Abstract
Background: IgE-mediated anaphylaxis is a potentially fatal systemic allergic reaction for which there are no currently FDA-approved preventative therapies. Bruton's tyrosine kinase (BTK) is an essential enzyme for IgE-mediated signaling pathways and is an ideal pharmacologic target to prevent allergic reactions. In this open-label trial, we evaluated the safety and efficacy of acalabrutinib, a BTK inhibitor that is FDA approved to treat some B cell malignancies, in preventing clinical reactivity to peanut in adults with peanut allergy. Methods: After undergoing graded oral peanut challenge to establish their baseline level of clinical reactivity, 10 patients had a 6-week rest period, then received 4 standard doses of 100 mg acalabrutinib twice daily and underwent repeat food challenge. The primary endpoint was the change in patients' threshold dose of peanut protein to elicit an objective clinical reaction. Results: At baseline, patients tolerated a median of 29 mg of peanut protein before objective clinical reaction. During subsequent food challenge on acalabrutinib, patients' median tolerated dose significantly increased to 4,044 mg (range 444-4,044 mg). 7 patients tolerated the maximum protocol amount (4,044 mg) of peanut protein with no clinical reaction, and the other 3 patients' peanut tolerance increased between 32- and 217-fold. 3 patients experienced a total of 4 adverse events that were considered to be possibly related to acalabrutinib; all events were transient and nonserious. Conclusion: Acalabrutinib pretreatment achieved clinically relevant increases in patients' tolerance to their food allergen, thereby supporting the need for larger, placebo-controlled trials.
Abstract aus Suresh RV, Dunnam C, Vaidya D, Wood RA, Bochner BS, MacGlashan DW Jr, Dispenza MC. A phase II study of Bruton‘s tyrosine kinase inhibition for the prevention of anaphylaxis. J Clin Invest. 2023 Aug 15;133(16):e172335.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Bettina Wedi (Hannover){{Footnotes}}
Hintergrund
Anaphylaxien sind lebensbedrohliche Reaktionen vom Soforttyp, die oft IgE-vermittelt sind. In Deutschland gehören Insektengifte von Bienen und Wespen, Medikamente und Nahrungsmittel zu den häufigsten Auslösern. Die Notfallbehandlung besteht idealerweise aus der raschen Verabreichung von intramuskulärem Adrenalin, z. B. mittels eines Autoinjektors, gefolgt von der systemischen Verabreichung von H1-Antihistaminika und Glukokortikosteroiden. Eine präventive Therapie ist bislang nicht zugelassen.
Basierend auf der Kenntnis, dass die Bruton-Tyrosin-Kinase (BTK) bei der IgE-vermittelten Signalübertragung essenziell ist, wurde in einer offenen Phase-II-Studie bei 10 Erdnussallergikern untersucht, ob der BTK-Inhibitor Acalabrutinib, der als Calquence® in Deutschland bereits zur Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) zugelassen ist, die klinische Reaktivität auf die Erdnusseinnahme bei erwachsenen Erdnussallergikern unterdrückt. Primärer Endpunkt der Studie war eine Veränderung der Erdnussprotein-Schwellendosis, die eine klinische Reaktion auslöst.
Design und Ergebnisse der Studie
Zunächst wurde im Rahmen von einfach-blinden, Placebo-kontrollierten oralen Provokationstestungen (SBPCFC) die mittlere verträgliche Dosis von Erdnussprotein als Baseline ermittelt. Sie lag bei 29mg, was etwa einem Zehntel einer ganzen Erdnuss entspricht. Nach einem 6-wöchigen Intervall erhielten die Probanden 100mg Acalabrutinib alle 12 Stunden (insgesamt viermal). Am Morgen der letzten Dosis wurde die Erdnussprotein-Schwellendosis mittels SBPCFC erneut bestimmt. Die mittlere tolerierte Dosis konnte auf die maximal in der Studie vorgesehene Dosis von 4044mg Erdnussprotein gesteigert werden. Diese Dosierung wurde von 7 der 10 Probanden vertragen. Die restlichen 3 Probanden tolerierten mindestens 900mg Erdnussprotein.
Die Reduktion der IgE-vermittelten Reaktion durch Acalabrutinib konnte auch im Pricktest mit Erdnussallergen und im Basophilen-Aktivierungstest bestätigt werden.
Fazit für die Praxis
Durch die Einnahme von Acalabrutinib konnte die mittlere tolerierte Erdnussmenge bei Erdnussallergikern mindestens auf das 139-fache gesteigert werden. Die tägliche Acalabrutinib-Dosierung war identisch mit der für CLL zugelassenen Tagesdosis.
4044mg Erdnussprotein, was etwa 13 ganzen Erdnüssen entspricht, war die maximal in der Studie verabreichte Menge. Möglicherweise hätten die Probanden noch höhere Mengen vertragen. Die Ergebnisse deuten an, dass durch präventive Acalabrutinib-Einnahme ein Alltag für Erdnussallergiker möglich sein könnte, ohne Angst vor Anaphylaxien durch unvorhergesehene Erdnussprotein-Exposition.
Limitierend sind allerdings die sehr geringe Probandenzahl (n=10), die sehr kurze Behandlungsdauer und das offene Studiendesign.
Auch anti-IgE-blockierende Antikörper wurden bei Nahrungsmittelallergien in frühen klinischen Studien untersucht, aber bisher nicht zur Marktreife gebracht. Eine Phase-III-Studie mit Ligelizumab bei Erdnussallergie wurde erst Anfang 2024 vorzeitig abgebrochen. Die seit 2021 für das Kindesalter zugelassene orale Immuntherapie (OIT) mit Erdnuss führte laut der Fachinformation von Palforzia® bei Kindern (Studien PALISADE, ARTEMIS) in 50% bzw. 58% der Fälle zu einer Toleranz gegenüber 1000mg Erdnussprotein sowie bei einer 18-monatigen Erhaltungstherapie (n=26) bei 81% zur Toleranz von 2000mg. Bei der OIT kommt es allerdings bei fast allen Kindern zu unerwünschten Reaktionen, und bei einem nicht unerheblichen Anteil auch zu adrenalinpflichtigen Anaphylaxien, sodass die OIT aktuell nur in spezialisierten Zentren mit Dosissteigerungen in 2-Wochen-Intervallen eingeleitet wird (Dauer 22 Wochen). Auch in der Erhaltungsphase ist das Patientenmanagement komplex.
Da meist multiple Nahrungsmittelallergien bestehen, würde eine präventive Therapie, die alle IgE-vermittelten Reaktionen blockiert, gegenüber einer nahrungsmittelspezifischen OIT grundsätzlich Vorteile bieten.
Zu berücksichtigen ist allerdings auch das nicht unerhebliche Nebenwirkungsprofil von Acalabrutinib: Infektionen, Kopfschmerzen, Diarrhoe, Hämatome, muskuloskelettale Schmerzen, Übelkeit, Fatigue, Husten und Hautausschlag (Fachinformation). Bei den Warnhinweisen werden hämatologische Toxizitäten, Blutungen, Infektionen, Virus-Reaktivierung, Vorhofflimmern sowie sekundär auftretende Primärtumoren, einschließlich Hautkrebs, aufgelistet. Möglicherweise ist das Sicherheitsprofil bei ansonsten gesunden Allergikern aber anders als das von Patientinnen und Patienten mit CLL. In der vorgestellten Studie war die Verträglichkeit, bei allerdings nur vier Gaben, gut.
Zusammenfassend wäre die Zulassung einer präventiven Therapie für IgE-vermittelte allergische Reaktionen zur Vermeidung einer lebensbedrohlichen Anaphylaxie ein Meilenstein und könnte die Mortalität, aber auch die Lebensqualität vieler Allergiker mit IgE-vermittelten Sofortreaktionen, nicht nur auf Nahrungsmittel, sondern auch auf Insektengifte und z. B. Betalaktamantibiotika, dramatisch verbessern. Ob sich Acalabrutinib als BTK-Inhibitor hierfür eignet und ein entsprechend gutes Risiko-Nutzen-Profil aufweist, werden zukünftige randomisierte, kontrollierte Studien an größeren Kohorten zeigen müssen. Auch die optimale Dosierung und das Einnahmeintervall zur Allergenexposition müssen definiert werden. Anzumerken ist auch, dass sich die Wirkung ausschließlich auf IgE-vermittelte Reaktionen bezieht.
Disclosure Statement
Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte in Bezug auf den vorliegenden Wissenstransfer bestehen.