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Wussten Sie, dass Paul Ehrlich der Entdecker der Mastzellen war? Er war später Direktor des Instituts für Experimentelle Therapie und erhielt den Medizin-Nobelpreis für seine Leistungen auf dem Gebiet der Immunologie. Gerade erst wurde der Paul Ehrlich-Preis für die Identifizierung eines Signalwegs vergeben, der die Entwicklung von Medikamenten gegen Autoimmunerkrankungen ermöglicht. Aber auch heute schon können wir auf modernere Therapien bei diesen Erkrankungen zugreifen. Dies fasst ein aktueller Review in dem hochrangigen Journal Autoimmunity Reviews für den kutanen Lupus erythematodes (CLE) in einer systematischen Übersicht zusammen, um durch einen Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit der Substanzen eine fundierte Therapieauswahl in der klinischen Praxis zu ermöglichen [1].

Die systematische Literaturübersicht und Meta-Analyse nach den Cochrane-Richtlinien belegen die deutlich höhere Wirksamkeit von Deucravacitinib (TYK2-Inhibitor), Litifilimab (BDCA2- Antikörper) und Anifrolumab (Typ I IFN-α/β/ω-Rezeptor (IFNAR)-Antikörper) bei CLE im Vergleich zu Ustekinumab (IL-12/23-Antikörper) und Baricitinib (JAK1/2 -Inhibitor). Die Analyse belegt, dass Deucravacitinib die wirksamste Therapie zur Verringerung der Krankheitsaktivität von CLE bei guter Sicherheitsdatenlage war. Leider steht die Substanz in Deutschland erst für die Behandlung der Psoriasis zur Verfügung (siehe Wissenstransfer Seite 68). und ist zur Indikation Lupus erythematodes (LE) noch in klinischer Prüfung. Dennoch stehen jetzt schon Anifrolumab und Belimumab zur Verfügung.

Doch: wo bleibt der Pruritus? Dieses Heft setzt ja den Schwerpunkt auf Pruritus bei Autoimmundermatosen. Aber auch bei einer Vielzahl der sogenannten autoimmune connective tissue diseases kommt Pruritus in variabler Ausprägung vor. Eine aktuelle Studie belegt bei einer kleinen Kohorte von Patienten mit systemischen LE (SLE), dass doch immerhin fast 25% der Patienten Pruritus angeben [2]. Die «Juck-Schmerz-Symp­tomgruppe» des Fragebogens (enthält Pruritus der Haut, Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht, Gelenkschmerzen) zeigt statistische Korrelationen mit der Lebensqualität, dem Belastungsstatus, der psychischen Gesundheit, der körperlichen Gesundheit und dem Müdigkeitsstatus. Andere Autoren berichten, dass Pruritus am häufigsten bei akutem CLE auftritt, gefolgt von chronischem LE [3‒6].

Auch bei der multiple Sklerose (MS) besteht häufiger Pruritus als bisher in anekdotischen Fällen beschrieben. Eine aktuelle Untersuchung [7] anhand von 77 Patienten mit MS ergab eine Pruritusprävalenz von 35%. Der Pruritus korrelierte mit mehr Müdigkeit, Hitzeempfindlichkeit, kognitiven Beeinträchtigungen und Depressionen oder Angstzuständen. Interessanterweise haben MS-Patienten mit Pruritus eine höhere Prädisposition für T2-hyperintense Läsionen im hinteren zervikalen Rückenmark und im vorderen Pons/der ventromedialen Medulla. Die Autoren schlussfolgern, dass bei Patienten mit MS und Pruritus die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie MS-bezogene Begleiterkrankungen und demyelinisierende Läsionen im Rückenmark oder Hirnstamm aufweisen. Auch bei der medizinischen Versorgung der Patienten mit MS sollte daher das Vorhandensein von Pruritus abgefragt werden.

Bekannt ist jedoch schon lange, dass Pruritus regelmäßig bei autoimmunbullösen Dermatosen (AIBD) wie dem bullösen Pemphigoid (BP) auftritt und die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen kann. Chronischer Pruritus kann prämonitorisch als einziges klinisches Anzeichen für BP auftreten. Eine propensity-matched re­trospektive Kohortenstudie mit über 3,4 Millionen Teilnehmern deckte auf, dass das Vorhandensein von Pruritus das Risiko für die Entwicklung verschiedener AIBD dramatisch erhöht, mit Hazard Ratios, die von beeindruckenden 4,2 bis zu 28,7 reichen [8]. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, AIBDs als wichtige Differenzialdiagnose bei älteren Patienten mit chronischem Pruritus in Betracht zu ziehen.

Bislang sind nur wenige Biomarker für das BP bekannt. Diese umfassen Autoantikörper gegen BP180 und BP230, IgG und C3 Ablagerungen entlang der Basalmembran und oftmals erhöhte Gesamt-IgE-Konzen­trationen sowie eine Eosinophilie. Eine kürzlich durchgeführte Studie hat vielversprechende Erkenntnisse zur Rolle von IL-27 als potenziellen neuen Biomarker für Pruritus bei BP und Prurigo nodularis (PN) geliefert. Wang et al. [9] führten eine umfassende Analyse von peripheren mononukleären Blutzellen (PBMC) von BP- und PN-Patienten sowie gesunden Kontrollpersonen durch. Mittels RNA-Sequenzierung und fortschrittlicher bioinformatischer Methoden konnten sie gemeinsame immunregulatorische Netzwerke und Pruritus-assoziierte Mechanismen bei beiden Erkrankungen identifizieren. Es wurden darunter 7 Schlüsselgene identifiziert, die in beiden Krankheitsbildern eine zentrale Rolle spielen. Besonders hervorzuheben ist dabei IL-27, dessen mRNA-Expressionsniveaus stark mit klinischen Parametern wie Pruritus-Scores, IgE-Konzentrationen und Eosinophilenzahlen korrelierten. Interessanterweise wird damit in dieser Studie erstmals ein gemeinsamer Entzündungs- und Immunweg von BP und PN beschrieben. Diese Erkenntnisse könnten nicht nur das Verständnis der komplexen Beziehung zwischen BP und PN verbessern, sondern auch die Grundlage für die Entwicklung innovativer therapeutischer Strategien bilden.

Die Therapie des oftmals schweren Pruritus bei AIBD wie dem BP ist für den Kliniker eine Herausforderung. In den letzten Jahren hat sich Dupilumab als vielversprechende Therapieoption für diese Erkrankung herauskristallisiert. Obwohl Dupilumab derzeit noch nicht offiziell für die Behandlung des BP zugelassen ist, zeigen erste klinische Erfahrungen und Studien vielversprechende Ergebnisse. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Dupilumab sowohl als Monotherapie als auch als Zusatztherapie bei BP-Patienten wirksam sein kann. In einer Fallserie sprachen 12 von 13 Patienten mit BP zufriedenstellend auf die Behandlung mit Dupilumab an, wobei bei 54% der Patienten sogar eine vollständige Abheilung der Hautläsionen beobachtet wurde [10]. Auch bei anderen mit schwerstem Pruritus assoziierten AIBD wie der linearen IgA-Dermatose (LABD) scheint Dupilumab zu wirken. In einem Fallbericht wurde Dupilumab erfolgreich bei einer schweren LABD zur Kontrolle des schweren Pruritus eingesetzt [11]. Interessant hierbei war die schnelle Wirkung von Dupilumab bezüglich des schweren Pruritus bei dieser AIBD.

Die Erforschung des Pruritus bei komplexen Autoimmunerkrankungen steht an der Schwelle bahnbrechender Entdeckungen – von der Identifikation neuer Biomarker bis hin zu gezielt wirkenden Biologika. Die neuen Ansätze hätten Paul Ehrlich, erster Entwickler eines Medikaments gegen die Syphilis, sicher gefallen. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre.

Sonja Ständer und Ulrike Raap

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