Hintergrund: Deutschland weist gegenüber zahlreichen anderen Staaten die Besonderheit auf, dass neben Ärzten auch Heilpraktiker eine staatliche Zulassung zur Ausübung der Heilkunde erlangen können. Das Verhältnis der beiden Berufsgruppen zueinander gilt als schwierig - unabhängig von berufsrechtlichen Hindernissen. Ziel der Untersuchung war es zu klären, inwieweit bei niedergelassenen Ärzten eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Heilpraktikern besteht. Gleichzeitig sollten Bedingungen, Chancen sowie Hindernisse einer Kooperation aufgezeigt werden. Methoden: Um die ärztliche Bereitschaft zur Zusammen arbeit mit Heilpraktikern zu evaluieren, wurden mit 15 niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten semi-strukturierte Interviews geführt. Die Fragen thematisierten Bedingungen, Chancen sowie Barrieren einer Kooperation. Im Anschluss wurden die Interviews wörtlich transkribiert und mithilfe der thematischen Inhaltsanalyse ausgewertet. Ergebnisse: Einer Zusammenarbeit gegenüber aufgeschlossene Ärzte sehen Heilpraktiker als ergänzende Therapeuten bei leichteren oder psychisch beeinflussten Erkrankungen. Dafür bestehen allerdings klare Bedingungen: Heilpraktiker müssten die Grenzen ihrer Behandlungsfähigkeit erkennen. Voraussetzungen seien auch transparente Regelungen der Kostenerstattung durch Krankenkassen, insbesondere dürften ärztliche Leistungen im Bereich der Komplementär- und Alternativmedizin nicht diskriminiert werden. Neben dem mangelnden Vertrauen der befragten Ärzte in die Heilpraktikerausbildung erweist es sich als hinderlich, wenn Heilpraktiker störend auf die bestehende Arzt-Patienten-Beziehung einwirken bzw. den Abbruch einer schulmedizinischen Therapie veranlassen. Gleichzeitig wird die bestehende Patientenversorgung bereits als zu komplex für eine Kooperation eingeschätzt. Schlussfolgerungen: Um zu reproduzierbaren Ergebnissen zu gelangen, sind Untersuchungen mit quantitativem Forschungsdesign nötig. Auch sollte geklärt werden, inwieweit aus Sicht der Heilpraktiker eine Zusammenarbeit mit Ärzten wünschenswert ist. Der Abbau von Kommunikationsbarrieren ist nötig, damit Patienten offen mit ihrem Arzt über Heilpraktiker besuche sprechen kön-nen. Das Wissen über Unterschiede in Ausbildung und Zulassung zum Arzt oder Heilpraktiker ist Grundvoraussetzung für eine informierte Entscheidung der Patienten.

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