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Das Blut ist der Ort, an dem Immunphänomene meist am leichtesten erkennbar werden. Immunzellen verwenden die Blutgefäße als Anmarsch- und Transportwege, Antikörper landen zumindest auch in der Zirkulation, und was es an Botenstoffen im Immunsystem gibt, bildet sich immerhin partiell ab. In diesem Sinne ist das Blut ein Fenster des Immunsystems, in dem sich auf begrenztem Raum und leicht zugänglich das Autoimmungeschehen untersuchen lässt.

Damit gibt es praktisch keine Autoimmundisziplin in der Medizin, die sich nicht für die Zellen und Eiweißstoffe im Blut ihrer Patientinnen und Patienten interessiert. Das führt bei aller Differenzierung zu erheblichen Überlappungen.

Dies gilt gleichermaßen, wenn Zellen und Mediatoren im Blut Ziele einer fehlerhaften Immunantwort darstellen. Auch hier gibt es solche Überschneidungen.

Ein Beispiel dafür sind die verschiedenen Autoimmun-Zytopenien, die in isolierter Form typischerweise hämatologisch dia­gnostiziert und behandelt werden, im Rahmen des systemischen Lupus erythematodes aber dann eher rheumatologisch. Dann ändern sich jedoch auch die Substanzen, mit denen sich Spezialistinnen und Spezialisten der jeweiligen Fachbereiche wohlfühlen, und letztlich die Therapien. Das liegt unter anderem daran, dass es kaum möglich ist, auch noch die Literatur jenseits des eigenen Fachbereichs zu beherrschen.

Das zweite typische Beispiel für solche Schnittstellen ist das Antiphospholipid-Syndrom (APS) mit seiner auf Autoantikörpern basierenden Thrombusbildung. Für das APS gibt es Zuständigkeiten von der Hämostaseologie, die typischerweise bei der Hämatologie oder Angiologie und im Labor angesiedelt ist, bis zur Rheumatologie und allen Disziplinen, die mit APS-Manifestationen zu tun haben, prominent Nephrologie und Dermatologie. Das APS und andere Gerinnungsstörungen sind daher als Schwerpunktthema für ein interdisziplinäres Heft zu hämatologischen Autoimmunerkrankungen perfekt geeignet.

Drei der Wissenstransfers und ein Fallbericht in dieser Ausgabe beschäftigen sich direkt mit diesem Thema. Das reicht vom Überblick über venöse Thromboembolien bei Autoimmunerkrankungen (Menichelli et al.), über verschiedene Nicht-Kriterien-Antikörper beim APS (Roselli et al.), also eigentlich Ansätzen zur Erweiterung der APS-Definition, bis zu den neuen APS-Kriterien (Barbhaiya et al.), die ganz im Gegensatz dazu die APS-Klassifikation serologisch auf IgG-Antikörper gegen Cardiolipin und β2-Glykoprotein I sowie das Lupus-Antikoagulans (LAK) beschränken. Sie erreichen so eine sehr hohe Spezifität, schließen aber durch die auch klinisch auf hohe Spezifität ausgesuchten Kriterien vermutlich viele Patientinnen mit APS-Komplikationen in der Schwangerschaft aus.

Als wichtigen neuartigen Aspekt legen die neuen APS-Kriterien großes Gewicht auf mi­krovaskuläre Thrombosen, die unter anderem beim glücklicherweise seltenen katastrophalen APS mit seiner Multiorgan-Beteiligung eine Hauptrolle spielen. Mikrovaskuläre Hautmanifestationen als Erstmanifestation eines solchen katastrophalen APS demonstriert der Fallbericht von Hosseini et al.

Zwei ganz andere hämatologische Aspekte der Schnittstelle Blut und Autoimmunerkrankungen behandeln die Wissenstransfers zu Autoimmunität bei kutanem B-Zell-Lymphom (Xiang et al.) und Blutverlust und Eisenmangelanämie in einer Studie zur Gabe der Alge Spirulina bei der Colitis ulcerosa (Zhang et al.).

Abgerundet wird diese Ausgabe mit einem pneumologischen Wissenstransfer zur Katastrophenkombination von Tumor, Autoimmun­erkrankung (Anti-TIF-1γ-Dermatomyositis) und Infektion mit Pneumocystis jirovecii (Zhang et al.) und einem rheumatologischen Wissenstransfer zu autoinflammatorischen Syndromen (Bonnekoh et al.).

Das Heft fasst wieder Informationen bewusst kompakt zusammen und sollte für (fast) alle Autoimmun-Interessierten spannende Aspekte bieten. Gerade im hochspezialisierten und doch so sehr auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit angewiesenen Autoimmunbereich ist es ja schwierig, den Überblick zu bewahren. Wir hoffen, dass die ausgewählten Themen dabei helfen, und wünschen Ihnen viel Spaß beim Hineinlesen in diese erste Ausgabe des Jahres 2024!

Martin Aringer