragen über seine genetische Anpassungsfähigkeit auf: Bietet das Kerngenom von S. aureus, das Gene enthält, die allen Stämmen gemeinsam sind, die nötige Flexibilität zur Anpassung und phänotypischen Veränderung in verschiedenen ökologischen Nischen? Oder ist es möglich, dass das Pangenom, das den gesamten Satz von Genen der verschiedenen S. aureus-Stämme enthält, es bestimmten Stämmen ermöglicht, verschiedene Nischen zu besiedeln? Im Zusammenhang mit AD zum Beispiel können die betroffenen Hautpartien als eine spezielle Umgebung mit erhöhtem Selektionsdruck betrachtet werden, die die Evolution von S. aureus begünstigen könnte [7, 8]. Daher wird das Verständnis der treibenden Kräfte der Mikroevolution von S. aureus unser Verständnis der kommensalen oder pathogenen Natur der Stämme verbessern und eine genauere Identifizierung der pathogenen Stämme ermöglichen, was die Entwicklung neuer Therapien für AD-Patienten in der Zukunft erleichtern könnte.
In dieser Arbeit fassen wir den aktuellen Wissensstand zur Stammdiversifizierung von S. aureus bei AD-Patienten zusammen und plädieren für eine stammspezifische Identifizierung von S. aureus auch zu diagnostischen Zwecken.
Diskussion
Prävalenz von Staphylococcus aureus bei Patienten mit AD
AD ist weltweit ein bedeutendes klinisches und gesundheitspolitisches Problem, das durch chronische Entzündung, starken Juckreiz und eine beeinträchtigte Hautbarriere gekennzeichnet ist [9]. Die globale Prävalenz von AD hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen und betrifft weltweit mehr als 20% der Kinder und 10% der Erwachsenen [10]. Nach den Daten der Global Burden of Diseases 2019 gibt es weltweit 171 Millionen Fälle von AD, wobei die Prävalenz seit 1990 (133 Millionen) um 28,6% gestiegen ist und eine starke Korrelation mit der sozioökonomischen Entwicklung besteht [11]. Dieser Anstieg unterstreicht nicht nur den dringenden Bedarf an wirksamen Behandlungsstrategien, sondern auch die multifaktorielle Natur der AD, die von genetischen, immunologischen, psychologischen und Umweltfaktoren wie dem Mikrobiom der Haut beeinflusst wird [12].
Die Rolle von S. aureus steht im Mittelpunkt der Diskussion über die Pathologie der AD. Während S. aureus oft harmlos mit seinem Wirt koexistiert, ist seine Kolonisierung bei AD-Patienten nicht nur weit verbreitet, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Verschlimmerung der Krankheit. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Kolonisationsrate von S. aureus bei AD-Patienten deutlich höher ist als bei gesunden Personen [13‒15]. Die Hauptquelle der S. aureus-Kontamination bei AD-Patienten ist die Autokolonisation aus den Nasengängen [11], die sich durch direkten Kontakt auf die Haut ausbreitet, insbesondere in Bereichen mit einer gestörten Hautbarriere. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass bis zu 70–90% der AD-Patienten mit S. aureus auf der Haut der Läsionen kolonisiert sind, im Gegensatz zu 20–30% der gesunden Personen, die mit S. aureus in der Nase kolonisiert sind [16, 17]. Diese erhöhte Prävalenz ist nicht auf die läsionale Haut beschränkt, auch die nichtläsionale Haut von AD-Patienten weist erhöhte Kolonisationsraten auf [17, 18]. AD tritt häufiger und in schwererer Form bei Kindern auf, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern im Alter von 5 bis 9 Jahren, während die Prävalenz bei Erwachsenen geringer ist und die Symptome mit zunehmendem Alter stärker lokalisiert sind. Bei pädiatrischen AD-Patienten liegt die Prävalenz der nasalen Kolonisierung mit S. aureus zwischen 46,4% und 82,2% im Vergleich zu 19,4% und 34,1% bei Kontrollpersonen, während die nasale Kolonisierungsrate bei Erwachsenen mit AD zwischen 62,0% und 69,8% liegt [19]. Bei der Kolonisierung der Haut nimmt die Rate für S. aureus bei AD-Patienten mit dem Alter zu, mit Kolonisierungsraten von 50% bei Säuglingen, 80% bei Kindern und 87,5% bei Erwachsenen für akute Läsionen und 18,5% bei Säuglingen, 41,8% bei Kindern und 48,9% bei Erwachsenen für chronische Läsionen [20]. Diese erhöhte S. aureus-Belastung korreliert sowohl mit einer Dysbiose des Hautmikrobioms als auch mit einem erhöhten Schweregrad der Erkrankung während der Schübe [13, 14].
Pathogenetische Mechanismen von S. aureus bei AD-Patienten
Die Auswirkungen der Kolonisierung mit S. aureus auf die Symptome der AD sind tiefgreifend und komplex und umfassen die direkten Auswirkungen der bakteriellen Kolonisierung, die Auswirkungen der von S. aureus produzierten Toxine und die Induktion von Entzündungsreaktionen, die die Symptome der AD verschlimmern (Abb 1). Die abnorme Vermehrung von S. aureus bei AD führt zu einer Dysbiose des Hautmikrobioms, wodurch die mikrobielle Diversität insgesamt deutlich reduziert und die Hautbarriere geschwächt wird. Dies erhöht die Anfälligkeit gegenüber Reizstoffen, Allergenen und Krankheitserregern [21], stört die Immunantwort der Haut und verschlimmert Entzündungen [22]. Neuere Studien zeigen, dass eine frühe Barrierestörung Immunreaktionen gegen kommensale Organismen auslöst, wobei S. aureus antimikrobiell resistente Biofilme bildet, die die Biologie der Keratinozyten beeinträchtigen und zu AD-assoziierten Entzündungen beitragen [23]. Darüber hinaus wird Interleukin (IL)-9 von kutanen und extrakutanen Gedächtnis-T-Zellen in Reaktion auf verschiedene Allergene wie Hausstaubmilben und Staphylokokken-Enterotoxin B unterschiedlich produziert, was eine Stratifizierung der Patienten nach Allergensensibilisierung ermöglicht und die Schlüsselrolle von S. aureus bei der Immunpolarisation von AD-Patienten unterstreicht [24]. Genetische Mutationen, z.B. im Gen für Filaggrin, beeinträchtigen die Hautbarriere und schaffen ein günstiges Milieu für die Kolonisierung durch S. aureus [25]. Psychologische Faktoren wie Stress haben einen wichtigen Einfluss auf die Immunantwort der Haut, da stressinduzierte Neuropeptidmediatoren Immun- und Hautzellen beeinflussen, indem sie die Mastzellenaktivität und Nerveninteraktionen erhöhen [26, 27]. Es gibt jedoch nur wenige direkte Studien, die Stress mit bestimmten S. aureus-Stämmen in Verbindung bringen. Die veränderte Mikroumgebung der Haut bei AD-Patienten, einschließlich der verminderten Produktion antimikrobieller Peptide [28] und des erhöhten pH-Werts der Haut, begünstigt die Vermehrung von S. aureus auf pH-abhängige Weise [29].
Schematische Darstellung der vielfältigen Auswirkungen der Mikroevolution auf die Pathogenität von Staphylococcus aureusbei AD. Normale Haut ist klinisch intakt und weist eine ausgewogene Vielfalt an Bakterien und physiologischen Eigenschaften auf. AD-Haut zeigt eine gestörte epidermale Barriere, wie z.B. die Mutation des Filaggrin-Gens, eine reduzierte Diversität des Hautmikrobioms, einen erhöhten Wasserverlust und einen erhöhten pH-Wert. In den betroffenen Hautarealen, in denen das veränderte Mikromilieu einen starken Selektionsdruck auf bestimmte S. aureus-Stämme ausübt, vermehren sich diese Stämme und es kommt zu verstärkten Immunreaktionen: Langerhans-Zellen und inflammatorische epidermale dendritische Zellen, die ein spezifisches IgE tragen, das an den hochaffinen IgE-Rezeptor gebunden ist, sowie dermale dendritische Zellen erleichtern die Einschleusung von Allergenen und Antigenen. Die Zytokine IL-4, IL-13 und IL-31 vom Typ 2 stimulieren direkt die sensorischen Nerven, was zu Juckreiz führt. Diese Veränderungen machen die Haut von AD-Patienten anfälliger für Allergene, Reizstoffe und Krankheitserreger. Mutationen und HGT können in einigen AD-assoziierten Stämmen auftreten, was zu einer erhöhten VF-Produktion und dem Erwerb von ABR-Genen sowie genetischen Variationen führt, die eine verbesserte Adhäsion (capD-Genmutation), verbesserte metabolische Fähigkeiten (trp-Operon) und Biofilmbildung ermöglichen. Vorgeschlagene therapeutische Ansätze umfassen Phagentherapie, Probiotika und die Integration von WGS und ML zur Entwicklung zielgerichteter Behandlungen. WGS = vollständige Genomsequenzierung, ML = maschinelles Lernen, ABR = Antibiotikaresistenz, VF = Virulenzfaktor, HGT = horizontaler Gentransfer, DC = dendritische Zelle, IFN = Interferon, IL = Interleukin, ILC = lymphoide Zelle des angeborenen Immunsystems, Teff = Effektor-T-Zelle, Th = T-Helferzelle, TNF = Tumornekrosefaktor.
Schematische Darstellung der vielfältigen Auswirkungen der Mikroevolution auf die Pathogenität von Staphylococcus aureusbei AD. Normale Haut ist klinisch intakt und weist eine ausgewogene Vielfalt an Bakterien und physiologischen Eigenschaften auf. AD-Haut zeigt eine gestörte epidermale Barriere, wie z.B. die Mutation des Filaggrin-Gens, eine reduzierte Diversität des Hautmikrobioms, einen erhöhten Wasserverlust und einen erhöhten pH-Wert. In den betroffenen Hautarealen, in denen das veränderte Mikromilieu einen starken Selektionsdruck auf bestimmte S. aureus-Stämme ausübt, vermehren sich diese Stämme und es kommt zu verstärkten Immunreaktionen: Langerhans-Zellen und inflammatorische epidermale dendritische Zellen, die ein spezifisches IgE tragen, das an den hochaffinen IgE-Rezeptor gebunden ist, sowie dermale dendritische Zellen erleichtern die Einschleusung von Allergenen und Antigenen. Die Zytokine IL-4, IL-13 und IL-31 vom Typ 2 stimulieren direkt die sensorischen Nerven, was zu Juckreiz führt. Diese Veränderungen machen die Haut von AD-Patienten anfälliger für Allergene, Reizstoffe und Krankheitserreger. Mutationen und HGT können in einigen AD-assoziierten Stämmen auftreten, was zu einer erhöhten VF-Produktion und dem Erwerb von ABR-Genen sowie genetischen Variationen führt, die eine verbesserte Adhäsion (capD-Genmutation), verbesserte metabolische Fähigkeiten (trp-Operon) und Biofilmbildung ermöglichen. Vorgeschlagene therapeutische Ansätze umfassen Phagentherapie, Probiotika und die Integration von WGS und ML zur Entwicklung zielgerichteter Behandlungen. WGS = vollständige Genomsequenzierung, ML = maschinelles Lernen, ABR = Antibiotikaresistenz, VF = Virulenzfaktor, HGT = horizontaler Gentransfer, DC = dendritische Zelle, IFN = Interferon, IL = Interleukin, ILC = lymphoide Zelle des angeborenen Immunsystems, Teff = Effektor-T-Zelle, Th = T-Helferzelle, TNF = Tumornekrosefaktor.
S. aureus bindet effektiver an die AD-Haut aufgrund spezifischer Rezeptoren und Bindungsproteine wie fibronektin- und fibrinogenbindende Proteine, die im entzündlichen Milieu der AD hochreguliert sind [30, 31]. Einmal kolonisiert, verschlimmert S. aureus die AD durch die Produktion von Virulenzfaktoren (VF), die als Superantigene wirken und eine unverhältnismäßig starke Immunreaktion und verstärkte Entzündung auslösen [30, 32]. S. aureus sezerniert auch Enzyme wie Proteasen und Lipasen, die wichtige Proteine der Hautbarriere abbauen, die Durchlässigkeit erhöhen und das Eindringen anderer Allergene und Krankheitserreger erleichtern [33, 34]. Darüber hinaus erschwert die Fähigkeit von S. aureus, Biofilme zu bilden, die Eradikation, da Biofilme gegenüber antimikrobiellen Mitteln und Immunreaktionen des Wirts resistent sind und die Besiedlung persistiert [35]. Diese Wechselwirkungen unterstreichen die Notwendigkeit gezielter Therapien, die sowohl den Erreger als auch die Dysregulation des Immunsystems angreifen, um die AD wirksam zu behandeln.
Stammvielfalt, Mikroevolution und geografische Skala der Diversifizierung von Staphylococcus aureus
Die klinischen Auswirkungen von S. aureus bei AD werden maßgeblich durch die Stammvielfalt beeinflusst. Frühere Studien haben signifikante Unterschiede zwischen S. aureus-Stämmen von AD-Patienten und gesunden Personen gezeigt [14, 36, 37], was darauf hindeutet, dass AD-assoziierte Stämme einen Selektionsvorteil in entzündeter Haut haben. Darüber hinaus haben Studien ein hohes Maß an Stammvielfalt von S. aureus bei AD gezeigt [7, 8], wobei bestimmte Stämme oder klonale Komplexe (CC) von S. aureus, wie CC1, häufiger mit AD assoziiert sind [36, 38], was die Bedeutung der Stammvielfalt unterstreicht.
Die Vielfalt der S. aureus-Stämme erschwert die Behandlung der AD in mehrfacher Hinsicht.
1) Bestimmte Stämme können aufgrund der Sekretion stammspezifischer VF pathogener sein als andere. Das Verständnis dieser stammspezifischen Faktoren ist entscheidend für die Entwicklung gezielter Interventionen. Einige Stämme zeigen beispielsweise eine erhöhte Virulenz durch die Produktion spezifischer Toxine oder Enzyme, die die Zellwandadhäsion fördern, die Hautbarriere weiter stören oder die Immunantwort aggressiver modulieren, was zu schwereren AD-Schüben führt [25, 39]. Die Variation der Superantigene aktiviert verschiedene Untergruppen von T-Zell-Rezeptoren und verleiht S. aureus-Stämmen die einzigartige Fähigkeit, T-Zellen zu umgehen, was zu persistierenden Infektionen und chronischen Entzündungen führt [40]. 2) S. aureus-Stämme können unterschiedliche und einzigartige Antibiotikaresistenz (ABR)-Profile aufweisen, was die Bekämpfung von S. aureus, insbesondere bei der schweren entzündlichen AD, zu einer zusätzlichen Herausforderung macht. In Großbritannien fanden Forscher eine höhere Prävalenz spezifischer S. aureus-CC bei AD-Patienten, wobei mehr als 80% dieser Stämme ein Plasmid mit dem β-Lactamase-Gen trugen, das Penicillinresistenz verleiht – ein Merkmal, das in der Kontrollgruppe nicht gefunden wurde [36]. In ähnlicher Weise wiesen S. aureus-Isolate bei AD eine erhöhte Resistenz gegen Fusidinsäure auf [41], was die Behandlung von Infektionen erschwert. 3) S. aureus besitzt möglicherweise stammspezifische Funktionen oder Signalwege, die ihm einen Selektionsvorteil in der AD-Mikroumgebung verschaffen. In einer Kohortenstudie aus Japan wurde festgestellt, dass dysfunktionale Mutationen im akzessorischen Genregulationssystem (Agr) des Quorum Sensing-Systems in der HE-Gruppe (aus gesunden Individuen) häufiger vorkamen, was auf eine Produktkopplung zwischen einem funktionierenden Agr-System und AD hindeutet [42]. In einer japanischen Studie wurde festgestellt, dass nur ST97A, ein Subtyp von S. aureus, der in läsionaler AD-Haut nachgewiesen wurde, das vollständige Tryptophan-Operon (trp-Operon) besaß, was das bakterielle Überleben ohne exogenes Tryptophan auf der AD-Haut ermöglichte, wo die Spitzenwerte deutlich reduziert waren [43]. Eine kürzlich durchgeführte globale Studie zeigte, dass der adaptive Kapselverlust durch Mutationen in capD, das für die Synthese der Kapselpolysaccharide von S. aureus essenziell ist, bei AD stärker ausgeprägt ist, was die Adhäsion an die Haut von AD-Patienten erhöht [7]. Studien haben auch gezeigt, dass S. aureus-Stämme eine heterogene Siderophorenproduktion im Wirt aufweisen [44]. Im Zusammenhang mit AD könnten S. aureus-Stämme mit einer hohen Siderophorenproduktion das Hautmikrobiom dominieren, indem sie andere Bakterien mit weniger effizienten Eisenfangmechanismen verdrängen. Dieser Wettbewerbsvorteil könnte zu einer höheren relativen Häufigkeit von S. aureus bei AD-Patienten führen und die Krankheit durch sein pathogenes Potenzial verschlimmern.
Diese Ergebnisse unterstreichen die kritische Bedeutung der Variation auf Stammebene bei S. aureus und verdeutlichen die Notwendigkeit präziser und individualisierter Ansätze bei der Behandlung von AD. Darüber hinaus unterstreichen diese Ergebnisse die Notwendigkeit, die geografische Dimension bei der Untersuchung der Mechanismen der Diversifizierung von S. aureus-Stämmen zu berücksichtigen. Die meisten der beobachteten Unterschiede waren regionsspezifisch, was darauf hindeutet, dass diese Anpassungen spontan sind und nicht auf einen generellen Unterschied zwischen AD- und HE-Stämmen hindeuten. Die weitergehende Frage, ob diese genomischen Unterschiede und Anpassungen lokal oder global auftreten, bleibt offen. Darüber hinaus hat eine aktuelle Studie gezeigt, dass Patienten-Kofaktoren wie Alter, Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf die Variation haben [5]. Dies wirft wichtige Fragen auf: Inwieweit beeinflussen der Gesundheitszustand, die geografische Lage und Patienten-Kofaktoren die Diversifizierung von S. aureus? Welche Faktoren sind wichtiger? Könnten angesichts der häufigen Interaktionen zwischen Menschen, Nutz- und Haustieren diese Tiere auch als Hotspots für mikroevolutive Veränderungen dienen? Diese Fragen verdeutlichen das komplexe Zusammenspiel der Faktoren, die die Diversifizierung von S. aureus beeinflussen.
Die Rolle von Prophagen in der Anpassungsfähigkeit und Pathogenität von S. aureus
Insgesamt sind etwa 15–20% des Genoms von S. aureus durch das Vorhandensein zahlreicher mobiler genetischer Elemente (MGE) wie Plasmide, Transposons und Bakteriophagen gekennzeichnet [45]. Diese genomische Plastizität könnte einer der Hauptgründe für sein pathogenes Potenzial sein. Diese MGE erleichtern den genetischen Austausch, verleihen ihm neue metabolische Fähigkeiten und ermöglichen den raschen Erwerb von Genen, die für ABR und VF kodieren. Diese genomische Anpassungsfähigkeit ermöglicht es S. aureus, schnell auf den Selektionsdruck der Umwelt zu reagieren, was ihn zu einem gefürchteten Krankheitserreger macht.
Bakteriophagen, die für ihre Wirtsspezifität und ihr vielfältiges Repertoire an funktionellen Genen bekannt sind [46], haben einen bedeutenden Einfluss auf die bakterielle Evolution. Eingebettet in das bakterielle Genom sind Prophagen Bakteriophagen-DNA, die lytisch oder lysogen sein kann. Insbesondere lysogene Prophagen, die im Wirtsgenom ruhen, können neue Gene einführen, die die bakterielle Stoffwechselleistung verbessern und möglicherweise die Pathogenität erhöhen, was große klinische Auswirkungen hat [47]. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der primäre Mechanismus des horizontalen Gentransfers bei S. aureus die Bakteriophagen-vermittelte Transduktion ist [48]. Prophagen spielen daher eine zentrale Rolle bei der Diversifizierung und Pathogenität von S. aureus und haben einen erheblichen Einfluss auf seine genetische Diversität, Virulenz und ABR [57]. Beispielsweise tragen Prophagen des S. aureus-Sequenztyps 398 eine Reihe von Genen, die für VF kodieren, darunter eine Tyrosinrekombinase, die mit Biofilm-assoziierten Staphylokokkeninfektionen in Verbindung gebracht wird, eine ATP-abhängige Clp-Protease und das Autolysin Atl, das an der Vermittlung der Adhäsion an Wirtsgewebe beteiligt ist [49]. Trotz der Fortschritte im Verständnis der genetischen Vielfalt von S. aureus ist das Ausmaß, in dem Prophagen zu dieser genetischen Vielfalt beitragen, und ihr Zusammenhang mit dem Schweregrad der AD noch nicht ausreichend erforscht. Daher ist die Erstellung von Profilen der Prophagen in S. aureus-Stämmen von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der Beziehung zwischen der genomischen Zusammensetzung, der Phagen-getriebenen Anpassung und den daraus resultierenden phänotypischen Konsequenzen von S. aureus-Stämmen.
Zukünftige Ausrichtung von Forschung und Behandlung
AD ist eine weit verbreitete und komplexe Krankheit, die weltweit eine große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstellt. Die verschiedenen Stämme von S. aureus, die bei AD auftreten und sich in Virulenz, ABR und metabolischem Potenzial unterscheiden, erfordern fortschrittliche Forschungsmethoden und innovative Behandlungsstrategien.
Herkömmliche AD-Behandlungen wie systemische Glukokortikosteroide und Cyclosporin sind in schweren Fällen nach wie vor wirksam. Darüber hinaus werden häufig topische oder systemische Antibiotika, topische Kortikosteroide, Calcineurininhibitoren und unterstützende Optionen wie Bleichbäder oder antiseptische Waschungen empfohlen. Die häufige Anwendung von Antiseptika kann jedoch das Gleichgewicht der mikrobiellen Gemeinschaft der Haut stören und sollte daher auf bestimmte Fälle beschränkt und mit Strategien zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung eines gesunden Hautmikrobioms kombiniert werden. Inzwischen wurden neue Therapien eingeführt, darunter Biologika wie Dupilumab und Tralokinumab sowie Januskinase-Inhibitoren wie Abrocitinib, Baricitinib und Upadacitinib, die spezifische immunmodulatorische Effekte haben [50]. Die Behandlung psychischer Probleme durch Verhaltenstherapie und Psychopharmaka (z.B. Anxiolytika) kann eine zusätzliche Maßnahme darstellen.
Die vollständige Genomsequenzierung (WGS) und Technologien des maschinellen Lernens (ML) bieten neue Möglichkeiten zur Entschlüsselung der subtilen Unterschiede zwischen AD- und HE-S. aureus-Stämmen [51, 52]. WGS hat unser Verständnis der genetischen Diversität von S. aureus revolutioniert und ermöglicht eine detaillierte Charakterisierung stammspezifischer Marker sowie die Identifizierung von VF- und ABR-Genen [53]. In Kombination mit ML-Algorithmen können WGS-Daten analysiert werden, um die Pathogenität von Stämmen, ABR-Profile und potenzielle VF mit hoher Genauigkeit vorherzusagen. Dieser integrative Ansatz erleichtert die Identifizierung neuer Biomarker für S. aureus-Stämme, die spezifisch mit dem Schweregrad der AD assoziiert sind, und ermöglicht so die Entwicklung fortschrittlicherer Diagnoseinstrumente und personalisierter Behandlungsansätze. Darüber hinaus sind Isolierungstechniken mit hohem Durchsatz erforderlich, da die derzeitigen molekularen Daten möglicherweise nicht die für Analysen auf Stammebene erforderliche Auflösung aufweisen. Darüber hinaus kann die Erzeugung und Untersuchung von Mutanten wertvolle Einblicke in die Genfunktion liefern, da die Forscher die Auswirkungen spezifischer Gendeletionen oder -modifikationen beobachten können, die potenzielle Ziele für therapeutische Interventionen aufzeigen können. Um eine systematische Perspektive zu gewinnen, kann ein globaler Ansatz zur Charakterisierung von Stammvariationen und der Rolle von S. aureus bei AD in verschiedenen Populationen und Regionen wertvolle Erkenntnisse liefern. Darüber hinaus sind alternative Therapien wie Phagentherapie und Probiotika vielversprechend, um das Gleichgewicht des Hautmikrobioms wiederherzustellen [54‒56] und das Risiko einer Dysbiose im Zusammenhang mit Breitbandantibiotika zu verringern. Durch die Anwendung dieser fortschrittlichen Methoden können wir potenziell neue therapeutische Ziele oder diagnostische Marker identifizieren, die personalisierte Behandlungsansätze und die Entwicklung zielgerichteter Therapien erleichtern.
Schlussfolgerung
Zusammenfassend unterstreicht diese Übersichtsarbeit die entscheidende Rolle der Diversität von S. aureus-Stämmen und der Mikroevolution in der Pathogenese der AD. Die Variation spezifischer funktioneller Gene zwischen S. aureus-Stämmen ermöglicht es diesen Bakterien, sich an die einzigartige Mikroumgebung der von AD betroffenen Haut anzupassen, was zu ihrem erhöhten pathogenen Potenzial beiträgt. Ferner erhöht die Anwesenheit von MGE, insbesondere von Prophagen, die genetische Variabilität und Virulenz dieser Stämme, was die klinische Behandlung von AD erschwert. Die Übersichtsarbeit unterstreicht die Notwendigkeit, fortschrittliche genomische Werkzeuge wie WGS und ML zu integrieren, um die komplexen Interaktionen zwischen S. aureus und dem Wirt besser zu verstehen, was letztendlich zu einer genaueren Diagnose und personalisierten Behandlungsstrategien führen wird. Die Erforschung dieser stammspezifischen Faktoren ist entscheidend für die Entwicklung wirksamer Therapien, die auf die Ursachen der Pathogenität von S. aureus bei AD abzielen, da sie die Ergebnisse für die Patienten verbessern und die Krankheitslast verringern können.
Beiträge der Autoren
ZW: Konzeptualisierung, formale Analyse, Forschung, Methodik, Ressourcen, Software, Validierung, Visualisierung, Schreiben – erster Entwurf, Schreiben – Überprüfung und Bearbeitung. CH: Konzeption, Projektverwaltung, Ressourcen, Aufsicht, Schreiben – Überprüfung und Bearbeitung. CT-H: Konzeption, Projektverwaltung, Ressourcen, Aufsicht, Schreiben – Überprüfung und Bearbeitung. MR: Konzeption, Projektverwaltung, Ressourcen, Aufsicht, Schreiben – Überprüfung und Bearbeitung. MS: Konzeption, Mittelbeschaffung, Projektverwaltung, Ressourcen, Aufsicht, Schreiben – Überprüfung und Bearbeitung.
Finanzierung
Der/die Autor(en) erklärt/erklären, dass er/sie für die Forschung, das Schreiben und/oder die Veröffentlichung dieses Artikels finanzielle Unterstützung erhalten hat/haben. Diese Studie wurde aus internen Mitteln des Helmholtz-Zentrums München finanziert.
Disclosure Statement
Die Autoren erklären, dass die Forschung in Abwesenheit jeglicher kommerzieller oder finanzieller Beziehungen durchgeführt wurde, die als potenzieller Interessenkonflikt ausgelegt werden könnten.
Anmerkung des Herausgebers
Alle in diesem Artikel geäußerten Behauptungen sind ausschließlich die der Autoren und stellen nicht notwendigerweise die der ihnen angeschlossenen Organisationen oder die des Herausgebers, der Redakteure und der Gutachter dar. Jedes Produkt, das in diesem Artikel bewertet wird, oder jede Behauptung, die von seinem Hersteller aufgestellt wird, wird vom Herausgeber nicht garantiert oder unterstützt.
Lizenzangabe
Wang Z, Hülpüsch C, Traidl-Hoffmann C, Reiger M, Schloter M: Understanding the role of Staphylococcus aureus in atopic dermatitis: strain diversity, microevolution, and prophage influences. Front Med 2024;11:1480257. DOI: 10.3389/fmed.2024.1480257. © 2024 Wang, Hülpüsch, Traidl-Hoffmann, Reiger and Schloter (Übersetzung; Ergänzende Materialien, Beiträge der einzelnen Autoren, Finanzielle Unterstützung, Danksagungen und Abkürzungen gekürzt), lizensiert unter CC BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).