Abstract
Die Gesamtarbeit (Teil 1 und 2) befasst sich mit der Semantik der Chaostheorie. Mit Hilfe der sechs allgemeinen und sechs speziellen empirischen Grundeigenschaften, die unmittelbar aus Beobachtungen chaotischer Systeme erhoben werden können, haben wir im ersten Teil dieser Arbeit, «Die sechs Grundeigenschaften des Chaos und eine Prozess-Orientierte Psychiatrie (POPSY)», eine mathematisch-physikalisch stichhaltige Betrachtung psychiatrischer Phänomene erlangt, die bisher nur intuitiv erfasst werden konnten. Wir haben sodann gesehen, inwiefern Begriffe der Chaostheorie mit entsprechenden Begriffen der Psychiatrie in Einklang gebracht werden können. Verschiedene psychiatrische Phänomene, vor allem die Schizophrenie, wurden als chaotische Prozesse analysiert. Insbesondere wurde eine kritische Gegenüberstellung klassifizierender und prozessorientierter Psychiatrie vorgestellt. Das Thema «Psychiatrische Störung als dynamische Krankheit bzw. als Informationsverarbeitungspathologie» wurde auch in Teil 1 eingehend diskutiert. In diesem zweiten Teil der Gesamtarbeit, «Neue Hypothese zur Natur der Psychose», erweitern wir die oben erwähnten Überlegungen zum Gebiet Psychiatrie auf die Gebiete Psychologie und Psychotherapie. Somit erlangen wir eine Auffassung der «normalen» oder «ungestörten» Psyche als chaotisches System mit entsprechenden fraktalen Prozessbildern im geeigneten Zustandsraum. Insbesondere werden wir anhand derselben obenerwähnten sechs allgemeinen und sechs speziellen empirischen Grundeigenschaften den Zusammenhang zwischen chaostheoretischen Begriffen und entsprechenden Begriffen aus den Bereichen Psychologie und Psychotherapie verstehen. Dies ermöglicht eine mathematisch-physikalische Betrachtung psychologischer und psychotherapeutischer Phänomene, die bislang nur metaphorisch aufgefasst werden konnten. Verschiedene psychologische und psychotherapeutische Phänomene, vor allem der Verlauf der Psychose bzw. der Prozess der Aktiven Imagination, werden als chaotische Prozesse analysiert. Obwohl einerseits argumentiert wird, dass der Verlauf einer Psychose, d.h. die zeitliche Reihenfolge spontaner psychotischer Ausbrüche eines Individuums, chaotisch ist, werden wir eine neue Hypothese zur Natur des psychotischen«mind/brain»-Zustandes als eine «lineare» (im Gegensatz zu einer «chaotischen») Informationsverarbeitungspathologie aufstellen.