Hintergrund: Es gibt keine zugelassene Behandlung für Erdnussallergien bei Kindern unter 4 Jahren. Die Wirksamkeit und Sicherheit der epikutanen Immuntherapie (Behandlung über die Haut) mit einem Erdnusspflaster bei Kleinkindern ist unbekannt. Methoden: In dieser Phase-3-Studie, die an mehreren Zentren durchgeführt wurde, nahmen Kinder im Alter von 1 bis 3 Jahren mit bestätigter Erdnussallergie teil. Sie erhielten entweder ein Erdnusspflaster (Interventionsgruppe) oder ein Placebo über 12 Monate. Der Hauptendpunkt war, wie stark die Kinder nach 12 Monaten auf Erdnüsse reagierten. Die Sicherheit wurde anhand von Nebenwirkungen während der Pflasteranwendung oder des Placebos bewertet. Ergebnisse: 362 Patienten wurden in die Studie aufgenommen, 84,8% schlossen sie ab. In der Interventionsgruppe reagierten 67% der Kinder besser auf Erdnüsse, verglichen mit 33,5% in der Placebogruppe. Nebenwirkungen traten in der Interventionsgruppe bei 100% und in der Placebogruppe bei 99,2% der Kinder auf. Schwere Nebenwirkungen, wie Anaphylaxie (schwere allergische Reaktion), wurden in 7,8% der Fälle in der Interventionsgruppe und in 3,4% der Placebogruppe beobachtet.

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Kommentar zu Greenhawt M, Sindher SB, Wang J, O‘Sullivan M, du Toit G, Kim EH, Albright D, Anvari S, Arends N, Arkwright PD, Bégin P, Blumchen K, Bourrier T, Brown-Whitehorn T, Cassell H, Chan ES, Ciaccio CE, Deschildre A, Divaret-Chauveau A, Dorris SL, Dorsey MJ, Eiwegger T, Erlewyn-Lajeunesse M, Fleischer DM, Ford LS, Garcia-Lloret M, Giovannini-Chami L, Hourihane JO, Jay N, Jones SM, Kerns LA, Kloepfer KM, Leonard S, Lezmi G, Lieberman JA, Lomas J, Makhija M, Parrish C, Peake J, Perrett KP, Petroni D, Pfützner W, Pongracic JA, Quinn P, Robison RG, Sanders G, Schneider L, Sharma HP, Trujillo J, Turner PJ, Tuttle K, Upton JE, Varshney P, Vickery BP, Vogelberg C, Wainstein B, Wood RA, Bee KJ, Campbell DE, Green TD, Rouissi R, Peillon A, Bahnson HT, Bois T, Sampson HA, Burks AW. Phase 3 Trial of Epicutaneous Immunotherapy in Toddlers with Peanut Allergy. N Engl J Med. 2023 May 11;388(19):1755-1766.

Hintergrund

Die Erdnussallergie gehört zu den häufigsten Nahrungsmittelallergien im Kindes- und Jugendalter. Etwa 1,5% dieser Altersgruppe sind davon betroffen [1]. Schwere, lebensbedrohliche Anaphylaxien sind bereits nach dem Konsum sehr geringer Mengen Erdnussprotein möglich, wobei der Verzehr «versteckten» Allergens oft unbewusst stattfindet [2]. Während sich bei anderen Nahrungsmittelallergien, wie beispielsweise gegen Kuhmilch oder Hühnerei, häufig bereits im Kindesalter eine Toleranz entwickelt, ist dies bei der Erdnussallergie nur bei etwa 20% der Betroffenen der Fall [3]. Therapeutischen Ansätzen zur aktiven Toleranzentwicklung bereits im frühen Kindesalter kommt daher eine große Bedeutung zu [4]. Vor wenigen Jahren wurde die erste orale Immuntherapie zur Toleranzinduktion bei Erdnussallergikern im Alter von 4 bis 17 Jahren zugelassen. Eine multizentrische Studie einer entsprechenden Maßnahme bei Kleinkindern im Alter von 1 bis 3 Jahren zeigte ebenfalls einen signifikanten Behandlungseffekt, war allerdings mit schwereren systemischen Nebenwirkungen verbunden, insbesondere epinephrinpflichtiger Anaphylaxien (bei 22%) und eosinophiler Ösophagitis (bei 3%) [5].

Ergebnisse der Studie

In die Studie wurden 362 Kinder mit Erdnussallergie im Alter von 1 bis 3 Jahren aufgenommen, die auf eine Menge von 300mg Erdnussprotein (entspricht etwa einem Erdnusskern) oder weniger eine systemische Reaktion entwickelt hatten. Über ein Jahr hinweg wurde ein täglich zu erneuerndes Pflaster interskapulär auf den Rücken geklebt, das bei zwei Dritteln der Behandelten eine Erhaltungsdosis von 250µg Erdnussprotein enthielt, bei den anderen ein Placebo. Nach 12 Monaten hatte mit 67% der Kinder (gegenüber 33,5% in der Placebogruppe) ein signifikant höherer Anteil eine Toleranz gegenüber mindestens 1000mg oder 300mg Erdnussprotein entwickelt – je nachdem, ob die nicht verträgliche Dosis mehr als 10mg (bei 295 Kindern) oder maximal 10mg betrug. Die Post-hoc-Analyse zeigte, dass ein Behandlungseffekt ab einer auslösenden Menge von mehr als 1mg Erdnussprotein möglich war. Nebenwirkungen betrafen in erster Linie lokale Reaktionen wie Erytheme und Schwellungen. Anaphylaxien ereigneten sich bei 7,8% der mit Erdnussprotein und 3,4% der mit Placebo behandelten Kinder, wobei nur 4 anaphylaktische Reaktionen (1,6%), die alle in der Interventionskohorte auftraten und von denen 3 mit Epinephrin behandelt werden mussten, als durch die Behandlung induziert gewertet wurden.

Fazit

Die Ergebnisse dieser Studie sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Mittels eines einfach durchzuführenden Verfahrens ließ sich bei Kleinkindern mit Erdnussanaphylaxie bereits in den ersten Lebensjahren eine signifikante Steigerung der tolerierten Schwellendosis erzielen, die deutlich über der zuvor nicht vertragenen Allergenmenge lag. Das Erdnusspflaster kann dabei ohne Einschränkungen für Alltagsaktivitäten (einschließlich Baden) getragen werden, was sich in einer hohen Adhärenz von 97% äußerte. Des Weiteren zeigte die epikutane Allergenapplikation offensichtlich ein im Vergleich zur oralen Immuntherapie deutlich besseres Sicherheitsprofil. Häufigste Nebenwirkungen waren lokale Unverträglichkeiten, während anaphylaktische Reaktionen äußerst selten auftraten und sich typischerweise am ersten Behandlungstag ereigneten. Diese therapeutische Intervention sollte somit sehr gut eigenständig von Eltern durchgeführt und kontrolliert werden können.

Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie ist der Nachweis der grundsätzlichen Eignung der epikutanen Immuntherapie als eine vielversprechende, innovative, sichere und gleichzeitig anwenderfreundliche Methode zur Behandlung IgE-vermittelter systemischer Soforttyp-Allergien [6]. Dies eröffnet Raum für weiterführende immunologische Untersuchungen. So wurde bei den verumbehandelten Kindern ein Anstieg der allergenspezifischen IgG4-Antikörper nachgewiesen, jedoch nicht deren funktionelle Relevanz adressiert oder Untersuchungen zur möglichen Induktion gastrointestinaler regulatorischer T-Zellen, ähnlich den murinen LAP+ Tregs, durchgeführt [7]. Weitere klinisch bedeutsame Aspekte, die es noch zu klären gilt, sind die Persistenz des therapeutischen Effekts bzw. die Prüfung möglicher Booster-Anwendungen, um eine anhaltende Toleranz sicherzustellen, sowie die Frage, ob die epikutane Immuntherapie auch bei älteren Kindern, Jugendlichen oder sogar Erwachsenen in gleicher Weise wirksam ist.

Disclosure Statement

Der Autor versichert, dass keine Interessenkonflikte in Bezug auf den vorliegenden Kommentar bestehen.

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