Abstract
Background: Baricitinib is an oral selective inhibitor of Janus kinase 1 and 2 approved for the treatment of rheumatoid arthritis, atopic dermatitis, and alopecia areata. In a 24-week phase 2 study in patients with systemic lupus erythematosus (SLE), baricitinib 4 mg significantly improved SLE disease activity compared with placebo. The objective of this trial was to evaluate the efficacy and safety of baricitinib in patients with active SLE in a 52-week phase 3 study. Methods: In a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, parallel-group, phase 3 study, SLE-BRAVE-I, patients (aged ≥18 years) with active SLE receiving stable background therapy were randomly assigned 1:1:1 to baricitinib 4 mg, 2 mg, or placebo once daily for 52 weeks with standard of care. Glucocorticoid tapering was encouraged but not required per protocol. The primary endpoint was the proportion of patients reaching an SLE Responder Index (SRI)-4 response at week 52 in the baricitinib 4 mg treatment group compared with placebo. The primary endpoint was assessed by logistic regression analysis with baseline disease activity, baseline corticosteroid dose, region, and treatment group in the model. Efficacy analyses were done on a modified intention-to-treat population, comprising all participants who were randomly assigned and received at least one dose of investigational product. Safety analyses were done on all randomly assigned participants who received at least one dose of investigational product and who did not discontinue from the study for the reason of lost to follow-up at the first post-baseline visit. This study is registered with ClinicalTrials.gov, NCT03616912. Findings: 760 participants were randomly assigned and received at least one dose of baricitinib 4 mg (n=252), baricitinib 2 mg (n=255), or placebo (n=253). A significantly greater proportion of participants who received baricitinib 4 mg (142 [57%]; odds ratio 1·57 [95% CI 1·09 to 2·27]; difference with placebo 10·8 [2·0 to 19·6]; p=0·016), but not baricitinib 2 mg (126 [50%]; 1·14 [0·79 to 1·65]; 3·9 [-4·9 to 12·6]; p=0·47), reached SRI-4 response compared with placebo (116 [46%]). There were no significant differences between the proportions of participants in either baricitinib group reaching any of the major secondary endpoints compared with placebo, including glucocorticoid tapering and time to first severe flare. 26 (10%) participants receiving baricitinib 4 mg had serious adverse events, 24 (9%) participants receiving baricitinib 2 mg, and 18 (7%) participants receiving placebo. The safety profile of baricitinib in participants with SLE was consistent with the known baricitinib safety profile. Interpretation: The primary endpoint in this study was met for the 4 mg baricitinib group. However, key secondary endpoints were not. No new safety signals were observed.
Wissenstransfer zu Morand EF, Vital EM, Petri M, van Vollenhoven R, Wallace DJ , Mosca M, Furie RA ,Silk ME ,Dickson C, Meszaro G, Jia B, Brenda Crowe B,de la Torre I , Dörner T: Baricitinib for systemic lupus erythematosus: a double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 3 trial (SLE-BRAVE-I). Lancet 2023 Mar 25;401(10381):1001-1010. doi: 10.1016/S0140-6736(2202607-1)
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Markus Braun-Falco (München)
Hintergrund
Der systemische Lupus erythematodes ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die mehrere Organsysteme, wie Haut, Gelenke, Niere, Herz, Lunge, Leber und blutbildendes System, befallen kann und mit erhöhten Autoimmunantikörpern einhergeht. Überwiegend betroffen sind Frauen mit Krankheitsbeginn im mittleren Lebensalter. Die Standardtherapie umfasste über 50 Jahre lang Antimalariamittel, systemische Glukokortikosteroide sowie verschiedene klassische Immunsuppressiva wie Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin, Mucophenolatmofetil oder Cyclophosphamid. Im Jahr 2011 wurde erstmals der anti-BAFF (B-Zell-aktivierende Faktor)-Antikörper Belimumab als neuartiges Medikament zugelassen, gefolgt von dem Interferon-α-Rezeptor-1 (IFNAR1) Antagonisten Anifrolumab und dem Calcineurin-Inhibitor Voclosporin im Jahr 2021, der auf die Mitbehandlung einer Lupus-Nephritis beschränkt ist [1]. Obwohl diese Medikamente zu einer erhöhten Aktivitätskontrolle und erniedrigten Mortalität des SLE geführt haben, besteht weiterhin Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten für eine umfassendere und effektivere Therapie des SLE. Trotz der komplexen Pathophysiologie des SLE und seiner Beeinflussung durch verschiedene Bereiche des Immunsystems spielt der Interferon-I-Weg eine zentrale Rolle. Eine vielversprechende, sich gerade etablierende Medikamentengruppe sind die Janus-Kinase-Inhibitoren, insbesondere Baricitinib, ein «small molecule», das die intrazelluläre Signaltransduktion von Interferonen und proinflammatorischen Zytokinen blockiert. Baricitinib wurde bislang zugelassen zur Therapie der rheumatoiden Arthritis (2017), atopischen Dermatitis (2020) und Alopecia areata (2022). Nachdem Baricitinib in einer ersten Phase-II-Studie bei SLE klinisch eine vielversprechende Aktivitätsminderung des Lupus und immunologisch eine Reduktion von IL-6, IL-12, CXCL10, CLL9 und TNF aufzeigte, präsentieren nun Morand und Koautoren die Ergebnisse einer ersten Phase-III-Studie [2].
Studienaufbau
Die SLE-BRAVE I Studie war eine multizentrische (182 Standorte in 18 Ländern), randomisierte, doppelt verblindete und Placebo-kontrollierte Studie an Patient*innen mit aktivem SLE. Dieser war durch ≥ 4 von 11 American College of Rheumatology-Kriterien, mindestens einem erhöhten Autoantikörper, einem Aktivitätsscore von ≥ 6 nach dem SLE Disease Activity Index 2000 (SLEDAI-2K) und nach der British Isles Lupus Assessment Group (BILAG) mindestens 1 Typ A- oder Typ B-Score charakterisiert. In die Studie wurden 760 SLE-Patient*innen aufgenommen und 1:1:1 auf drei Gruppen verteilt: 4 mg/d Baricitinib, 2 mg/d Baricitinib oder Placebo, jeweils zusätzlich zur bereits laufenden Standardtherapie. Nach 52 Wochen wurde der Anteil an Patient*innen bestimmt, die einen SLE-Responder Index (SRI) von ≥ 4 erreichten, was einer Besserung des SLEDAI-2K um mindestens 4 Punkte entspricht.
Studienergebnisse
Von den initial eingeschlossenen 760 Patient*innen wurden 581 zur finalen Auswertung herangezogen. In der 4 mg Baricitinib-Gruppe erreichten 57% einen SRI von ≥ 4, in der 2 mg Baricitinib-Gruppe 50% und in der Placebo-Gruppe 46%. Somit erbrachte 4 mg Baricitinib/d, nicht aber 2 mg/d, eine signifikante Besserung im Vergleich zu Placebo. Unter Baricitinib zeigte sich zudem ein teils signifikanter Trend zur weniger häufigen Verschlechterung (Verschlechterung des PGA um ≥ 3 Punkte) und geringeren Organausbreitung des SLE (Zunahme des BILAG-Score) im Vergleich zu Placebo. Eine Subgruppenanalyse bestätigte eine signifikante Besserung bei Patient*innen mit schwererem SLE (initialer SLEDAI-2K ≥ 10 oder einer bereits initial notwendigen Glukokortikosteroidtherapie von ≥ 10 mg/d). Die 2 mg-Gruppe zeigte einen Trend besser als Placebo, erreichte jedoch auch in diesen Subgruppen keine statistische Signifikanz. Eine weitere Subanalyse hob statistisch signifikante Verbesserungen im muskuloskeletalen und muskulokutanen Bereich hervor.
Die sekundären Endpunkte konnten jedoch nicht erreicht werden: Der Anteil an Patient*innen, bei denen die initiale Glukokortikosteroiddosis reduziert werden konnte, war annähernd gleich (34% in der 4 mg, 29% in der 2 mg Baricitinib-Gruppe, 31% in der Placebo-Gruppe). Ebenso blieben der mittlere Zeitraum bis zum nächsten schweren SLE-Schub, das Schmerzempfinden sowie die Müdigkeitsbewertung unbeeinflusst. Bezüglich Nebenwirkungen war die Gesamtzahl pro Gruppe zwar ähnlich, jedoch lag der Anteil an schweren Nebenwirkungen und Infektionen, insbesondere von Zoster, in der Baricitinib-Gruppe höher.
Fazit und Kritik
Obwohl die BRAVE-I Studie für die 4 mg Baricitinib-Gruppe ein statistisch signifikantes Erreichen des primären Endpunktes zeigte, konnten keine sekundären Endpunkte erreicht werden, insbesondere keine Reduktion der Glukokortikosteroiddosis oder der akuten SLE-Schübe. Die Ergebnisse bezüglich eines generellen Nutzens einer Baricitinib-Therapie bei SLE sind daher schwierig und uneinheitlich zu interpretieren. Betrachtet man selektiv die Gruppe an SLE-Patient*innen mit einem initialen SLEDAI-2K SRI von ≥ 10, so entsteht bei einer Ansprechrate von 68% mit einem SRI von ≥ 4 unter 4mg Baricitinib der Eindruck, als würde Baricitinib gerade in diesen schwereren Fällen hilfreich sein. Um diesen speziellen Effekt besser zu beleuchten, hätte man sich nachträglich gewünscht, dass besonders schwere Fälle von SLE wie diejenigen mit Lupus-Nephritis oder CNS-Beteiligung nicht primär ausgeschlossen worden wären. Jedoch spricht gegen diese Interpretation eine Subgruppenanalyse, die ein bevorzugtes Ansprechen im muskuloskeletalen und muskulokutanen Bereich aufzeigt und weniger bei anderen betroffenen Organsystemen. Letztlich führte die unklare Gesamtbewertung der Studie zu einer Wiederholungsdurchführung unter gleichen Studienparametern und mit ähnlicher Patient*innenzahl – BRAVE-II: Hier waren die Ergebnisse klarer, aber leider auch ernüchternder, da weder das signifikante Erreichen des primären Endpunktes für die 4 mg Baricitinib-Gruppe reproduzierbar war, noch irgendein statistisch signifikanter Benefit durch Baricitinib darstellbar war. Dies brachte die internationale Gruppe an Studieninitiatoren zu dem Schluß, Baricitinib als Therapeutikum eines SLE nicht weiter zu verfolgen. Ob dies das letzte Wort zum Thema Baricitinib und SLE ist, wird die Zukunft zeigen. Bemerken darf man jedoch, dass auch diese Studie aufzeigt, welch komplexe und in ihrer Gesamtheit schwierig zu therapierende Erkrankung ein SLE darstellt. Fragen darf man, ob die Erwartungen an ein neues Medikament nicht auch sehr hoch gesteckt sind und vielleicht doch das eine oder andere moderne Immunsuppressivum nicht gleich besser als die bekannte Standardtherapie sein muss, aber durchaus als Alternative dienen könnte.
Disclosure Statement
Der Autor versichert, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit vorliegendem Wissenstransfer bestehen.
Zweitpublikation
Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in Kompass Dermatol 2024;12(1):23–25.