Zusammenfassung
Systemischer Lupus erythematodes (SLE), das Antiphospholipid-Syndrom (APS) und das Sjögren-Syndrom (SS) sind heterogene Autoimmunerkrankungen. Schwere Ausprägungen sowie Therapieresistenz bzw. -unverträglichkeit gegenüber herkömmlichen Immunsuppressiva erfordern andere Behandlungsoptionen, d.h. biologische Arzneimittel und kleine Moleküle. Unser Ziel war es, evidenz- und praxisbasierte Leitlinien für die zulassungsüberschreitende Anwendung von Biologika bei SLE, APS und SS zu definieren. Die Empfehlungen wurden nach einem umfassenden Literaturreview und 2 Konsensrunden durch ein unabhängiges Expertengremium abgegeben. Das Gremium umfasste 17 Experten für Innere Medizin mit anerkannter Praxis im Bereich der Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Die Literaturrecherche erfolgte systematisch für die Jahre von 2014 bis 2019 und wurde später durch Querverweisprüfungen und Experteninformationen bis 2021 aktualisiert. Es wurden vorläufige Empfehlungen von Arbeitsgruppen für jede Krankheit erarbeitet. Ein Revisionsmeeting mit allen Experten fand vor dem Konsensmeeting im Juni 2021 statt. Alle Experten stimmten in 2 Runden ab (stimme zu, stimme nicht zu, stimme weder zu noch widerspreche ich), und Empfehlungen mit mindestens 75% Zustimmung wurden anerkannt. Insgesamt 32 abschließende Empfehlungen (20 für die SLE-, 5 für die APS- und 7 für die SS-Behandlung) wurden von den Experten anerkannt. Diese Empfehlungen berücksichtigen die Organbeteiligung, die Ausprägung, den Schweregrad und das Ansprechen auf frühere Behandlungen. Bei diesen 3 Autoimmunkrankheiten beziehen sich die meisten Empfehlungen auf Rituximab, was auf die höhere Anzahl von Studien und der klinischen Erfahrung mit diesem biologischen Wirkstoff zurückzuführen ist. Eine sequenzielle Behandlung mit Belimumab nach Rituximab kann auch bei schweren Fällen von SLE und SS indiziert sein. Eine Zweitlinientherapie mit Baricitinib, Bortezomib, Eculizumab, Secukinumab oder Tocilizumab kann bei SLE-spezifischen Ausprägungen erwogen werden. Diese evidenz- und praxisbasierten Empfehlungen können die Behandlungsentscheidung unterstützen und letztendlich das Behandlungsergebnis bei Patienten mit SLE, APS oder SS verbessern.
Einleitung
Systemischer Lupus erythematodes (SLE), das Antiphospholipid-Syndrom (APS) und das Sjögren-Syndrom (SS) sind systemische Autoimmunerkrankungen (SAID), die durch Veränderungen der Immunität und der Entzündungswege gekennzeichnet sind [1]. Infolgedessen können mehrere Körpergewebe durch das Immunsystem des Patienten beeinträchtigt sein. SAID haben oft einen Rückfall-Remissions-Verlauf und es können kritische Schübe oder schwere Ausprägungen auftreten, die manchmal lebensbedrohlich sind [2]. Der Behandlungsstandard (standard of care; SoC) bei SAID besteht aus der Behandlung mit Kortikosteroiden und herkömmlichen Immunsuppressiva [3]. Diese Wirkstoffe sind bei den meisten Patienten wirksam, aber es können Nebenwirkungen und refraktäre Fälle auftreten [3, 4]. Aus diesem Grund werden Arzneimittel mit einem besseren Nutzen/Risiko-Profil benötigt, insbesondere nach unzureichendem Behandlungserfolg mit dem SoC [5]. Biologische Wirkstoffe, Immunglobuline und kleine biotechnologische Moleküle sind zu einem Markenzeichen bei der Behandlung schwerer Ausprägungen von SAID geworden, sei es allein oder als Zusatztherapie zu herkömmlichen Immunsuppressiva [3, 6]. Viele dieser Arzneimittel wurden jedoch aufgrund fehlender randomisierter Studien bei solchen heterogenen und oft seltenen Erkrankungen zulassungsüberschreitend eingesetzt. Darüber hinaus hat die biologische Therapie trotz ihrer Wirksamkeit und ihres oft sicheren Profils häufig höhere Kosten und steht nur eingeschränkt zur Verfügung [3, 4].
In diesem Zusammenhang zielte die Studiengruppe für Autoimmunerkrankungen der Portugiesischen Gesellschaft für Innere Medizin (NEDAI) darauf ab, die Evidenz (aus klinischen Studien und Real-World-Settings) zu überprüfen und Empfehlungen für die zulassungsüberschreitende Anwendung von Biologika bei SAID, d.h. SLE, APS und SS, zu definieren.
Methoden
Die Empfehlungen wurden nach einem umfassenden Literaturreview und 2 Konsensrunden durch ein unabhängiges Expertengremium abgegeben (Abb 1). Dies ist eine nützliche Methodik, wenn die Nachweise durch randomisierte kontrollierte Studien (RCT) begrenzt und die zu behandelnden klinischen Fragen klar definiert sind [2, 7].
Alle NEDAI-Mitglieder im Jahr 2019 (n = 19) wurden eingeladen und 17 Experten nahmen teil. Alle Experten verfügen über langjährige Erfahrung in der Betreuung von Patienten mit SAID an Universitäts- und Tertiärkrankenhäusern in Portugal.
Im Juni 2018 und Juni 2019 wurden 2 vorläufige Expertentreffen durchgeführt, um den Umfang der Empfehlungen festzulegen. Die folgenden klinischen Fragen und Definitionen wurden berücksichtigt:
– Kann eine «biologische Therapie» als Erst-/Zweitlinienbehandlung in Betracht gezogen werden? Unter welchen klinischen Umständen? Welches «biologische Arzneimittel» kann unter Berücksichtigung des betroffenen Organs/klinischen Umfelds für die Erst-/Zweitlinienbehandlung verwendet werden?
– Die «biologische Therapie» umfasste alle biologischen Wirkstoffe, kleinen Moleküle und Immunglobuline.
– Zulassungsüberschreitende Anwendung: die Behandlung mit einer biologischen Therapie bei SAID, für die sie (in Europa) nicht zugelassen ist, unabhängig davon, ob sie für die Behandlung anderer Krankheiten zugelassen ist.
– Erstlinientherapie: biologische Therapie, die gleichzeitig mit oder nach der Behandlung mit einem Glukokortikoid angewendet wird.
– Zweitlinientherapie: biologische Therapie, die nach immunsuppressiven Arzneimitteln des SoC oder nach biologischen Wirkstoffen der Erstlinientherapie angewendet wird.
Es wurde eine systematische Suche in PubMed durchgeführt. Die Einschlusskriterien wurden vor der Literaturrecherche festgelegt. Publikationen, die alle der folgenden Kriterien erfüllten, wurden aufgenommen: 1) Evaluierung der Behandlung mit einem biologischen Wirkstoff/einem kleinen Molekül, 2) zu einer der definierten SAID, 3) bei erwachsenen Patienten, 4) unabhängig von der Art der Studie (Fallberichte und Reviews wurden aufgenommen) und 5) in englischer Sprache. Veröffentlichungen, die über andere als die definierten Krankheiten oder sekundäre SAID, die Diagnose oder Identifizierung von Risikofaktoren, die Bewertung von Molekülen oder Biomarkern oder In-vitro- oder Ex-vivo-Studien berichten, wurden ausgeschlossen. Das Screening der Publikationen wurde von 2 unabhängigen Gutachtern durchgeführt. Im Falle von Uneinigkeit wurden die Fälle diskutiert und bei Bedarf wurde ein dritter Gutachter hinzugezogen. Der Prozess und die Ergebnisse des systematischen Reviews sind in der Zusatzinformation dargestellt.
Arbeitsgruppen mit Experten, die nur einer Krankheit zugeordnet waren, erhielten einen Überblick über die daraus resultierende Evidenz, um eine Reihe vorläufiger Empfehlungen für Biologika als Erst- und Zweitlinientherapie zu erstellen. Das Schreiben der Empfehlungen wurde von allen Experten während eines Treffens im Februar 2020 besprochen. Nach den Überarbeitungen der Arbeitsgruppen wurden die Empfehlungen nach dem Grad der Evidenz und der Stärke der Empfehlung gemäß den Standards des Oxford Centre for Evidence-Based Medicine (Zusatzinformation) [8] von 2016 klassifiziert. Die Experten definierten außerdem 6 Kategorien für die klinische Anwendung, basierend auf der verfügbaren Evidenz und ihrer klinischen Erfahrung (Tabelle 1).
Die Empfehlungsentwürfe wurden dann während eines Online-Konsensmeetings im Juni 2021 abgestimmt (Zusatzinformation). Wenn der Grad der Übereinstimmung (d.h. das Verhältnis der Anzahl der Experten, die der Empfehlung zugestimmt hatten, zur Gesamtzahl der Experten) unter 75% lag, wurde die Empfehlung von der Arbeitsgruppe überarbeitet und gegebenenfalls für eine zweite Konsensrunde (Online-Umfrage) im September 2021 eingereicht. Die Tabellen 2–4 enthalten nur die anerkannten Empfehlungen (d.h. die mit einer Zustimmung von ≥ 75%).
Empfehlungen
Zulassungsüberschreitende biologische Therapie bei SLE
Krankheitshintergrund
Der SLE kann mehrere Organe betreffen, darunter die Haut, die Niere, das Herz, die Lunge und das hämatologische, das muskuloskelettale und das Nervensystem [2, 9]. Die Inzidenz von Schüben liegt bei etwa 0,65 pro Patientenjahr, und obwohl das 10-Jahres-Überleben höher als 90% ist [10], scheint etwa ein Drittel der SLE-Todesfälle auf die Krankheit selbst zurückzuführen zu sein [11]. Daher sollte die Behandlung darauf abzielen, Schäden vorzubeugen und die Krankheitskontrolle aufrechtzuerhalten, während die geringstmögliche Dosis von Kortikosteroiden angewendet wird, um letztendlich die Morbidität und Mortalität zu reduzieren [2, 9, 12]. Bis zu 20% der Patienten mit SLE sprechen jedoch nicht ausreichend auf herkömmliche Behandlungen mit Kortikosteroiden und Immunsuppressiva an [10]. Darüber hinaus ist die medikamenteninduzierte Toxizität häufig, insbesondere bei Patienten, die längere Behandlungen erhalten, und bei Patienten mit refraktärer Erkrankung und/oder Lupusnephritis (LN) [13].
Die Daten zu den meisten biologischen Therapien bei der SLE-Behandlung sind verstreut, obwohl mehrere RCT durchgeführt wurden und Rituximab (RTX) ausgiebig eingesetzt wurde [14]. Belimumab ist für die SLE-Behandlung als Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit hoher Krankheitsaktivität trotz SoC-Therapie und in Kombination mit immunsuppressiven Hintergrundtherapien für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit aktiver LN zugelassen. Eine gepoolte Analyse von Belimumab-RCT bestätigte dessen Wirksamkeit unabhängig von der Begleitmedikation [15] – mit einer Verringerung der Krankheitsaktivität, insbesondere in den muskuloskelettalen und mukokutanen Organbereichen [16], einer besseren Lebensqualität [17], der Reduzierung langfristiger Organschäden [18] und einer bis zu 7–12 Jahre erhaltenen Wirksamkeit [19]. Eine 2-jährige Phase-III-RCT zeigte eine Verbesserung des Nierenansprechens bei Patienten mit aktiver LN, die Belimumab sowie die Standardtherapie erhielten, während das Risiko von renalen Nebenwirkungen oder Tod reduziert wurde [20]. Die Wirksamkeit von Belimumab wurde auch in mehreren offenen und Real-World-Studien beobachtet [21].
Anifrolumab ist ein Typ-I-Interferonrezeptor-Antagonist, der die Krankheitsaktivität bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem SLE reduziert [22, 23]. Eine Phase-III-RCT (Tulip-2-Studie) zeigte die Wirksamkeit von Anifrolumab durch einen kombinierten Endpunkt in Woche 52 – Verringerung der moderaten bis schweren Baseline-Erkrankungsaktivität und keine Verschlechterung in 1 von 9 BILAG-Organsystemen (BILAG = British Isles Lupus Assessment Group), keine Verschlechterung des SLE-Krankheitsaktivitätsindex (SLEDAI) und keine Zunahme um ≥ 0,3 Punkte im Physician’s Global Assessment der Krankheitsaktivität [24]. Anifrolumab wurde 2022 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) als Zusatztherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelschwerem bis schwerem, aktivem Autoantikörper-positivem SLE trotz Standardtherapie zugelassen.
Definitionen
– SLE mit unzureichendem Ansprechen auf SoC: Resterkrankungsaktivität, die eine Reduzierung der Glukokortikoide auf weniger als 5 mg/Tag nicht zulässt und/oder häufige Schübe [2]
– Sehr aktiver SLE: Patienten mit einem SLEDAI > 20 oder BILAG 3As [25]
– Anhaltender aktiver SLE: Patienten mit einer aktiven Erkrankung seit 1 oder mehr Jahren [26]
– Schub: messbarer Anstieg der Krankheitsaktivität, der in der Regel die Notwendigkeit einer Anpassung der Behandlung zur Folge hat [2]
– Schwere Nierenerkrankung: definiert als Nephritis im Stadium IV, Vorhandensein von glomerulärer Halbmondbildung und/oder Nierenversagen (glomeruläre Filtrationsrate (GFR) < 60 ml/min/1,73 m2)
– Schwere Zentralnervensystem (ZNS)-Erkrankung: definiert als neuropsychiatrische oder ophthalmologische Beteiligung
Empfehlungen und Zusammenfassung der Evidenz
Die Empfehlungen für die zulassungsüberschreitende biologische Therapie des SLE sind in Tabelle 2 dargestellt.
Rituximab. RTX wird als Erstlinientherapie bei Patienten mit sehr aktiver Erkrankung, schwerer hämolytischer Anämie oder Thrombozytopenie mit Risiko für Tod oder Organschäden, schwerer Nierenerkrankung (Stadium 4, Vorhandensein von glomerulärer Halbmondbildung und/oder Nierenversagen) oder schwerer ZNS-Erkrankung empfohlen. RTX wird als Zweitlinientherapie bei Patienten mit anhaltend aktiver Erkrankung für mindestens 1 Jahr mit Schüben und insbesondere bei Patienten mit sehr aktiver Erkrankung, hämolytischer Anämie oder Thrombozytopenie, schwerer Nierenerkrankung oder mittelschwerer oder schwerer ZNS-Erkrankung empfohlen.
Obwohl RCT die Wirksamkeit von RTX bei der Behandlung von SLE [27] und LN [28] nicht gezeigt hatten, zeigten mehrere Beobachtungsstudien – einschließlich Register- [29‒32] und große retrospektive Studien [33‒35] – die Wirksamkeit von RTX und eine geringe Inzidenz von unerwünschten Nebenwirkungen bei der Behandlung von refraktärem SLE, auch bei Patienten mit längerer Behandlungsvorgeschichte [36]. Diese Unterschiede zwischen Beobachtungsstudien und RCT können auf die Heterogenität der SLE-Population im Real-World-Setting und einige methodische Probleme von RCT (wie mangelnde Power und die Auswahl der Endpunkte) zurückzuführen sein [37, 38]. Einige Metaanalysen, die Beobachtungsergebnisse enthielten, zeigten die Wirksamkeit von RTX bei SLE und LN mit einer Schätzung des vollständigen Ansprechens von 46–57% bzw. 36–51% [38‒40].
Der erfolgreiche Einsatz von RTX als Induktionstherapie bei refraktärer LN wurde auch in mehreren Studien berichtet [41], unter anderem bei Patienten mit schlechteren prognostischen Faktoren in Bezug auf die Nierenerkrankung [42] und Patienten mit membranöser LN (Typ V) [43]. Eine gepoolte Analyse der Daten aus europäischen Kohorten zeigte, dass eine Zusatzbehandlung mit RTX bei Patienten mit Typ-IV- und Typ-V-LN erfolgreich war – wenn auch weniger als bei Patienten mit Typ-III-LN [44]. Eine kürzlich durchgeführte Netzwerk-Metaanalyse verglich eine Zusatztherapie mit RTX mit einer Kombinationstherapie mit Leflunomid und Tacrolimus. Da die mit RTX behandelte Population jedoch augenscheinlich eine schwerere Erkrankung aufweist, waren die Schlussfolgerungen möglicherweise verzerrt [45].
RTX wurde erfolgreich bei der Behandlung von SLE-assoziierter refraktärer Zytopenie [46, 47], einschließlich Thrombozytopenie [48] und autoimmunhämolytischer Anämie (AIHA) [49], eingesetzt. Darüber hinaus zeigt eine Metaanalyse die Wirksamkeit von RTX bei der Behandlung von AIHA und mikroangiopathischer hämolytischer Anämie [50]. Ein Fallbericht zeigte die Wirksamkeit der RTX-Behandlung bei kortikosteroidresistenter Immunthrombozytopenie im Zusammenhang mit SLE [51].
Die Wirksamkeit der RTX-Behandlung wurde auch bei refraktären Fällen mit neuropsychiatrischer Beteiligung, bei Patienten mit Delirium oder Psychose [52‒54] und bei ophthalmologischen Ausprägungen [55] berichtet. Darüber hinaus deuten einige Fallberichte darauf hin, dass RTX als Erstlinientherapie bei schwerem neuropsychiatrischem SLE [56], einschließlich des demyelinisierenden Syndroms als Folge von SLE, schwerer kognitiver Dysfunktion, Hirnstammerkrankung, Hirnnervenlähmungen und Schwäche und Taubheit in den Gliedmaßen [57], oder bei gleichzeitiger neuropsychiatrischer und renaler Beteiligung [58] nützlich sein kann.
Sequenzielle Therapie mit Rituximab gefolgt von Belimumab. Die sequenzielle Therapie von RTX gefolgt von Belimumab kann als Erstlinientherapie bei Patienten mit sehr aktiver Erkrankung oder mit schwerer Nierenerkrankung (Stadium IV, Vorhandensein von glomerulärer Halbmondbildung und/oder Nierenversagen (GFR < 60 ml/min/1,73 m2)) eingesetzt und bei Patienten mit schwerer ZNS-Erkrankung in Betracht gezogen werden. RTX-Belimumab wird als Zweitlinientherapie bei RTX-erfahrenen Patienten mit sehr aktiver Erkrankung, schwerer Nierenerkrankung oder mittelschwerer bis schwerer ZNS-Erkrankung empfohlen.
Obwohl die Wirksamkeit von Belimumab beim SLE nachgewiesen wurde, bleibt die Erkrankung bei einigen Patienten aktiv. In Übereinstimmung mit mehreren Fallberichten [59] zeigte die Phase-II-Studie SynBioSe signifikante klinische und immunologische Verbesserungen gegenüber dem Ausgangswert bei Patienten mit schwerem refraktärem SLE, die RTX gefolgt von Belimumab erhielten. Zudem wurde gezeigt, dass die Behandlung bei den Patienten über 2 Jahre hinweg ansprach [60, 61]. Andere Studien beschrieben die erfolgreiche Behandlung von RTX-refraktärer LN [62, 63], während die CALIBRATE-Studie (eine offene RCT der Phase II) keine klinische Verbesserung durch die Belimumab-Infusionen nach RTX plus Cyclophosphamid zur Behandlung von refraktärer LN zeigte [64]. Es wurde ein Fall mit einem erfolgreichen Ergebnis der sequenziellen Behandlung bei neuropsychiatrischem SLE berichtet [65]. Die BEAT-LUPUS-Studie [66] und die BLISS-BELIEVE-Studie [67] bewerteten diese Kombination und die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Zugabe eines einzelnen RTX-Zyklus zur Belimumab-Therapie den Anteil der Behandlungserfolge nicht verbessert. Allerdings zeigten Patienten mit Anti-dsDNA-Antikörpern (ds = doppelsträngig) nach 52 Wochen eine signifikant größere Abnahme der medianen Spiegel bei denen in der Belimumab-RTX-Gruppe als bei denen im Belimumab-Placebo-Arm, mit einer Verringerung um 69,2% gegenüber 46,1% [68].
Baricitinib. Baricitinib kann als Zweitlinientherapie bei Patienten mit anhaltend aktiver Erkrankung und vorherrschender Arthritis eingesetzt werden. Baricitinib ist ein oraler selektiver Januskinase (JAK)1- und JAK2-Inhibitor, der für die Behandlung von rheumatoider Arthritis und atopischer Dermatitis zugelassen ist [69]. Eine doppelblinde Phase-II-RCT mit 314 Patienten mit aktivem SLE, bei denen die Haut oder Gelenke betroffen waren, zeigte, dass Baricitinib 4 mg die Anzeichen und Symptome des aktiven SLE signifikant verbesserte – mit einem größeren Anteil (im Vergleich zu Placebo) an Patienten, die eine Linderung der Arthritis/des Hautausschlags erreichten – bei Patienten, bei denen eine angemessene Kontrolle der Erkrankung mit einem SoC-Ansatz fehlschlug [70]. Es wurde eine hohe Anzahl schwerer Infektionen beobachtet, wenn auch ähnlich wie bei Belimumab [70‒72]. Im Januar 2022 wurde das Phase-3-Entwicklungsprogramm von Baricitinib bei der SLE-Behandlung aufgrund schlechter Wirksamkeitsergebnisse in der SLE-BRAVE-II-Studie (NCT03616964) abgebrochen, obwohl SLE-BRAVE-I (NCT03616912) eine signifikante Verringerung der Krankheitsaktivität zeigte, die mit dem Standardmaß SRI-4 (SRI = SLE Responder Index) bewertet wurde.
Bortezomib. Bei Patienten mit sehr aktiver Erkrankung, die bereits mit RTX behandelt wurden, kann Bortezomib als Zweitlinientherapie in Betracht gezogen werden. Mit Bortezomib konnte die Krankheitsaktivität bei refraktärem SLE [73] und refraktärer LN [74, 75] reduziert werden und 1 Patient mit SLE und warmer AIHA (wAIHA), der gegenüber RTX refraktär war, konnte erfolgreich behandelt werden [76]. Das Sicherheitsprofil erfordert jedoch die Überwachung von unerwünschten Nebenwirkungen wie eine periphere Neuropathie und Hypogammaglobulinämie [77]. Eine doppelblinde RCT konnte die Wirksamkeit von Bortezomib aufgrund von unerwünschten Nebenwirkungen nicht nachweisen, da es zu einer hohen Abbruchquote kam [78]. 1 Fallbericht zeigte, dass niedrigere Dosen von Bortezomib (d.h. mit längeren Intervallen für die Verabreichung des Arzneimittels) für die Behandlung von Patienten mit gleichzeitigem multiplem Myelom nützlich sein könnte, obwohl der Patient einen leicht aktiven SLE aufwies [77]. Eine sequenzielle Behandlung mit Belimumab kann laut einem Bericht von 2 Fällen die Regeneration autoreaktiver B-Zellen reduzieren [79].
Eculizumab. Bei Patienten mit refraktärer LN kann Eculizumab in multirefraktären Fällen in Betracht gezogen werden. Eculizumab ist ein rekombinanter humanisierter monoklonaler Antikörper (mAK), der an die Komplementkomponente C5 bindet und deren Aktivierung verhindert [80]. Eine placebokontrollierte, doppelblinde Phase-I-RCT mit 24 Patienten mit SLE konnte die Wirksamkeit von Eculizumab gemäß den Labor- und klinischen Parametern sowie den SLEDAI-Scores nicht nachweisen [81]. In den Fallberichten wurden jedoch gute Ergebnisse mit Eculizumab bei der Behandlung der refraktären LN beschrieben [82, 83]. In einer Überprüfung des SLE mit Nierenbeteiligung zeigten alle Patienten (n = 6) unabhängig von der gleichzeitigen LN eine anhaltende Verbesserung der Nierenfunktion und eine Normalisierung der Komplementparameter nach der Behandlung mit Eculizumab (mediane Nachbeobachtungszeit von 9 Monaten) [80]. Dieses erfolgreiche Ansprechen wurde auch bei Patienten mit refraktärer thrombotischer Mikroangiopathie im Zusammenhang mit LN oder SLE beobachtet [84].
Secukinumab. Bei Patienten mit aktiver LN kann Secukinumab als Zweitlinientherapie für multirefraktäre Fälle in Betracht gezogen werden. Secukinumab ist ein humaner IgG1κ-mAK, der an Interleukin (IL)-17A bindet. Es wurde für die Behandlung von Lupus vorgeschlagen, da TH17-Zellen (Subgruppe der T-Helfer-Zellen) an der SLE-Pathogenese beteiligt sind [85]. Ein Fallbericht einer 62-jährigen Frau mit Psoriasis vulgaris und refraktärer LN, die die Proliferation von aktivierten TH17-Zellen im peripheren Blut und eine Niereninfiltration mit IL-17-positiven Lymphozyten zeigte, wurde sowohl in Bezug auf die Psoriasis als auch auf die LN erfolgreich mit Secukinumab behandelt [86]. Eine laufende RCT der Phase 3 wird subkutanes Secukinumab im Vergleich zu Placebo in Kombination mit dem SoC bei Patienten mit aktiver LN (NCT04181762) untersuchen.
Tocilizumab. Tocilizumab kann bei persistentem aktivem SLE mit vorherrschenden Arthritisschüben für mindestens 1 Jahr in Betracht gezogen werden. Eine offene Phase-I-Studie mit 16 Patienten mit leicht bis mäßig aktivem SLE zeigte ein klinisches und serologisches Ansprechen nach der Behandlung mit Tocilizumab [87]. Dessen Verwendung als Zusatztherapie bei SLE wurde in Fallberichten mit erfolgreichen Ergebnissen bei Patienten mit Arthritisschüben [88, 89] oder mit refraktärer Serositis [90, 91] beschrieben. Tocilizumab wurde auch bei 1 Patienten mit SLE und AIHA, der gegen eine RTX-Behandlung refraktär war, erfolgreich eingesetzt [92]. Neutropenie und das erhöhte Infektionsrisiko begrenzen die Anwendung von Tocilizumab bei der SLE-Behandlung [87].
Sonstige Biologika. RCT konnten die Wirksamkeit von Abatacept bei der Behandlung von aktiver LN [93, 94] oder SLE [95] nicht nachweisen, obwohl einige explorative Endpunkte im Zusammenhang mit der Gelenkbeteiligung gute Ergebnisse zeigten.
Eine Phase-I-RCT zeigte, dass bei 5 von 12 mit Dapirolizumab behandelten Patienten in Woche 2 ein SRI-4-Ansprechen erreicht werden konnte (gegenüber 1 von 7 in der Placebogruppe) [96]. Die RCT der Phase IIb bei Erwachsenen mit mäßig bis stark aktivem SLE erreichte jedoch trotz der Verbesserung anderer sekundärer Endpunkte und Biomarker ihren primären Endpunkt in Woche 24 nicht [97]. Eine Phase-III-Studie läuft (NCT04294667).
Daratumumab, ein mAk gegen CD38, induzierte bei Fällen von lebensbedrohlichem Lupus ein erhebliches klinisches Ansprechen, das anschließend durch eine Erhaltungstherapie mit Belimumab aufrechterhalten wurde [98, 99].
Nach einigen Reviews können intravenöse Immunglobuline (IVIG) bei akuten schweren Schüben oder refraktärem SLE sowie bei der LN-Behandlung in Betracht gezogen werden [100, 101]. IVIG wurden auch erfolgreich bei der Behandlung von SLE-assoziierter schwerer Myelitis eingesetzt [102].
Eine prospektive, offene, 1-armige Phase-I/IIa-Studie untersuchte die Sicherheit, Verträglichkeit und das Ansprechen von regulatorischen T-Zellen (Treg) auf niedrigdosiertes IL-2 bei Patienten mit aktivem und refraktärem SLE [103]. Obwohl die Ansprechbarkeit auf IL-2 bei Treg von Patienten mit SLE keine Beeinträchtigung zeigte, war das klinische Ansprechen vorübergehend und sank zwischen den Zyklen fast auf den Ausgangswert, was darauf hindeutet, dass die Anwendung einer zyklischen Behandlungsweise suboptimal sein könnte.
Die Verwendung von Anti-Tumornekrosefaktor (TNF)-Antikörpern bei SLE ist aufgrund des Risikos von Krankheitsschüben umstritten [14, 104]. Die kurzfristige Anwendung von Infliximab war in einer offenen Studie mit Patienten mit mäßig aktivem SLE erfolgreich [105]. Allerdings konnte das klinische Ansprechen bei Patienten mit Lupus-Arthritis (n = 5) für weniger als 2 Monate nach der letzten Infusion aufrechterhalten werden. Die Langzeittherapie war bei 2 Patienten auch mit schwerwiegenden unerwünschten Nebenwirkungen (SAE) verbunden.
Die Kombination von Obinutuzumab mit Mycophenolat und Steroiden wurde bei Patienten mit aktiver Typ-III/IV-LN in einer placebokontrollierten RCT der Phase II untersucht. In Woche 52 wurde für einen höheren Anteil der mit Obinutuzumab behandelten Patienten ein Ansprechen erreicht (wenn auch nicht statistisch signifikant), und in Woche 104 wurde eine statistisch signifikante Verbesserung des vollständigen Nierenansprechens um 19% beobachtet [106]. In einer kleinen Beobachtungsstudie mit 4 Non-Respondern auf RTX, deren Behandlung auf Ocrelizumab umgestellt wurde, wurde bei 3 von ihnen das klinische Ansprechen erreicht und in den folgenden 5 Jahren aufrechterhalten, aber es wurden 6 SAE beobachtet (4 schwere Infektionen) [107]. In Bezug auf Ofatumumab zeigte eine Fallreihe mit Patienten mit SLE, die RTX nicht vertrugen, dass bei 12 Patienten mit LN die Hälfte nach 6 Monaten Behandlung mit Ofatumumab eine Nierenremission erreichte [108].
Die Anti-CD19-CAR-T-Zell-Therapie (CAR = chimärer Antigenrezeptor) wurde bei 5 Patienten mit refraktärem SLE untersucht, die nach 3 Monaten nach einer gut verträglichen Behandlung eine SLE-Remission erreichten [109].
Zulassungsüberschreitende biologische Therapie beim APS
Krankheitshintergrund
Das APS ist durch das Vorhandensein von persistenten Antiphospholipid-Antikörpern (aPL) gekennzeichnet, die zu Thrombosen in Venen, Arterien und Mikrogefäßen sowie zu Komplikationen bei der Geburt führen [110]. Etwa 1% der Patienten entwickeln eine katastrophale APS (CAPS), eine schwere und häufig tödliche Ausprägung [111, 112]. CAPS ist definiert als Thrombosen kleiner Gefäße in 3 oder mehr Organen, Systemen und/oder Geweben, die entweder gleichzeitig oder innerhalb von 1 Woche auftreten – mit histologischer Bestätigung des Verschlusses der kleinen Gefäße, bei persistierenden aPL und in Abwesenheit einer Vaskulitis [113]. Patienten mit anderen SAID (am häufigsten SLE) können ebenfalls aPL aufweisen, was das Risiko thrombotischer Nebenwirkungen erhöht [110].
Die Thromboseprävention erfordert Antikoagulanzien und Antithrombozytenaggregationsmittel [114]. Bei Patienten mit rezidivierender Thrombose, schwankender INR (International Normalized Ratio) oder bei Patienten mit hohem Risiko für schwere Blutungen können alternative Therapien in Betracht gezogen werden, einschließlich niedermolekularem Heparin, Hydroxychloroquin oder Statinen [110]. Bei Patienten mit CAPS basiert die akute Behandlung auf einer Kombinationstherapie mit Antikoagulation, Kortikosteroiden, Plasmaaustausch und/oder IVIG-Gabe und in CAPS-Fällen, die durch ein infektiöses Ereignis ausgelöst werden, auf systemischen Antibiotika [110, 113‒115]. Einige Empfehlungen schlagen die Verwendung von RTX bei refraktären APS-Patienten [116] und RTX oder Eculizumab bei refraktärem CAPS vor [113, 114, 117].
Empfehlungen und Zusammenfassung der Evidenz
Die Empfehlungen für die zulassungsüberschreitende biologische Therapie von APS und CAPS sind in Tabelle 3 dargestellt.
Intravenöse Immunglobuline. Die akute Behandlung mit Antikoagulanzien, Kortikosteroiden und IVIG ist der aktuelle SoC bei CAPS. Das CAPS-Register hat eine signifikant niedrigere Mortalität bei CAPS-Patienten, die eine Kombinationstherapie erhielten, gezeigt im Vergleich zu denen, die andere Behandlungen erhielten (Odds Ratio (OR) 0,51; 95%-Konfidenzintervall (KI) 0,27–0,95) [117].
Trotz der geringen und uneindeutigen Beweislage aus den Veröffentlichungen zwischen 2014 und 2019 wurden IVIG bei der Behandlung von APS-Patienten mit rezidivierender Thrombose [118], APS mit geburtshilflichen Komplikationen [119‒122] und CAPS [123] eingesetzt. In der Regel in Dosen von 0,4 g/kg/Tag für 5 Tage verabreicht können IVIG bei Patienten mit Thrombozytopenie nützlicher sein und haben den Vorteil, dass sie immunmodulatorisch und nicht immunsuppressiv sind [117, 118]. IVIG waren jedoch auch mit einem erhöhten thrombotischen Risiko und einer Verschlechterung der Nierenfunktion verbunden, insbesondere bei älteren Patienten [117].
Rituximab. RTX kann als Erstlinientherapie bei CAPS-Patienten zusätzlich zur Kombinationstherapie (Glukokortikoide, Antikoagulation, Plasmapherese und/oder IVIG und systemische Antibiotika, falls angemessen) eingesetzt werden. Es wurde berichtet, dass RTX bei der akuten Behandlung von CAPS als Teil der Kombinationsbehandlung erfolgreich ist [124, 125], insbesondere bei lebensbedrohlichen Komplikationen [126]. Das CAPS-Register zeigte, dass sich von 20 Patienten, die mit RTX 375 mg/m2 wöchentlich für 4 Wochen oder 1 g alle 14 Tage für 2 Sitzungen behandelt wurden, 75% (n = 15) erholten, von denen 87% (n = 13) während der Nachbeobachtung keine rezidivierende Thrombose hatten [115, 127]. Bei 1 Patienten mit einem subakuten Wiederauftreten von CAPS, der mit einer Kombinationstherapie mit RTX behandelt wurde [128], und bei 1 Patienten mit diffuser alveolärer Blutung, der nur mit RTX und Glukokortikoiden behandelt wurde [129], wurde über ein fehlendes Ansprechen berichtet.
Patienten mit CAPS und anderen SAIDs, z.B. SLE, können von RTX zusätzlich zur Kombinationstherapie (Glukokortikoide, Antikoagulation, IVIG, systemische Antibiotika, falls angemessen) profitieren. Eine monozentrische retrospektive Analyse zeigte eine konsistente Verbesserung bei 5 von 6 Patienten mit SLE-assoziiertem APS nach der Behandlung mit RTX [130]. Die Indikationen für die RTX-Therapie waren ein Versagen der Warfarin-Therapie trotz der adäquaten Ziel-INR (4 Fälle) und eine lebensbedrohliche aktive Krankheit, die gegenüber der konventionellen Therapie refraktär war (1 Fall von transverser Myelitis und 1 weiterer Fall von diffuser alveolärer Blutung). Alle Patienten wurden zuvor konventionell behandelt. Außerdem wurde die Wirksamkeit von RTX bei Fallberichten über SLE-assoziiertes APS [131] oder CAPS gezeigt [132, 133].
RTX kann als Erstlinientherapie bei APS-Patienten mit schwerer Thrombozytopenie eingesetzt werden. Eine offene Pilotstudie mit 19 aPL-positiven Patienten berichtete, dass RTX eine gewisse Wirksamkeit bei der Kontrolle von Ausprägungen wie Thrombozytopenie, hämolytischer Anämie und Hautgeschwüren hatte [134].
Sonstige biologische Therapien. Es wurde berichtet, dass Patienten mit refraktärem CAPS und Patienten mit Nierentransplantaten und APS oder CAPS erfolgreich mit Eculizumab behandelt werden konnten, und einige Autoren schlagen vor, es bei refraktären Patienten einzusetzen, die auf andere Therapeutika nicht ansprechen [135, 136].
Zulassungsüberschreitende biologische Therapie beim SS
Krankheitshintergrund
Das SS gehört zu den häufigsten SAID und tritt oft zusammen mit anderen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, SLE, Sklerodermie oder Hypothyreose auf, wobei das SS in Europa eine Prävalenz zwischen 0,1% und 4,8% aufweist [137, 138]. Es ist durch eine lymphozytäre Infektion des Epithels der exokrinen Drüsen gekennzeichnet, was zu Xerostomie und Xerophthalmie (d.h. Sicca-Symptomen) führt [139]. Symptome, die über die Drüsen hinausgehen, können bei mindestens einem Drittel der Patienten in Form von chronischer Müdigkeit, Arthralgie und einer Organbeteiligung wie beispielsweise der Lunge, der Haut, der Nieren und des Nervensystems auftreten [140].
Die Behandlung des SS ist hauptsächlich empirisch und symptomorientiert [140, 141]. Einige Empfehlungen deuten darauf hin, dass systemische immunsuppressive Therapien, einschließlich Glukokortikoiden und Immunglobulinen, auf Patienten mit aktiver systemischer Erkrankung beschränkt und nur nach Bewertung des Schweregrads und der Organschäden angewendet werden sollten [139, 142, 143].
Definitionen
– Der Gesamtschweregrad des SS sollte auf der Grundlage des EULAR-Sjögren-Syndrom-Aktivitätsindex (ESSDAI) bewertet werden [143].
– Schweres systemisches SS: Patienten mit einem ESSDAI-Score > 14 oder hoher Aktivität in einer der ESSDAI-Domänen (z.B. mit Organschäden) [143].
– Organschäden sollten das Blut (Anämie, Leukopenie, Thrombozytopenie, Lymphom), die Nieren (Diabetes insipidus, interstitielle Nephritis, glomeruläre Erkrankung), den Magen-Darm-Trakt (Xerostomie, Ösophagitis, Gastritis, primäre biliäre Cholangitis), die Lunge (interstitielle Pneumonitis), das Herz-Kreislauf-System (Vaskulitis), schwere Schwellungen der Ohrspeicheldrüse, die entzündliche Arthritis, ZNS-Beteiligungen oder die periphere Neuropathie sowie Hör- und Sehstörungen umfassen.
– Refraktäres SS: Patienten, bei denen sich herkömmliche Therapien, einschließlich topischer Feuchtigkeitscremes, Sekretagoga, Entzündungshemmer und Immunmodulatoren als unzureichend erwiesen haben.
– Ein SS, das mit anderen SAID assoziiert ist, sollte zusätzlich zur Behandlung der assoziierten SAID gemäß diesen Empfehlungen behandelt werden.
Empfehlungen und Zusammenfassung der Evidenz
Die Empfehlungen für die zulassungsüberschreitende biologische Therapie bei SS sind in Tabelle 4 dargestellt.
Rituximab. Bei Patienten mit SS, die nur Sicca-Symptome haben, wird die Anwendung einer biologischen Therapie nicht empfohlen. In der TRARES-Studie [144] zeigte RTX keine Wirksamkeit hinsichtlich der Verringerung der Symptome oder der Krankheitsaktivität bei Patienten mit SS in Woche 24. Es verbesserte jedoch die Müdigkeit in Woche 6 und 16 der Behandlung und die ärztliche Bewertung der Krankheitsaktivität in Woche 6. Die TRACTISS-Studie konnte auch in dieser Population keine RTX-Wirksamkeit nachweisen [145]. 2 Metaanalysen berichteten keine Wirksamkeit von RTX bei einer SS-Erkrankung, da Symptome wie die Funktion der Tränendrüse, die orale Trockenheit bzw. die Müdigkeit sich nach 6 Monaten nicht verbesserten [146, 147].
RTX kann als Erstlinientherapie bei Patienten mit SS und schwerer systemischer Ausprägung, mit einem Risiko für ein Lymphom (mindestens 3 Risikofaktoren für ein Lymphom) und einem kürzlich erfolgten Beginn (d.h. weniger als 12 Monate andauernde Krankheitsentwicklung) eingesetzt werden. Das spanische GEAS-SS-Register [148] von Patienten mit SS mit Lymphom, die mit einer RTX-basierten Chemotherapie behandelt wurden, zeigte, dass 41 von 64 Patienten vollständig auf die Behandlung ansprachen. In einer retrospektiven Studie mit SS-Patienten mit Schleimhaut-assoziiertem Lymphom der Ohrspeicheldrüse vom lymphatischen Gewebetyp wurde bei 5 von 13 Patienten, die nur mit RTX behandelt wurden, und bei allen 6 Patienten mit RTX-basierter Chemotherapie ein vollständiges Ansprechen beobachtet [149].
RTX kann als Erstlinientherapie bei Patienten mit SS (< 12 Monate Entwicklung) und peripherer Neuropathie, schwerer Thrombozytopenie, schwerer ZNS-Erkrankung, schwerer Parotisschwellung und/oder kryoglobulinämischer Vaskulitis eingesetzt werden. Eine der ersten RCT mit RTX (n = 30 Patienten) beschrieb eine signifikante Verringerung der berichteten, über die Drüsen hinausgehenden Ausprägungen der Krankheit und eine Verbesserung der muskuloskelettalen Merkmale in den Wochen 12 und 36 (p = 0,029) und der Vaskulitis in Woche 24 (p = 0,03) [150]. Eine weitere RCT für Patienten mit Kryoglobulinämie (im Zusammenhang mit SS oder nicht) zeigte ebenfalls positive Ergebnisse [151]. In einer prospektiven Kohorte von 78 Patienten mit hoher Krankheitsaktivität zeigte RTX ein gutes Sicherheitsprofil und war für die Behandlung des SS mit systemischer Ausprägung wirksam. Die Ergebnisse basierten auf der Reduzierung des ESSDAI sowie der täglichen Dosis von Kortikosteroiden [152]. In einer Serie von 16 Patienten [153] gab es in ≥ 80% der Fälle einen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit RTX und der Verbesserung der systemischen Ausprägungen. Die meisten Studien schlossen Patienten mit einem kürzlich erfolgten Beginn des SS ein, daher die geringere Stärke für die Empfehlung, dass RTX als Erstlinientherapie bei Patienten mit SS (> 12 Monate Entwicklung) und multiplen Neuropathien, schwerer Thrombozytopenie, schwerer ZNS-Erkrankung, schwerer Parotisschwellung und/oder kryoglobulinämischer Vaskulitis eingesetzt werden kann.
RTX wird als Zweitlinientherapie bei RTX-naiven Patienten mit refraktärem SS, bei denen ein Lymphom, multiple Neuropathien, eine schwere Thrombozytopenie, eine schwere ZNS-Erkrankung, eine schwere Parotisschwellung und/oder eine kryoglobulinämische Vaskulitis vorliegt, empfohlen. Ein multizentrisches Register zeigte, dass von 15 refraktären Patienten mit SS, die wegen über die Drüsen hinausgehenden Beteiligungen mit RTX behandelt wurden, 10 (67%) ein vollständiges Ansprechen und 3 (20%) ein partielles Ansprechen erreichten und 2 (13%) nach 12 Monaten Non-Responder waren [154]. Eine retrospektive Studie zeigte die Wirkung von RTX bei der Verbesserung von Patienten mit SS mit Thrombozytopenie, die gegenüber herkömmlichen Immunsuppressiva refraktär sind [46]. In jüngerer Zeit berichtete eine retrospektive monozentrische Studie, dass von 10 Patientinnen mit schwerer oder refraktärer SS-Beteiligung 6 asymptomatisch wurden, 2 eine symptomatische Verbesserung zeigten und 2 keinen Nutzen hatten, was darauf hindeutet, dass RTX in diesen Fällen in Betracht gezogen werden kann [155].
Sequenzielle Therapie von Belimumab gefolgt von RTX. Bei RTX-erfahrenen Patienten kann eine sequenzielle Therapie mit Belimumab-RTX angewendet werden. Die offene BELISS-Studie zeigte eine signifikante Abnahme des mittleren ESSDAI-Scores von 8,7 auf 5,7 in Woche 28 [156]. Der primäre kombinierte Endpunkt wurde bei 18 (60%) Patienten erreicht – d.h. eine Verbesserung bei 2 von 5 Elementen in Woche 28, die eine 30%ige Verringerung der Scores auf der visuellen Analogskala (VAS) für Trockenheit, Müdigkeit, Schmerzen oder für die vom Arzt beurteilte systemische Aktivität und/oder eine Verbesserung von > 25% bei jedem B-Zell-Aktivierungsbiomarker umfasste. Belimumab war bei 3 von 5 RTX-refraktären Patienten wirksam. Die BELISS-Verlängerung zeigte, dass die Verbesserung bei 19 Patienten, die 1 Jahr lang behandelt wurden, signifikant aufrechterhalten wurde [157].
Sonstige biologische Therapien. Abatacept zeigte in offenen Studien gute Ergebnisse mit einer signifikanten Verringerung des ESSDAI und einer Verbesserung der Müdigkeit und der Lebensqualität [158], konnte jedoch in Phase-III-Studien bei der Behandlung von aktivem SS keine Erfolge erzielen [159, 160].
Schlussfolgerungen
Nach unserem Kenntnisstand ist dies der erste Versuch, Empfehlungen für den Einsatz biologischer Therapien bei SAID zu geben, und zwar in klinischen Settings mit Evidenzlücken in Bezug auf den Einsatz dieser Therapien. Nach einer umfangreichen Literaturrecherche und mithilfe der Konsensmethodik durch ein großes Expertengremium wurden insgesamt 32 Empfehlungen für SLE, APS und SS definiert. Die höhere Anzahl von Empfehlungen für die SLE-Behandlung spiegelt die Tatsache wider, dass es sich um ein weniger organspezifisches Syndrom mit Pleomorphismen und mehreren pathogenen Mechanismen handelt. APS und SS sind ebenfalls schwierig zu handhaben, insbesondere wenn sie multisystemische und schwere Ausprägungen aufweisen, die ein Einschreiten zur Verhinderung umfangreicher Organschäden oder sogar des Todes erforderlich machen, wie dies bei CAPS der Fall ist.
Wir erkennen an, dass die unterstützende Evidenz mit Ausnahme einiger wichtiger RCT zu SLE hauptsächlich aus kleinen Studien und Beobachtungsstudien stammt. Der Mangel an RCT bei SAID wurde berücksichtigt, wodurch das Evidenzniveau der Empfehlungen begrenzt und die Anfälligkeit für Verzerrungen durch die eigene Erfahrung der Experten erhöht wird. Diese Verzerrungen wurden jedoch durch eine umfangreiche Literaturrecherche und die Anzahl der Experten, die über die Empfehlungen abstimmten, minimiert.
Die Betreuung von Patienten mit SAID ist anspruchsvoll und geht über die Behandlungsempfehlungen hinaus [161]. Zukünftige Updates dieser Leitlinien sollten sich mit Dimensionen wie beispielsweise Impfstrategien befassen, da weniger über die Immunisierung von Patienten mit APS und SS, die eine biologische Therapie erhalten, und über SARS-CoV-2-Impfstoffe bei SAID bekannt ist [162], obwohl sich einige Studien mit der Immunisierung von Patienten mit SLE befasst haben [163, 164].
Es gibt viele innovative Arzneimittel, die entwickelt werden, aber nicht alle sind bei allen SAID wirksam. Die gleiche klinische Ausprägung impliziert nicht die gleiche Pathophysiologie, und der aktive Signalweg zu einem bestimmten Zeitpunkt kann sich im Verlauf derselben Krankheit ändern, was die Nachfrage nach wirksamen Behandlungen noch schwieriger macht. Darüber hinaus sind die hohen Kosten für Biologika und folglich die Einschränkungen des rechtzeitigen Zugangs zu innovativen Arzneimitteln in Europa Hindernisse, die angegangen werden müssen. Diese evidenz- und praxisbasierten Leitlinien können anderen Klinikern bei ihren therapeutischen Entscheidungen helfen und letztendlich das Behandlungsergebnis bei Patienten mit diesen Erkrankungen verbessern.
Beiträge der Autoren
Wesentliche Beiträge zur Studienkonzeption und -gestaltung: AM, MF, CV. Erstellung des Artikels: JDA, JF, RF, MF, CV. Überprüfung des Artikels auf wichtige wissenschaftliche Inhalte: alle Autoren. Alle Autoren haben am Artikel mitgewirkt und die vorgelegte Fassung genehmigt.
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Die Autoren danken Luís Veloso, Daniela Carvalho und Catarina Oliveira Silva (von CTI, Clinical Trial & Consulting Services) für ihre Unterstützung bei dem Projekt.
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AM erhielt Beratungs-, Redner- und Beiratshonorare von AbbVie, Lilly, MSD, Novartis, Pfizer und Roche, Rednerhonorare von BMS und Janssen, Beratungshonorare von Janssen und Takeda und Unterstützung bei der Teilnahme an Sitzungen von AbbVie, Janssen, Novartis und Pfizer. JDA erhielt Beratungs-, Redner- und Beiratshonorare von AbbVie, Lilly und Novartis sowie Beratungshonorare von Pfizer. CV erhielt Beratungshonorare von AstraZeneca, GSK, Janssen, Novartis und Pfizer. MF ist Mitarbeiter einer Auftragsforschungsorganisation (CTI Clinical Trial & Consulting Services), die Dienstleistungen für mehrere Pharmaunternehmen erbringt.
Die übrigen Autoren erklären, dass die Forschung in Abwesenheit jeglicher kommerzieller oder finanzieller Beziehungen durchgeführt wurde, die als potenzieller Interessenkonflikt ausgelegt werden könnten.
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Lizenzangabe
Marinho A, Delgado Alves J, Fortuna J, Faria R, Almeida I, Alves G, Araújo Correia J, Campar A, Brandão M, Crespo J, Marado D, Matos-Costa J, Oliveira S, Salvador F, Santos L, Silva F, Fernandes M, Vasconcelos C: Biological therapy in systemic lupus erythematosus, antiphospholipid syndrome, and Sjögren’s syndrome: evidence- and practice-based guidance. Front Immunol. 2023;14:1117699. (DOI: 10.3389/fimmu.2023.1117699). © 2023 Marinho, Delgado Alves, Fortuna, Faria, Almeida, Alves, Araújo Correia, Campar, Brandão, Crespo, Marado, Matos-Costa, Oliveira, Salvador, Santos, Silva, Fernandes and Vasconcelos (Übersetzung; Publisher’s Note gekürzt), lizensiert unter CC BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).