Abstract
Fragestellung: Angesichts der im Laufe der Jahre ständig verbesserten Überlebenschancen der frühen Frühgeborenen stellt sich die Frage, welchen Anteil das antepartale und intrapartale Management an dieser Entwicklung hat. Methode: Eine umfassende Literatursuche konzentrierte sich auf die in den letzten 10 Jahren erschienenen prospektiv randomisierten Studien, Metaanalysen sowie Übersichtsarbeiten zu verschiedenen Aspekten des Geburtsmanagements bei frühen Frühgeburten. Resultate: Der günstige Effekt der antepartalen Verabreichung von Glukokortikoiden an die Mutter auf die Lungenreifung des Feten, und damit auf den Zustand des kleinen Frühgeborenen, ist durch mehrere prospektiv randomisierte Studien gut belegt. Der Nachweis des Nutzens einer frühzeitigen Verlegung der Schwangeren in ein Perinatalzentrum ist dagegen nur indirekter Natur. Die kurzfristige Schwangerschaftsverlängerung durch Tokolyse ist in ihrem Nutzen nur im Zusammenhang mit der Glukokortikoidgabe belegt, während der therapeutische Effekt der Langzeittokolyse als nicht Evidenz-basiert eingestuft werden muss. Verschiedene prospektiv randomisierte Vergleiche der Entbindung durch eine primäre oder elektive Sektio mit einer vaginalen Geburt mit indizierter Sektio bei Verschlechterung des Zustandes des Feten oder der Mutter während der Eröffnungs- oder Austreibungsphase haben in der elektiven Sektiogruppe eine signifikant erhöhte mütterliche Morbidität ergeben. Ein erhoffter Vorteil für den Zustand des Neugeborenen konnte nicht eindeutig gezeigt werden. In einer Metaanalyse von 6 derartigen prospektiv randomisierten Studien wird das Problem der Rekrutierung von genügend Studienteilnehmerinnen hervorgehoben. Alle 6 Studien mussten abgebrochen werden, bevor die berechnete Anzahl der Teilnehmerinnen rekrutiert werden konnte. Schlussfolgerung: Bei geplanter oder drohender früher Frühgeburt wird ab 23 + 0/7 Schwangerschaftswochen (SSW) die Verlegung in ein Perinatalzentrum als sinnvoll angesehen. Ab 24 + 0/7 SSW ist die Verabreichung von Glukokortikoiden an die Mutter angezeigt. Zwischen 24 + 0/7 und 24 + 6/7 SSW sind die Überlebenschancen deutlich unterhalb von 50%, und bis zu 50% der Überlebenden entwickeln mehr oder weniger schwere Behinderungen. In diesem Bereich wird daher das geburtshilfliche Management, insbesondere auch der Entscheid für eine Sektio aus kindlicher Indikation unter Berücksichtigung verschiedener Begleitumstände, nicht zuletzt auch der Wünsche der Eltern, individuell festgelegt. Jenseits von 25 + 0/7 SSW wird dem Überleben des Neugeborenen hohe Priorität eingeräumt, und es wird, obwohl im Hinblick auf die Geburt keine eindeutige Evidenz für den optimalen Entbindungsmodus besteht, bei spontanem Wehenbeginn mit rascher Eröffnung des Muttermundes und einem Feten als Einling in Kopflage die vaginale Geburt in Sektiobereitschaft angestrebt. Bei Beckenendlage oder Mehrlingen muss das geburtshilfliche Vorgehen den Besonderheiten des Einzelfalles angepasst werden. Generell besteht jedoch ein Trend zur elektiven Sektio. Bei unreifer Zervix und fehlender Wehentätigkeit wird die elektive Sektio als Entbindungsmethode der Wahl empfohlen.