Zusammenfassung
Das Autoimmunpolyendokrinopathie-Syndrom Typ 1 (APS-1) ist eine seltene genetische Autoimmunerkrankung, und sie wird durch Varianten im AIRE-Gen verursacht. Die Patienten zeigen häufig eine klinische Triade aus mukokutaner Candidiasis, Nebenniereninsuffizienz und Hypoparathyreoidismus in der Kindheit, gefolgt von weiteren immunvermittelten Erkrankungen im Laufe ihres Lebens. Die Behandlung konzentriert sich auf regelmäßige Überwachung, Hormonersatztherapie und gezielte Immuntherapien, jedoch gibt es derzeit keine breit angelegte Therapie für die Vielzahl der Manifestationen, die mit AIRE-Mangel verbunden sind. Ruxolitinib, ein selektiver JAK-Inhibitor, wurde als potenzielle Therapie für APS-1 identifiziert, da der Wirkstoff in Tiermodellen und bei Patienten positive Auswirkungen auf die Remission von APS-1-bedingten Erkrankungen zeigte. Die Studie untersuchte die Auswirkungen von Ruxolitinib, einem selektiven JAK1- und JAK2-Inhibitor, auf Patienten mit APS-1. Die Hauptbefunde sind wie folgt: Die Behandlung mit Ruxolitinib führte bei fünf Patienten mit APS-1 zur Remission mehrerer APS-1-assoziierter Erkrankungen, einschließlich Enteritis, Alopezie, Gastritis und Sjögren-ähnlichem Syndrom. Die Behandlung war auch mit der Remission von oraler Candidiasis bei sowohl Mäusen als auch Menschen verbunden, was die Rolle der JAK-STAT-Signalübertragung in der Pathogenese von APS-1 über verschiedene Spezies hinweg unterstützt. In einem Mausmodell von APS-1 war die Behandlung mit Ruxolitinib mit einer verlängerten Überlebenszeit und einer verringerten T-Zell-Infiltration in mehreren Geweben verbunden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Hemmung von JAK1 und JAK2 durch Ruxolitinib ein vielversprechender therapeutischer Ansatz zur Behandlung von APS-1 und seinen assoziierten Erkrankungen sein könnte.
Zusammenfassung aus Oikonomou V, Smith G, Constantine GM, et al.: The role of interferon-γ in autoimmune polyendocrine syndrome type 1. N Engl J Med 2024;390:1873–1884.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Sabine Adler (Aarau)
Hintergrund
Der Name «autoimmunes polyendokrines Syndrom Typ 1 (APS-1)» klingt zunächst wenig spektakulär, insbesondere wenig bedrohlich. Dennoch kann dieses autosomal rezessive Syndrom auf dem Boden einer defizienten Autoimmunregulation (AIRE) lebensbedrohlich werden. Ursächlich hierfür sind mutmaßlich autoreaktive T-Zellen, die dem normalen Selektionsmechanismus im Thymus entkommen und im Rahmen ihrer Organinvasion einen T-Zell-vermittelten Immunschaden verursachen. Eine übersichtliche Grafik in [1] zeigt diesen Mechanismus. Daher lag die Vermutung nahe, dass Interferon-gamma zur Entwicklung eines APS-1 beitragen kann – dies wurde in der vorliegenden Arbeit untersucht.
Von Menschen zu Mäusen (und zurück): Interferon-γ-Antwort ist bei APS-1 in Blut und Gewebe erhöht
Ungewöhnlicherweise waren hier zunächst Betroffene ohne Therapie in den Focus gerückt: bei 40 von ihnen wurden die diesbezügliche mRNA und Proteinexpression in 97 Gewebeproben betroffener Organe untersucht. Autoimmune Veränderungen fanden sich im Rahmen von Pneumonitis, Hepatitis, Gastritis, Enteritis, Kolitis, Nephritis, Sjögren-ähnlichen Syndromen, chronischer Candidiasis, Urtikaria und Alopezie.
Im Anschluss wurde die Rolle von Interferon-γ bei entsprechenden AIRE-defizienten Mäusen – also nach Induktion einer APS-1 Erkrankung – untersucht. Hierbei zeigte sich, dass (aberrante) T-Zellen eine deutlich erhöhte Produktion von Interferon-γ induzierten und somit auch (unter anderem) eine Aktivierung des STAT1-Signales (STAT1 = signal transducer and activator of transcription 1) und damit eine Gewebeschädigung in vielen Organen auslösen konnten.
Somit war naheliegend, diese Kaskade zu blockieren. Da Interferon-γ hauptsächlich die Januskinasen 1 und 2 (JAK1, JAK2) aktiviert, wurde Ruxolitinib als JAK1/JAK2-Hemmer therapeutisch gewählt.
Ruxolitinib kann hilfreich sein, die T-Zell-Infiltration über Interferon-γ-Normalisierung zu revertieren
Die Gabe von Ruxolitinib (JAK1/2-Inhibitor) ermöglicht somit die Inaktivierung des STAT1-Weges und zeigte zunächst bei Mäusen eine Normalisierung der Interferon-γ-Antwort und in Folge ebenso einen Rückgang der T-Zell-Infiltration in den betroffenen Organen.
Bei 5 APS-1-Betroffenen konnte ebenfalls unter Ruxolitinib eine serologische und in Folge auch klinische Remission von teilweise schweren Manifestationen sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter erreicht werden. Bekannte Nebenwirkungen konnten auch hier im Sinne einer Anämie und leider auch von Pneumocystis-Pneumonien gesehen werden.
Die hier diskutierte Arbeit hat zum Verständnis dieser Erkrankung, deren Entstehungsmechanismus und somit potenzieller und hier ja auch hilfreicher therapeutischer Ansätze beigetragen. Es ist spannend, diese Arbeit zu lesen. Und erneut ist klar, dass es hier einen interdisziplinären immunologischen Ansatz braucht sowohl zur Diagnosestellung als auch zur Indikationsstellung, Einleitung und Begleitung einer Off-label-Therapie.
Disclosure Statement
Bezüglich der vorgelegten Arbeit liegen keine Interessenkonflikte vor.