Zusammenfassung
In der Studie von Wood et al. wurde untersucht, ob Omalizumab, ein monoklonaler Anti-IgE-Antikörper, als Monotherapie bei Patientinnen und Patienten mit mehreren Nahrungsmittelallergien wirksam und sicher ist. Personen im Alter von 1 bis 55 Jahren, die gegen Erdnüsse und mindestens zwei weitere festgelegte Lebensmittel (Cashew, Milch, Ei, Walnuss, Weizen und Haselnuss) allergisch waren, wurden gescreent. Für die Teilnahme war eine Reaktion auf eine Nahrungsmittelprovokation mit maximal 100 mg Erdnussprotein und 300 mg der beiden anderen Lebensmittel erforderlich. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 2:1 eingeteilt, um entweder Omalizumab oder ein Placebo subkutan zu erhalten (Dosis basierend auf Gewicht und IgE-Werten), alle 2 bis 4 Wochen über einen Zeitraum von 16 bis 20 Wochen. Anschließend wurden die Provokationstests wiederholt. Der primäre Endpunkt war die Einnahme von mindestens 600 mg Erdnussprotein ohne dosislimitierende Symptome. Die drei wichtigsten sekundären Endpunkte waren der Verzehr von Cashew, Milch und Ei in Einzeldosen von jeweils mindestens 1000 mg ohne dosislimitierende Symptome. Die ersten 60 Teilnehmer (davon 59 Kinder oder Jugendliche), die diese erste Phase abgeschlossen hatten, wurden in eine 24-wöchige Open-Label-Verlängerung aufgenommen. Ergebnisse: Von den 462 gescreenten Personen wurden 180 randomisiert. Die analysierte Population bestand aus 177 Kindern und Jugendlichen im Alter von 1 bis 17 Jahren. Insgesamt erreichten 79 der 118 Teilnehmer (67 %), die Omalizumab erhielten, die Kriterien für den primären Endpunkt, verglichen mit 4 der 59 Teilnehmer (7 %), die ein Placebo erhielten (P<0,001). Die Ergebnisse für die wichtigsten sekundären Endpunkte waren mit denen des primären Endpunkts konsistent (Cashew: 41 % vs. 3 %; Milch: 66 % vs. 10 %; Ei: 67 % vs. 0 %; P<0,001 für alle Vergleiche). Bei den Sicherheitsendpunkten gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen, abgesehen von mehr Reaktionen an der Injektionsstelle in der Omalizumab-Gruppe. Schlussfolgerung: Bei Personen ab einem Jahr mit mehreren Nahrungsmittelallergien war die Behandlung mit Omalizumab über 16 Wochen im Vergleich zu Placebo überlegen, indem sie die Reaktionsschwelle für Erdnüsse und andere häufige Nahrungsmittelallergene erhöhte.
Abstract aus Wood RA, Togias A, Sicherer SH et al.: Omalizumab for the Treatment of Multiple Food Allergies. N Engl J Med. 2024 Mar 7;390(10):889–899.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Regina Treudler (Berlin)
Hintergrund
Nahrungsmittelallergien sind nicht selten und betreffen zum Beispiel bis zu 8% der Kinder und 10% der Erwachsenen in den USA. Viele der Betroffenen reagieren auf mehrere verschiedene Nahrungsmittel. Klinisch können zum Teil schwere anaphylaktische Reaktionen auftreten [1]. Eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität bei Nahrungsmittelallergie ist beschrieben. Bisher besteht die wesentliche Therapie in der Allergenkarenz und der bedarfsweisen Gabe von Notfallmedikamenten [1]. Die Möglichkeit einer zugelassenen Allergenimmuntherapie besteht erst seit kurzem ausschließlich für Erdnussallergiker. Insgesamt besteht ein dringender Bedarf an der Entwicklung neuer Therapieoptionen.
Bereits früher wurde - meist kasuistisch - über den erfolgreichen Einsatz von Omalizumab bei Nahrungsmittelallergien berichtet [2, 3].
In dieser Studie wurde der Einsatz von Omalizumab, einem monoklonalen IgE-Antikörper, bei Nahrungsmittelallergien untersucht. Das Medikament ist bereits für Asthma (ab 6 Jahren) sowie für Jugendliche und Erwachsene bei chronischer spontaner Urtikaria und chronischer Rhinosinusitis zugelassen.
Bei Patientinnen und Patienten mit einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie wurde eine doppelblinde, placebokontrollierte Provokationstestung auf die entsprechenden Nahrungsmittel durchgeführt. Nach einer 2:1-Randomisierung erfolgte die Therapie entweder mit Omalizumab (Dosis abhängig von Gewicht und IgE-Spiegeln) oder Placebo alle 2 bis 4 Wochen über 16 bis 20 Wochen. Primärer Endpunkt war die maximale Verträglichkeit von mindestens einer Einzeldosis von 600mg (kumulativ 1044mg) Erdnuss, sekundäre Endpunkte waren die Verträglichkeit von mindestens 1000mg (kumulativ 2044mg) der jeweils anderen Nahrungsmittel. Zusätzlich wurden Untersuchungen zur Lebensqualität und Sicherheit durchgeführt. . Die ersten 59 Teilnehmenden wurden im Rahmen einer Open-Label-Extension über weitere 24-28 Wochen behandelt.
Ergebnisse der Studie
177 von 462 gescreenten Kindern und Jugendlichen (1-17 Jahre) mit Erdnussallergie kamen in die Endauswertung. 68 in der Verumgruppe und 31 in der Placebogruppe waren auch gegen Cashew, 51 bzw. 20 gegen Ei, 41 bzw. 21 gegen Milch, 47 bzw. 31 gegen Walnuss, 17 bzw. 7 gegen Haselnuss und 12 bzw. 8 gegen Weizen allergisch. Von 118 Teilnehmenden, die Omalizumab erhielten, erreichten 67% (n=79) den primären Endpunkt der Verträglichkeit einer Einzeldosis von 600mg Erdnussprotein. Diese Daten waren signifikant besser als die Ergebnisse in der Placebo-Gruppe, in der nur 4 von 59 (7%, p<0,001) Teilnehmenden diesen Endpunkt erreichten. Signifikante Unterschiede zwischen der Omalizumab- und der Placebogruppe zeigten sich auch bei den weiteren sekundären Endpunkten Cashew (41 vs. 3%), Milch (66 vs. 10%) und Ei (67 vs. 0%). Auch bei den anderen untersuchten Lebensmitteln (weitere sekundäre Endpunkte) zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen der Omalizumab- und der Placebogruppe: Walnuss (64 vs. 13%), Haselnuss (65 vs. 14%), Weizen (75 vs. 13%).
In der Verlängerungsstudie zeigte sich, dass die Schwellendosen im Provokationstest bei den meisten Teilnehmenden gleich blieben oder anstiegen, nur bei 21% der Behandelten sanken die Schwellendosen (meist geringfügig).
Die Lebensqualität änderte sich im Studienzeitraum nicht signifikant.
Bei den unerwünschten Ereignissen waren die Daten zwischen Omalizumab- und Placebogruppe bis auf Reaktionen an den Einstichstellen vergleichbar. Lediglich ein einjähriges Kind in der Omalizumab-Gruppe wies erhöhte Leberenzyme auf, für die ein Zusammenhang mit Omalizumab als unwahrscheinlich angesehen wurde. Das Kind wurde jedoch aus der Studie ausgeschlossen.
Fazit für die Praxis
Bei Kindern und Jugendlichen mit einer Allergie auf Erdnüsse und verschiedene andere Nahrungsmittel konnte durch die Behandlung mit Omalizumab eine Erhöhung der tolerierten Dosis im Provokationstest erreicht werden. Der primäre Endpunkt der kumulativ vertragenen Dosis von 1022mg entspricht etwa 4 einzelnen Erdnüssen. Die Daten dieser Studie trugen dazu bei, dass Omalizumab Anfang 2024 in den USA von der Federal Drug Administration (FDA) zur Behandlung der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie zugelassen wurde [5].
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RT erhielt Forschungsunterstützung von Novartis sowie Honorare für Vorträge, Beratung oder Kongressunterstützung von AbbVie, Allmirall, ALK-Abello, CSL-Behring, LeoPharma, Novartis, Pfizer, Sanofi-Genzyme, Viatris, alles unabhängig von diesem Manuskript.