Zusammenfassung
Lentigo maligna ist eine Variante eines Melanoma in situ, die vorrangig in lichtexponierten Arealen älterer Menschen auftritt. Therapeutischer Goldstandard ist die Exzision. Als Alternative wird die Lokaltherapie mittels Imiquimod seit längerem erprobt. Dazu führten Lallas und Kollegen eine retrospektive MulticenterStudie mit 149 Patient*innen durch. Imiquimod wurde dabei als 5%ige Creme 7-mal pro Woche über mindestens 6 Wochen angewendet. Verglichen wurden die Rezidivraten bei 3 verschiedene Anwendungsoptionen: 1) Imiquimod als adjuvante Nachbehandlung nach Exzision mit < 5 mm oder > 5 mm Sicherheitsabstand (SA) und histologisch tumorfreien Rändern, 2) Imiquimod als zusätzliche Nachbehandlung nach klinischer In-toto-, aber histologischer Nicht-in-toto-Exzision, 3) Imiquimod als Alternative zur Exzision. Das Durchschnittsalter der Patient*innen lag in den Gruppen 1, 2 und 3 bei 72,0; 67,0 bzw. 80,7 Jahren, der Durchmesser der Lentigo maligna bei 10,6; 10,8 bzw. 18,4 mm. In Gruppe 1 zeigte sich eine Rezidivrate von 5–6% (Nachbeobachtungszeit durchschnittlich 32 Monate). Eine Subtypenanalyse zwischen einem SA < 5 mm und > 5 mm ergab keinen Vorteil für die Untergruppe mit größeren SA. In Gruppe 2 zeigte sich bei einer Nachbeobachtungszeit von 34 Monaten eine Rezidivrate von 9%. In Gruppe 3 die Monotherapie zu einer Ansprechrate von etwa 71% bei einer Nachbeobachtungszeit von 34 Monaten.
Zusammenfassung zu Lallas A, Moscarella E, Kittler H, et al.: Real-world experience of off-label use of imiquimod 5% as an adjuvant therapy after surgery or as a monotherapy for lentigo maligna. Br J Dermatol 2021;185:675–677.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Markus Braun-Falco (München)
Hintergrund
Lentigo maligna ist eine nicht so seltene Variante eines Melanoma in situ (MIS), die vorrangig in lichtexponierten Arealen älterer Menschen auftritt [1]. Bevorzugte Regionen sind Gesicht und Nacken bei Menschen mit Hauttyp I und II nach Fitzpatrick, die eine hohe kumulative UV-Exposition erfahren haben. Neben der chronischen UV-Exposition ist es ein unterschiedliches genetisches Profil mit Mutationen bevorzugt in p53 und ein relativ langsames Wachstumsverhalten, das eine Lentigo maligna von anderen Varianten eines malignen Melanoms unterscheidet. Der Übergang einer Lentigo maligna in ein Lentigo maligna-Melanom (LMM) wurde bislang mit unter 5% auf 10 Jahre als relativ niedrig eingeschätzt, wobei neuere Daten die Wahrscheinlichkeit einer Invasion mit 30–50% auf 10 bis 50 Jahre angeben. Ist es einmal zu einer dermalen Invasion gekommen, wird bezüglich Prognose, Staging und Therapie kein Unterschied zu anderen Melanom-Typen gemacht. Erstmals 1892 von Jonathan Hutchinson als senile schwarze Sommersprossen beschrieben und seither häufig als «Hutchinson Freckles» bezeichnet, entwickelt sich eine Lentigo maligna als langsam wachsende, zu Beginn eher homogen bräunliche Macula, deren Abgrenzung zu Lentigo benigna, flacher seborrhoischer Keratose, Melanoakanthom und pigmentierter aktinischer Keratose selbst mittels Dermatoskopie schwierig sein kann. Erst mit zunehmender Größe kommt es zum fleckigen Auftreten unterschiedlicher Braun- bis Schwarztöne und einer mehr bogigen, unscharfen Randbegrenzung. Bei klinischem Verdacht auf eine Lentigo maligna wird meist eine Gewebeprobe eines dunklen Areals zur histologischen Diagnostik durchgeführt. Therapeutischer Goldstandard ist die Exzision. Da es sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig um relativ großflächige Herde im zentralen Gesichtsbereich älterer Menschen handelt, stößt die Umsetzung einer leitliniengerechten operativen Versorgung häufig auf Widerstände, sei es der Aufwand der Operation, das möglicherweise entstellende Endergebnis oder die grundsätzliche Frage nach der operativen Notwendigkeit eines nur langsam fortschreitenden Geschehens in Bezug auf die Lebenserwartung. Hinzu kommt die relativ hohe Rate an Lokalrezidiven aufgrund der subklinischen, nur histologisch wahrnehmbaren Ausdehnung der Lentigo maligna [2]. So führen Exzisionen mit einem Sicherheitsabstand (SA) im klinisch Gesunden von mindestens 5 mm zu Rezidiven in 8–20% der Fälle. Dies führte zur Leitlinienempfehlung, eine Lentigo maligna mittels mikroskopisch kontrollierter Chirurgie (MKC) zu behandeln, die aufwendig und nicht in jeder Institution durchführbar ist und immer noch eine Rezidivrate von bis zu 6% aufweist. Aus dieser unbefriedigenden Grundsituation heraus besteht seit langem der Wunsch nach alternativen Vorgehensweisen, die entweder das chirurgische Vorgehen ersetzen oder die Problematik des Rezidivs nach Exzision mildern.
Studienergebnisse
Eine Lokaltherapie mittels Imiquimod wird seit längerem als Off-Label-Alternative bei Lentigo maligna versucht.
Lallas und Kollegen führten zur Wirkung von Imiquimod eine retrospektive Multizenterstudie in Europa durch und verglichen 3 unterschiedliche Anwendungsoptionen von Imiquimod:
1) die Rezidivrate bei Imiquimod als adjuvante Nachbehandlung nach Exzision mit < 5 mm oder > 5 mm SA und histologisch tumorfreien Rändern
2) die Rezidivrate bei Imiquimod als zusätzliche Nachbehandlung nach klinischer In-toto-, aber histologischer Nicht-in-toto-Exzision
3) Imiquimod als Alternative zur Exzision
In die Studie eingeschlossen wurden 149 Patient*innen. Während die demografischen und die Lentigo maligna betreffenden Charakteristika der Patient*innen in Gruppe 1 und 2 vergleichbar waren mit einem Durchschnittsalter um 70 Jahre und einen Durchmesser der Lentigo maligna um die 10 mm, lag der Altersdurchschnitt in Gruppe 3 mit 80 Jahren deutlich höher und die Lentigo maligna war mit 18 mm Durchmesser deutliche größer.
Imiquimod wurde in einer 5%igen Creme 7-mal pro Woche über mindestens 6 Wochen angewendet.
In Gruppe 1 zeigte sich bei einer Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 32 Monaten eine Rezidivrate von 5–6%, die deutlich niedriger als die in vorausgegangenen Studien erhobene Rezidivrate von 8–20% nach Exzisionen mit 5 mm SA ist und sich den Rezidivraten nach MKC-Exzisionen nähert. Interessant ist eine Subtypenanalyse zwischen einem SA < 5 mm und > 5 mm, die nach Imiquimod-Behandlung keinen Vorteil bezüglich der Rezidivrate bei Exzision mit einem größeren SA ergab.
In Gruppe 2 zeigte sich bei einer Nachbeobachtungszeit von 34 Monaten eine Rezidivrate von 9%.
In Gruppe 3 führte Imiquimod als Monotherapie zu einer Ansprechrate von etwa 71% bei einer Nachbeobachtungszeit von 34 Monaten.
Fazit und Kritik
Aufgrund des retrospektiven Charakters der Studie fehlt leider der direkte Vergleich zur Rezidivrate einer Lentigo maligna nach Durchführung einer zeitgemäßen MKC. Hier dienen den Autor*innen, wie auch an mehreren anderen Stellen des Manuskriptes, als Vergleichswert die Daten aus der zitierten Literatur. Im Falle der Rezidivrate nach MKC liegt die Angabe zwischen 0% und 9,7%. Hier gilt es zu hinterfragen, ob gerade der obere Bereich der Rezidivrate der aktuellen Realität entspricht. Unabhängig davon zeigt die Arbeit gerade auch im Kontext der bereits bekannten Literatur, dass der Goldstandard mit der niedrigsten Rezidivrate ausschließlich die MKC ist. Kann diese unabhängig der Gründe nicht durchgeführt werden, so zeigt die Arbeit sehr schön den möglichen Benefit sowohl einer adjuvanten als auch einer additiven Imiquimod-Therapie bei knappem SA oder histologischer Nicht-in-toto-Exzision gegenüber den Rezidivraten der Literatur. Als Alternative zu einer Exzision erscheint Imiquimod als Monotherapie letztlich nicht geeignet, doch rechtfertigt sich bei einer Ansprechrate von über 70% über mehrere Jahre hinweg dessen Anwendung, wenn ein operatives Vorgehen nicht umsetzbar ist. Wichtig zur optimalen Wirkungsentfaltung von Imiquimod ist die Durchführung eines intensiven Therapieregimes, das aktuell angegeben wird mit mindestens 60 Applikationen von 5% Imiquimod-Creme in einer Frequenz von 6–7 Anwendungen pro Woche, also quasi eine tägliche Applikation über mindestens 7–8 Wochen [3, 4]. Eine intensive Lokalentzündung ist dabei erwünscht und geht mit einer deutlich effizienteren Wirkung einher. Abschließend sollte als weitere Alternative eine Bestrahlungstherapie Erwähnung finden.
Disclosure Statement
Kein Interessenskonflikt.