Wissenstransfer zu Neumann T. Update Immunglobulin-A-Vaskulitis. Z Rheumatol. 2022 May;81(4):305-312.
Transfer in die Praxis von Prof. Dr. Sabine Adler (Aarau)
Hintergrund
Den Namen Purpura Schoenlein-Henoch haben die meisten von uns im Studium gelernt und diese Erkrankung am ehesten mit einer Unterschenkel-Vaskulitis plus/minus abdominellen Schmerzen bei Kindern verankert. In diesem Rahmen tritt sie häufig nach oberen Atemwegsinfekten auf und ist – falls keine renale Beteiligung stattfindet – in der Regel selbstlimitierend.
Die eher seltene, ebenfalls oft post-infektiöse Manifestation im Erwachsenenalter wird daher zunächst häufig übersehen. Sie präsentiert sich gelegentlich auch anders als bei Kindern, zeigt einen schwereren Verlauf und erfährt zumeist eine späte Therapieeinleitung. Im Zuge der Vereinheitlichung der Vaskulitisbeschreibungen ist diese Erkrankung nun im «Gefäßbaum» als Vaskulitis der kleinen Gefäße mit Immunkomplexablagerungen/IgA-Vaskulitis zu finden.
Als Hintergrund dieser systemischen Vaskulitis mit Immunglobulin-A/Immunkomplexbildungen wird eine alterierte Glykosylierung des Immunglobulin A1 gesehen, da hierdurch Bindungsstellen für Autoantikörper freigelegt werden und so eine Immunkomplexreaktion hervorrufen können.
Das bunte Bild der klinischen Präsentation – Niere im Fokus
Neben den typischen Manifestationen der zumeist an den Unterschenkeln respektive abhängigen Körperpartien lokalisierten Pupura sind auch Enteritiden, Glomerulonephritiden und selten auch kardiale oder okuläre Manifestationen möglich (vgl. Abbildung 1 in der Übersichtsarbeit).
Zur Diagnosestellung werden auch eigentlich nicht hierfür vorgesehene Klassifikationskriterien herangezogen. Diese sind überwiegend für die Manifestation im Kindesalter gedacht. Hauptpunkte sind eine palpable Purpura, akute abdominelle Beschwerden, Arthritiden, eine Glomerulonephritis (GN) mit Proteinurie und glomerulärer Hämaturie. Histologisch sollten Granulozyten in der Wand der kleinen Gefäße zu finden sein – bei einer Pupura im Sinne einer leukozytoklastischen Vaskulitis.
Großes Therapiespektrum von «watch-and-wait» bis hin zur forcierten Immunsuppression
Gemäß der klinischen Präsentation kann insbesondere im Kindesalter und bei milder Ausprägung wie nicht nekrotisierender Pupura und Arthralgien der oft benigne und selbstlimierende Verlauf abgewartet und gegebenenfalls symptomatisch behandelt werden. Empfohlen sind hier eher Metamizol und Paracetamol anstelle von NSARs – letzteres aufgrund potenzieller gastrointestinaler oder renaler Manifestationen.
Der Einsatz von Glucocorticoiden, insbesondere bei der renalen Vaskulitis, wird kontrovers diskutiert. Neben antiproteinurischen und renoprotektiven Maßnahmen wie z.B. ACE-Hemmern, scheinen Glucocorticoide bei milder Verlaufsform, fehlender kutaner Nekrotisierung, Proteinurie von < 1g/d und normaler Nierenfunktion keinen Benefit zu erbringen.
Im Gegensatz hierzu wird bei Patienten mit rapid progredienter Glomerulonephritis/passender Histologie oder auch anderweitigen lebens- oder organbedrohlichen Verläufen bis zum Schema des Cyclophosphamids eskaliert. Letztlich sind Studiendaten hierzu jedoch eher enttäuschend, die Einzelfallberichte aber ermutigend. Insgesamt sind jeweils nur sehr kleine Fallzahlen pro Studie untersucht worden, sodass die Interpretation mit Vorsicht empfohlen ist.
Ähnlich zur Vaskulitis bei ANCA-assoziierten Erkrankungen wurde auch bei IgA-Vaskulitis der Einsatz von Rituximab untersucht. Hier konnte bei einer jedoch kleinen Patientenzahl von 22 Erwachsenen in einer monozentrischen Untersuchung bei refraktären Verläufen ein guter Effekt auch auf die renale Manifestation erzielt werden (s. Abbildung 3 in der Übersichtsarbeit).
Schlußendlich wird auf die höhere Morbidität und Mortalität von Erwachsenen mit IgA-Vaskulitis eingegangen. Die Zahlen einer Überlebenswahrscheinlichkeit von z.B. 62% nach 10 Jahren werden als deutlich unterhalb derjenigen der gesunden Bevölkerung beschrieben, wozu insbesondere ein höheres Lebensalter der Patienten sowie Komorbiditäten wie Niereninsuffizienz und schwere Infektionen beitragen.
Fazit für die Praxis
Insbesondere im Erwachsenenalter sollte die Diagnose einer IgA-Vaskulitis in die Differentialdiagnose einbezogen werden, wenn eine Pupura anderweitig ungeklärter Ursache vorliegt, insbesondere bei Rezidiven und nach oberen Atemwegsinfekten. Die serologische Bestimmung des IgA ist hierbei nicht zielführend.
Die Suche nach einer weiteren Organmanifestation, insbesondere einer Nierenbeteiligung, ist notwendig im Hinblick auf Therapie und Prognose – und anfangs mit einfacher Zusatzdiagnostik der Urinuntersuchung möglich.
Bezüglich der optimalen Therapiestrategien lassen sich derzeit keine klaren Empfehlungen aufstellen. Eine symptomorientierte gegebenenfalls eskalierende Immunmodulation bis Immunsuppression sollte stadiengerecht in Erwägung gezogen werden.
Disclosure Statement
Bezüglich der vorgelegten Arbeit liegen keine Interessenkonflikte vor.