Liebe Kolleginnen und Kollegen,
schwere allergische Reaktionen sind zwar selten, jedoch potenziell lebensbedrohlich [1]. Bestimmte Faktoren steigern das Risiko für schwere allergische Reaktionen. Dazu gehören die Mastozytose, höheres Alter, körperliche Anstrengung sowie die Einnahme bestimmter Herz-Kreislauf-Medikamente [2]. Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass die Mortalitätsrate der Anaphylaxie in den letzten Jahren stabil war, jedoch die Krankenhausbesuche aufgrund einer Anaphylaxie, vor allem im Kindesalter [3], stark zugenommen haben. Hier spielt insbesondere die Nahrungsmittelallergie eine Rolle, die gleichzeitig der häufigste Auslöser einer Anaphylaxie im Kindesalter ist. Im Erwachsenenalter sind dagegen Insektengifte und Medikamente die häufigsten Auslöser einer Anaphylaxie [4].
Eine einheitliche Definition der Anaphylaxie sowie eine globale Schweregradeinteilung sind wichtige Voraussetzungen, um epidemiologische Daten zu erheben und länderübergreifend zu vergleichen. Derzeit beschäftigt sich eine internationale Arbeitsgruppe genau mit dieser Problematik, und wir werden voraussichtlich bis zum nächsten Jahr eine Überarbeitung der Definition sowie der Schweregradeinteilung für die Anaphylaxie erhalten.
Entscheidend für das Grading-System ist, dass ab Grad 3 bis 5, das heißt bei der Beteiligung von zwei Organsystemen, die Reaktion als Anaphylaxie bezeichnet wird und Adrenalin als Erstlinientherapie verabreicht werden sollte [5].
Neben der symptomatischen Therapie einer Anaphylaxie, die von allen Leitlinien weltweit empfohlen wird und die intramuskuläre Gabe von Adrenalin umfasst [5], sind weitere Langzeittherapien für diese potenziell lebensbedrohliche Erkrankung dringend erforderlich. Ein neuer Ansatz ist der Einsatz von Molekülen, die die Signaltransduktion beeinflussen, die für die Produktion von IgE, dem Schlüsselmolekül der Typ-1-allergischen Reaktionen, eine Rolle spielen bzw. die Aktivierung von Mastzellen hemmen. Erwartet wird, dass diese neue Therapie zur Behandlung der chronisch spontanen Urtikaria nach positiven Phase-3-Studien bald zugelassen wird. Da die Urtikaria als Effektorzelle bei der Anaphylaxie ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, sind diese Moleküle auch für klinische Studien zur Anaphylaxie hochinteressant.
Ein weiterer kausaler Therapieansatz zur Langzeitbehandlung einer Anaphylaxie ist die Behandlung mit monoklonalen Antikörpern im Falle einer Nahrungsmittel- und/oder Insektengiftallergie. Insbesondere für Omalizumab, für das in Kürze auch ein Biologic auf den Markt kommen wird, liegen vielversprechende klinische Daten zur Wirksamkeit bei der Nahrungsmittelallergie vor [6]. Auch für die Insektengiftallergie kann Omalizumab im Rahmen einer spezifischen Immuntherapie mit Insektengift eingesetzt werden, wobei hier die Datenlage noch begrenzt ist.
Zusammenfassend möchten wir in der vorliegenden Ausgabe einen intensiven Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Anaphylaxie werfen. Dazu gehören neue Empfehlungen zur Klassifikation und Schweregradeinteilung der Anaphylaxie sowie die neuesten Therapieentwicklungen. Die Daten aus dem Anaphylaxie-Register werden zukünftig Aufschluss über die häufigsten Auslöser, Ko-Erkrankungen sowie die Versorgungssituation von Patient*innen geben.
Viel Spaß bei der Lektüre wünsche ich Ihnen,
Ihre M. Worm