Abstract
Objective: To develop new antiphospholipid syndrome (APS) classification criteria with high specificity for use in observational studies and trials, jointly supported by the American College of Rheumatology (ACR) and EULAR. Methods: This international multidisciplinary initiative included four phases: (1) Phase I, criteria generation by surveys and literature review; (2) Phase II, criteria reduction by modified Delphi and nominal group technique exercises; (3) Phase III, criteria definition, further reduction with the guidance of real-world patient scenarios, and weighting via consensus-based multicriteria decision analysis, and threshold identification; and (4) Phase IV, validation using independent adjudicators’ consensus as the gold standard. Results: The 2023 ACR/EULAR APS classification criteria include an entry criterion of at least one positive antiphospholipid antibody (aPL) test within 3 years of identification of an aPL-associated clinical criterion, followed by additive weighted criteria (score range 1–7 points each) clustered into six clinical domains (macrovascular venous thromboembolism, macrovascular arterial thrombosis, microvascular, obstetric, cardiac valve, and hematologic) and two laboratory domains (lupus anticoagulant functional coagulation assays, and solid-phase enzyme-linked immunosorbent assays for IgG/IgM anticardiolipin and/or IgG/IgM anti-β2-glycoprotein I antibodies). Patients accumulating at least three points each from the clinical and laboratory domains are classified as having APS. In the validation cohort, the new APS criteria vs the 2006 revised Sapporo classification criteria had a specificity of 99% vs 86%, and a sensitivity of 84% vs 99%.
Abstract aus Barbhaiya M, Zuily S, Naden R, et al.: 2023 ACR/EULAR antiphospholipid syndrome classification criteria. Ann Rheum Dis 2023;82:1258–1270.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Martin Aringer (Dresden)
Hintergrund
Das Anti-Phospholipid-Syndrom (APS) kann unterschiedliche klinische Bilder verursachen. Klassisch sind venöse Thrombosen und Thromboembolien, arterielle Thrombosen und Komplikationen in der Schwangerschaft, die von gehäuften frühen und späten Fehlgeburten bis zu Placentainsuffizienz und Präeklampsie reichen. Diese APS-Folgen bilden die bisher verwendeten Sapporo-Kriterien [1] ab, nicht jedoch Probleme der Mikrozirkulation, die dem APS zuzuordnende abakterielle Libman-Sacks-Endokarditis und die Thrombopenie.
In den Sapporo-Kriterien werden IgG- und IgM-Antikörper sowohl gegen Cardiolipin als auch gegen β2-Glykoprotein-I und das Lupus-Antikoagulans (LAK) ab einer Persistenz über 12 Wochen als letztlich gleichrangige Labortests gewertet. Auf die unterschiedliche Höhe des Risikos – so sind Tripel-Positivität und LAK mit einem deutlich höheren Risiko, isolierte IgM-Antikörper mit einem niedrigeren Risiko verknüpft – nahmen die Kriterien bisher keinen Bezug. Die Sapporo-Kriterien waren immer als sensitiv anerkannt, während ihre Spezifität kritisch diskutiert wurde.
Ergebnisse der Studie
Die jetzt von Barbhaiya et al. parallel in den Annals of the Rheumatic Diseases [2] und in Arthritis and Rheumatology [3] publizierten ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für das APS hatten das Ziel einer hohen Spezifität und einer Einbeziehung insbesondere der kritischeren, bisher nicht abgebildeten Symptome des APS. Die Methodik erinnert, auch in den 4 Phasen, an die Klassifikationskriterien zum systemischen Lupus erythematodes (SLE) und entspricht allen durch die European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) und das American College of Rheumatology (ACR) vorgegebenen Standards. Die Spezifität stieg in den beiden Validierungskohorten von 86% bzw. 91% für die Sapporo-Kriterien auf jeweils 99%. Die Sensitivität fiel gleichzeitig von 99–100% auf 83–84%.
Wie für die EULAR/ACR-SLE-Kriterien gibt es auch für die ACR/EULAR-APS-Klassifikationskriterien ein Eingangskriterium, nämlich zumindest 1 positiver Labortest plus zumindest 1 klinisches Kriterium. Ist das Eingangskriterium erfüllt, müssen sowohl für die klinischen als auch für die Laborkriterien mindestens jeweils 3 Punkte erzielt werden, wobei die Kriterien 6 klinische Domänen und 2 Labortestdomänen umfassen. Ebenso gilt eine Zuordnungsregel – zumindest gleich wahrscheinlich durch andere Faktoren bedingte klinische Ereignisse werden nicht gewertet.
Auch wenn das Punktesystem komplexer ist, sind einige Fakten offensichtlich: Während bei Persistenz (12 Wochen) sowohl LAK als auch IgG-Antikörper gegen β2-Glykoprotein-I oder Cardiolipin mindestens 3 Punkte ergeben, spielen IgM-Antikörper (1 Punkt) keine Rolle mehr. Bei den (venösen oder arteriellen) thrombotischen Ereignissen wird bei fehlenden zusätzlichen Risikofaktoren die Grenze von 3 erreicht oder überschritten, nicht aber bei gleichzeitigen relevanten Risikofaktoren. Unmittelbar erreicht wird die Grenze auch durch Klappenvegetationen, eine (in der Regel histopathologisch) gesicherte mikrovaskuläre Beteiligung oder schwere Formen von Placentainsuffizienz und Präeklampsie. Klinisch diagnostizierte Mikroangiopathie, Klappenverdickung und Thrombopenie (20 000–130 000) zählen 2 Punkte, Früh- und Fehlgeburten nur 1 Punkt.
Fazit für die Praxis
Mit einem methodisch deutlich besseren Zugang erreichen die neuen ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für das APS eine sehr hohe Spezifität. Während die anderen Entscheidungen, von der niedrigen Bewertung der IgM-Antikörper bis zur geringeren Wichtung von Ereignissen, die auch andere Ursachen haben, intuitiv richtig erscheinen, wird das reine geburtshilfliche APS in vielen Fällen nicht klassifizierbar sein – es sei denn, es kommen Thrombopenie, Livedo racemosa (nicht reticularis!) oder Herzklappenverdickungen dazu. Klassifikationskriterien sind aber auch nicht für die Diagnose gemacht.
Disclosure Statement
Martin Aringer gibt keine für dieses Manuskript relevanten Interessenskonflikte an.