Das Konzept der Autoinflammation umfasst eine heterogene Gruppe monogenetischer und polygener Erkrankungen. Kennzeichnend ist eine übermäßige Aktivierung des angeborenen Immunsystems ohne antigenspezifische T-Zellen oder Autoantikörperbildung. Periodische Fieberschübe und erhöhte serologische Entzündungszeichen sind charakteristisch. Zu den monogenetischen Erkrankungen zählen unter anderem das familiäre Mittelmeerfieber sowie das neu beschriebene VEXAS-Syndrom (VEXAS «vacuoles, E1 enzyme, X-linked, autoinflammatory, somatic»). Zu den heterogenen Erkrankungen zählen unter anderem das Still-Syndrom und das seltene Schnitzler-Syndrom. Die Therapie zielt auf die Verhinderung der überschießenden Entzündungsreaktion ab, um langfristige Schäden, wie das Auftreten einer Amyloid-A (AA)-Amyloidose, zu vermeiden.

Abstract aus Bonnekoh H, Krusche M, Feist E, et al.: Autoinflammatorische Syndrome. Z Rheumatol 2023;82:678–687.

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Hintergrund

Den charakteristischen, meist homogenen Zeichen einer Autoinflammation mit periodischen Fieberschüben und erhöhten serologischen Entzündungszeichen ohne Autoantikörperbildung oder Reaktion antigenspezifischer T-Zellen liegt eine heterogene Gruppe monogenetischer und polygener Veränderungen zugrunde. Klinisch finden sich meist Zeichen, die bereits im Kindesalter präsent sein können – sie reichen von den oben genannten Fieberproblemen bis hin zu muskuloskelettalen, gastrointestinalen und kutanen Veränderungen.

Von den monogenetischen Erkrankungen am besten bekannt (da auch mutmaßlich am häufigsten auftretend) ist das familiäre Mittelmeerfieber (FMF). Am wenigsten bekannt (da erst kürzlich beschrieben) ist das sogenannte VEXAS-Syndrom (Vakuolen, E1-Enzym, X-linked, autoinflammatorisch, somatisch).

Ebenfalls charakteristisch ist die Aktivierung des angeborenen und somit zwar rasch, aber unspezifisch reagierenden Immunsystems, was auch die schnelle zelluläre (unter anderem die Granulozytenaktivierung) und die humorale Antwort (unter anderem die Akut-Phase-Proteine und die Involvierung des Komplementsystems) beinhaltet.

Unspezifische und spezifische Therapien kennen und kombinieren

Beim häufigen FMF findet sich eine genetische Mutation als Ursache der oft bereits im Kindesalter auftretenden autoinflammatorischen Reaktion mit gehäuften periodischen Fieberschüben und abdominellen Schmerzen. Unkenntnis über diese Erkrankung führt häufig zu Fehldiagnosen, teilweise auch unnötigen Operationen zum Beispiel bei Verdacht auf Appendizitis. Therapeutisch kann als unspezifisches, aber wirksames Prinzip die Medikation mit Colchicin zum Einsatz kommen. Als Dauertherapie senkt es das Risiko einer gefürchteten Amyloidose und einer – neben anderen potenziellen Folgen – hierüber entstehenden terminalen Niereninsuffizienz. Die unterliegende Aktivierung von Interleukin-1 und Interleukin-18 kann gezielt durch einen Anti-Interleukin-1-Antagonisten blockiert werden, der hierfür mittlerweile auch zugelassen ist.

Eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen bei Fieber unklarer Genese mit zumeist Haut- und Gelenkaffektionen stellt das Still-Syndrom des Erwachsenen dar. Es wird als eine Art erwachsene Form der juvenilen idiopathischen Arthritis mit schwerer Ausprägung, aber letztlich unklarer Pathogenese verstanden. Hierbei gefürchtet ist eine überschießende Immunaktivierung im Sinne eines Hyperinflammationssyndroms aufgrund einer potenziell lebensbedrohlichen Makrophagenaktivierung. Ein Still-Syndrom des Erwachsenen kann neben dem unspezifischen Einsatz von Glukokortikoiden ebenfalls mittels Interleukin-1-Blockade sehr wirksam therapiert werden.

Späte Manifestation einer «neuen» Erkrankung – das VEXAS-Syndrom

Vor wenigen Jahren wurde eine Krankheitsentität beschrieben, deren Betroffene wir mutmaßlich schon häufiger betreut haben, ohne zu wissen, welche Erkrankung diesen variablen Manifestationen von z.B. Arthritiden, Sweet-Syndrom, Thromboembolien und makrozytärer Anämie mit charakteristischen Vakuolen in der Knochenmarkhistologie zugrunde liegen könnte. Aufgrund des Auftretens fast ausschließlich in der zweiten Lebenshälfte war zunächst nicht an eine autoinflammatorische Problematik gedacht worden. Die Diagnostik mit Frage nach einer somatischen Mutation im UBA-1-Gen kann hier klar weiterhelfen. Aufgrund einer hohen Komplikationsrate und bisher nicht zufriedenstellender Therapieoptionen wird derzeit die Stammzelltransplantation als einziger kurativer Ansatz gesehen.

Kommentar/Fazit für die Praxis

Autoinflammatorische Syndrome gelten als seltene Krankheitsbilder und sollten daher umso besser bekannt sein. Seit dem Erkennen eines bis dato als selten geltenden VEXAS-Syndroms vor wenigen Jahren sind nunmehr viele Hundert Betroffene beschrieben worden. Durch die Verbreitung dieses Wissens wird es möglich, weitere Eigenheiten dieser Erkrankung zu definieren, Therapieerfolge und -misserfolge zu beschreiben und so hilfreiche Therapiestrategien für andere Betroffene weiterzugeben.

Ein rasches Erkennen und Charakterisieren, gegebenenfalls auch eine zusätzliche genetische Abklärung, verhelfen zu teilweise sehr spezifischer, langfristig erfolgreicher Therapie. Diese lindert nicht nur Symptome und erlaubt somit hoffentlich ein weitgehend normales Leben, sondern verhindert auch Fehldiagnosen (abdominelle Schmerzen bei FMF und OP-Folgen), Langzeitfolgen wie eine mögliche Amyloidose oder eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation wie zum Beispiel ein Makrophagenaktivierungssyndrom (bei einem Morbus Still möglich).

Disclosure Statement

Bezüglich der vorgelegten Arbeit liegen keine Interessenkonflikte vor.