Fragestellung: Im Zusammenhang mit der Einführung ambulanter KM-Sprechstunden am Regionalspital Burgdorf wurde die ärztliche Einstellung zu Komplementärmedizin (KM) untersucht. Weiterhin wurden der Anteil der Ärzte mit KM-Angeboten im Versorgungsgebiet des Regionalspitals, deren KM-Erfahrungen sowie der Einfluss dieser Erfahrungen auf die Einstellung gegenüber KM untersucht. Material und Methoden: Alle Ärzte jeglicher Fachrichtung (n = 170) im Versorgungsgebiet wurden 2011 und 2012 schriftlich zu ihrer Einstellung gegenüber KM (Befürwortung/Ablehnung und Ambivalenz), ihrem KM-Angebot und ihren KM-Erfahrungen befragt (Rücklaufquote 45% bzw. 36%). Ergebnisse: Die Einstellung gegenüber KM war im Durchschnitt neutral (M = 2,47, Standardabweichung (SD) = 0,61; Befürwortung von KM von 1 = «stimme völlig zu» bis 4 = «stimme überhaupt nicht zu») und klar (M = 1,59, SD = 0,46; Einstellungsambivalenz von 1 = «habe klare Meinung» bis 4 = «bin mir sehr unsicher in meiner Meinung»). Die höchste Zustimmung erhielten die Forderungen nach wissenschaftlicher Untersuchung der KM (M = 2,10, SD = 0,95) und nach zertifizierter ärztlicher KM in der Grundversicherung (M = 2,53, SD = 1,15). Knapp ein Drittel der Ärzte bot KM an, und 77% bzw. 69% überwiesen Patienten zu KM-Behandlungen. Die wichtigsten Prädiktoren der KM-Befürwortung waren eine zertifizierte KM-Ausbildung und unerwartete positive bzw. negative Verläufe unter einer KM-Behandlung (R22011 = 0,44, p < 0,001). 25% der Ärzte hatten Erfahrungen mit der neuen KM-Sprechstunde, die überwiegend positiv waren. Schlussfolgerung: Die teilnehmenden Ärzte aus einer ländlichen Region der Schweiz zeigten im Durchschnitt eine neutrale und klare Einstellung zur KM, die sich im eigenen KM-Angebot bzw. in der Überweisungspraxis spiegelte.

Complementary medicine · Physicians' attitude · Switzerland

Physicians' Attitude towards Complementary Medicine in a Rural Region of Switzerland: Results of a Survey

Background: Physicians' attitude towards complementary medicine (CM) was investigated in relation to the introduction of CM outpatient care at the regional hospital of Burgdorf (Switzerland). Furthermore, the proportion of physicians offering CM, their experiences with CM, and if these influenced their attitude towards CM were examined. Material and Methods: Practitioners with any specialist title (n = 170) in the service area of the hospital were surveyed in 2011 and 2012 (response rate 45% and 36%, respectively). They indicated their attitude (endorsement and ambivalence) towards CM, their own CM offer, and their experiences with CM. Results: On average, the attitude towards CM was neutral (M = 2.47, standard deviation (SD) = 0.61; endorsement of CM ranging from 1 = ‘totally agree' to 4 = ‘totally disagree') and clear (M = 1.59, SD = 0.46; ambivalence ranging from 1 = ‘I have a clear opinion' to 4 = ‘I am very uncertain about my opinion'). Claims for scientific investigation of CM (M = 2.10, SD = 0.95) and for the supply of qualified medical CM by the mandatory basic health insurance (M = 2.53, SD = 1.15) received the highest agreement. Around one third of the participants indicated to offer CM themselves, and 77% and 69%, respectively, referred patients to CM treatments. The most important predictors of CM support were qualification in CM and unexpected positive and negative experiences in a CM-treatment, respectively (R22011 = 0.44, p < 0.001). 25% of the participants had had experiences with the new service, judged mainly as positive. Conclusion: The participating physicians had a neutral and clear attitude towards CM, mirrored in own CM offer and referrals to CM treatments.

Das Interesse an Komplementärmedizin (KM) ist weltweit groß, und die Inanspruchnahme durch verschiedene Patientengruppen nimmt zu [1,2,3,4,5]. Ein systematisches Review zeigte eine 12-Monats-Prävalenz von 32%, wobei die Nutzung zwischen 1990 und 2006 in den untersuchten Ländern kontinuierlich anstieg [6]. Für die Schweiz ergab sich eine Prävalenz von 49%, die, je nachdem wie die Frage nach KM gestellt wurde und ob Gesunde oder Patientengruppen befragt wurden, stark variierte [7].

Die Einstellung von Ärzten gegenüber KM stand weniger oft im Fokus des Forschungsinteresses. Diese unterscheidet sich je nach Kultur und ärztlicher Fachrichtung deutlich. Eher KM-freundliche Einstellungen fanden sich bei Ärzten aus den USA [8] und aus Deutschland [9]. Kritisch hingegen äußerten sich Ärzte in Großbritannien [10] und Finnland [11]. Grundversorger berichteten zudem eine offenere Einstellung als Spezialisten [9,11]. Aus der Schweiz liegt eine Studie zum KM-Angebot von Grundversorgern vor: Rund drei Viertel der befragten Ärzte boten entweder selbst KM an oder überwiesen Patienten in eine KM-Behandlung [12].

Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, die Einstellung von Ärzten jeglicher Fachrichtung gegenüber KM in einer ländlich geprägten Region der Schweiz im Zusammenhang mit der Einführung ambulanter KM-Sprechstunden (klassische Homöopathie (KH), Traditionelle Chinesische Medizin/Akupunktur (TCM/A), anthroposophisch erweiterte Medizin (AEM)) am regionalen Spitalzentrum Burgdorf zu untersuchen. Weiterhin sollte ermittelt werden, wie groß der Anteil der Teilnehmenden, die KM anboten, war, welche Erfahrungen die befragten Ärzte mit KM gemacht hatten und inwiefern diese Erfahrungen in Zusammenhang mit der Einstellung zur KM standen.

Die Regionalspital Emmental AG (RSE AG) ist im Besitz der öffentlichen Hand (Kanton Bern) und betreibt in einem Einzugsgebiet von etwa 120 000 Einwohnern an 2 Standorten (Burgdorf und Langnau) Akutspitäler mit insgesamt 156 Betten. Das medizinische Angebot umfasst Innere Medizin, Chirurgie, Orthopädie, Gynäkologie/Geburtshilfe und Psychiatrie. Am ländlich gelegenen Spital Langnau bestand von 1999 bis 2014 ein stationäres Angebot an KM (AEM). Am 1. Januar 2011 wurden am Spital Burgdorf, das in einer kleinstädtischen Umgebung liegt, in kleinem Umfang Sprechstunden in KH, TCM/A und AEM für ambulante Patienten eingeführt (je 1 Tag pro Woche). Die Einladung zur Teilnahme an der dieser Studie zugrunde liegenden Umfrage diente allen Ärzten der Region gleichzeitig als Informationsschreiben über das neue KM-Angebot.

Stichprobe

An der Studie konnten alle Fachärzte jeglicher Fachrichtung teilnehmen, die im Versorgungsgebiet der RSE AG zum Zeitpunkt der Umfragen eine Praxistätigkeit ausübten. Eingeschlossen wurden auch alle leitenden Spitalärzte. Das einzige Ausschlusskriterium war eine Anstellung als Assistenz- oder Oberarzt an den beiden Spitalstandorten. Die Zustimmung der zuständigen Ethikkommission war gemäß den gesetzlichen Vorgaben für diese Studie nicht notwendig.

Fragebögen

Drei Abschnitte kennzeichneten den Fragebogen (Online Supplementary Material; www.karger.com/?DOI=480332): a) soziodemografische Angaben, b) das Angebot von und Erfahrung mit KM und c) die Einstellung zur KM. Die Einstellung zur KM wurde mit 10 Aussagen erhoben, die auf den Arbeiten von Finnigan [13,14] basieren und einerseits verschiedene Facetten abdecken, anderseits mit 10 Items aber nicht zu umfangreich sind. Mit einer 4-stufigen Likert-Skala wurde neben dem Ausmaß der Befürwortung bzw. Ablehnung von KM auch die Ambivalenz der Einstellung erfasst.

Der Fragebogen der zweiten Erhebung ermittelte ergänzend, ob bereits Patienten zur KM-Sprechstunde überwiesen und welche Erfahrungen gegebenenfalls damit gemacht worden waren.

Die Teilnehmenden konnten den Fragebogen mit einem Code verschlüsseln, um die Zuordnung der Antworten beider Erhebungen zu ermöglichen.

Vorgehen

Zwei Erhebungen wurden im Abstand von 12 Monaten (Januar 2011 und Januar 2012) durchgeführt. Die zweite Erhebung 2012 erfolgte somit 1 Jahr nach der Eröffnung der KM-Sprechstunden am Spital Burgdorf. Allen Teilnehmenden der Umfrage im Jahr 2011 wurden per Post ein Anschreiben und ein Fragebogen mit frankiertem Antwortcouvert zugesandt. Gleichzeitig wurde eine Online-Version des Fragebogens aufgeschaltet. Alle Ärzte erhielten nach 5 und 10 Wochen ein Erinnerungsschreiben und wurden zusätzlich telefonisch kontaktiert.

Das Vorgehen im Jahr 2012 war identisch, allerdings wurde kein Online-Fragebogen aufgeschaltet, da der Rücklauf 2011 fast ausschließlich über Papier erfolgt war.

Datenanalyse

Zur Analyse der Daten wurde das Statistical Package for Social Sciences (IBM SPSS, Version 21.0; IBM Corp., Armonk, NY, USA) verwendet. Die Angaben zu Angebot und Erfahrungen mit KM als auch zur Befürwortung/Ablehnung und Ambivalenz wurden deskriptiv ausgewertet. Die 10 Antworten zur Befürwortung/Ablehnung von KM (Cronbachs α2011 = 0,86; α2012 = 0,89) bzw. zur Ambivalenz (Cronbachs α2011 = 0,85; α2012 = 0,91) wurden jeweils als Mittelwert zu einer Skala zusammengefasst. Der Zusammenhang zwischen der Befürwortung/Ablehnung und der Ambivalenz wurde mittels Pearson-Korrelationskoeffizienten beschrieben. Um zu untersuchen, inwiefern unerwartete positive bzw. negative Verläufe bei Patienten unter KM-Behandlung in Zusammenhang mit der Befürwortung/Ablehnung der Ärzte standen, wurden multiple lineare Regressionsanalysen durchgeführt. Dazu wurden die beiden Variablen dichotomisiert (positive bzw. negative unerwartete Verläufe: ja/nein). Im Sinne von Kontrollvariablen gingen das Geschlecht, die Praxiserfahrung (Jahre), der Besitz eines Fähigkeitsausweises in KM (ja/nein) sowie das eigene KM-Angebot (ja/nein) in die Analyse ein. Sämtliche Analysen wurden auf dem 5%-Signifikanzniveau durchgeführt.

Beschreibung der Stichprobe

Bei der ersten Erhebung im Jahr 2011 wurden 170 Ärzte angeschrieben. Sieben Fragebogen konnten nicht zugestellt werden (Abb. 1). Von den 163 zustellbaren Fragebogen wurden 77 Antworten (47%) zurückgesendet, und die Angaben von 74 Ärzten (45%) konnten in die Analyse eingeschlossen werden. Bei der Erhebung im Jahr 2012 konnte 1 der 163 verschickten Fragebogen nicht zugestellt werden. Der Rücklauf betrug 60 Fragebogen (37% der zustellbaren 162 Fragebogen), davon konnten die Antworten von 58 Ärzten (36%) in die Analyse aufgenommen werden. Insgesamt haben 37 Ärzte an beiden Erhebungen teilgenommen.

Fig. 1

Flussdiagramm der Studie, ausgehend von den angeschriebenen bis zu den in die Analyse eingeschlossenen Ärzten.

Fig. 1

Flussdiagramm der Studie, ausgehend von den angeschriebenen bis zu den in die Analyse eingeschlossenen Ärzten.

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Das durchschnittliche Alter betrug etwas mehr als 55 Jahre (2011: M = 56,1, Standardabweichung (SD) = 9,5; 2012: M = 57,4, SD = 9,4; Tab. 1). In beiden Erhebungsjahren waren ein Viertel der Teilnehmenden Frauen (2011: 24%; 2012: 27%).

Table 1

Beschreibung der Stichprobe

Beschreibung der Stichprobe
Beschreibung der Stichprobe

Die Mehrheit der Teilnehmenden arbeitete selbstständig (2011: n = 63, 85%; 2012: n = 53, 92%), und zwei Drittel der Ärzte konnten den Facharztgruppen «Allgemeinmedizin/Innere Medizin» zugeordnet werden (2011: n = 48, 65%; 2012: n = 37, 64%).

Angebot von und Erfahrung mit KM

Da die Ergebnisse von 2011 und 2012 vergleichbar sind (Tab. 2), werden der Übersichtlichkeit halber nur die Befunde von 2011 ausgeführt. KM wurde von 22 Ärzten (30%) angeboten, davon besaßen 10 (14% aller Teilnehmenden) einen Fähigkeitsausweis für KM. Hinsichtlich der Überweisungspraxis des untersuchten Kollektivs zeigte sich, dass 14 Teilnehmende (19%) «keine» Patienten in eine KM-Behandlung überwiesen, während 52 (70%) dies «selten» und 5 (7%) «regelmässig» taten. Von den 14 Ärzten, die keine Patienten überwiesen, boten 4 (5% aller Teilnehmenden) selber KM an. Somit haben 2011 61 Teilnehmende (82%) selber KM angeboten oder Patienten in KM-Behandlungen überwiesen.

Table 2

Angebot von und Erfahrungen mit KM-Behandlungen

Angebot von und Erfahrungen mit KM-Behandlungen
Angebot von und Erfahrungen mit KM-Behandlungen

Am häufigsten wurden Patienten überwiesen, die aktiv nach KM fragten (n = 40, 54%). Bei den «austherapierten» Patienten ohne konventionell-medizinischen Therapieerfolg und bei den psychosomatischen Patienten hingegen gaben jeweils 15 Ärzte (20%) an, zu einer KM-Behandlung überwiesen zu haben.

In den vorangegangenen 12 Monaten waren 22 Ärzte (30%) bei mindestens 1 Patienten positiv überrascht über medizinisch unerwartete Veränderungen unter einer KM-Therapie, während 10 (14%) von unerwarteten negativen Verläufen berichteten.

Ein großer Teil der Befragten (n = 29, 39%) war der Ansicht, dass die neu eingerichteten KM-Sprechstunden eine Verbesserung der Patientenversorgung darstellten, während 17 Ärzte (23%) nicht dieser Ansicht waren.

Zum zweiten Erhebungszeitpunkt 1 Jahr nach dem Beginn der KM-Sprechstunden hatten 15 Ärzte (26% der 58 Teilnehmenden von 2012) konkrete Erfahrungen mit diesem Angebot gemacht, die von 9 (60% dieser 15 Ärzte) als positiv und von 2 Teilnehmern (13%) als negativ beurteilt wurden. Weitere 4 Ärzte (27%) konnten keine definitive Aussage machen.

Befürwortung/Ablehnung von KM und Ambivalenz gegenüber KM

Da die Ergebnisse von 2011 und 2012 auch hier vergleichbar sind (Tab. 3), werden der Übersichtlichkeit halber wiederum nur die Befunde von 2011 ausgeführt. Die Einstellung gegenüber KM befand sich über alle Aussagen hinweg mit einem Skalenwert von M = 2,47 (SD = 0,61) genau zwischen Zustimmung und Ablehnung. Die größte Zustimmung erhielten die Aussagen, a) KM sollte vermehrt wissenschaftlich untersucht werden, bevor sie in der Hausarztmedizin eingesetzt wird, b) die zertifizierte KM sollte in die obligatorische Grundversicherung aufgenommen werden, und c) KM sollte nur bei geringfügigen Erkrankungen zum Einsatz kommen.

Table 3

Mittelwerte und Standardabweichungen der Items der Skalen «Befürwortung/Ablehnung von Komplementärmedizin» und «Ambivalenz gegenüber Komplementärmedizin» für 2011 und 2012

Mittelwerte und Standardabweichungen der Items der Skalen «Befürwortung/Ablehnung von Komplementärmedizin» und «Ambivalenz gegenüber Komplementärmedizin» für 2011 und 2012
Mittelwerte und Standardabweichungen der Items der Skalen «Befürwortung/Ablehnung von Komplementärmedizin» und «Ambivalenz gegenüber Komplementärmedizin» für 2011 und 2012

Eher ablehnend standen die Teilnehmenden den Aussagen gegenüber, a) KM sei eine Methode zur Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte, b) KM stelle ein potenzielles Risiko dar, eine adäquate konventionelle Behandlung zu verpassen, c) konventionelle Medizin habe gegenüber KM Priorität, d) KM sei ein unseriöses Gesundheitsgeschäft mit monetärer Motivation, und e) KM sei bei der Prävention, aber nicht bei der Behandlung von Erkrankungen nützlich.

Klare Ablehnung fanden schließlich die beiden Aussagen, die eine Überlegenheit der KM gegenüber konventioneller Medizin postulierten.

Bei der Ambivalenz gegenüber KM weist der Skalenwert über alle Aussagen hinweg mit M = 1,59 (SD = 0,46) auf eine klare Einstellung der Ärzte gegenüber der KM hin (Tab. 3). Die höchste Ambivalenz ergab sich für die Aussagen, dass KM a) die körpereigenen Abwehrkräfte stärke und b) möglicherweise vorbeugend wirke, aber keinen Nutzen bei einer bestehenden Krankheit habe. Die geringste Ambivalenz bestand bezüglich der Aussagen, dass KM a) medizinische Priorität gegenüber der konventionellen Medizin eingeräumt werden sollte und b) bessere und länger anhaltende Behandlungsresultate zeige.

Um den Zusammenhang von Befürwortung/Ablehnung und Ambivalenz für 2011 zu prüfen, wurden - aufgrund des im Streudiagramm ersichtlichen kurvilinearen Zusammenhangs - am Median (= 2,4) der bipolaren Skala «Befürwortung/Ablehnung» 2 Gruppen gebildet und 2 separate Pearson-Korrelationskoeffizienten berechnet. Bei den 37 Ärzten der Gruppe mit negativer Haltung gegenüber KM war der Zusammenhang zwischen Befürwortung/Ablehnung und Ambivalenz positiv (r = 0,37, p = 0,025): Ärzte mit sehr negativer Haltung gegenüber KM berichteten am wenigsten Ambivalenz, während jene mit überwiegend neutraler Haltung mehr Ambivalenz aufwiesen. Bei den 32 Ärzten der Gruppe mit positiver Haltung gegenüber KM war der Zusammenhang negativ (r = -0,53, p = 0,002): Hier zeigte sich, dass eine positivere Haltung gegenüber KM mit einer geringeren Ambivalenz korrelierte. Insgesamt war somit im mittleren, neutralen Befürwortungsbereich die Ambivalenz am stärksten, während Ärzte mit eindeutig negativer bzw. positiver Einstellung gegenüber KM sich ihrer Haltung sicherer waren.

Zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten wurden keine Veränderungen in Einstellung, Angebot von und Erfahrungen mit KM festgestellt (siehe Appendix).

Zusammenhang zwischen Erfahrungen mit und Befürwortung von KM

Bei simultanem Einschluss aller Variablen ergaben die Regressionsanalysen für 2011 und 2012 jeweils einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Besitz des KM-Fähigkeitsausweises und der Befürwortung/Ablehnung von KM (Tab. 4). Aufgrund der größeren statistischen Power erreichten 2011 zusätzlich unerwartete positive bzw. negative Verläufe bei KM-Behandlungen statistische Signifikanz. Somit hatten Teilnehmende, die einen KM-Fähigkeitsausweis besaßen, eine wohlwollendere Meinung gegenüber KM als Ärzte ohne eine solche Zusatzausbildung. Unabhängig davon nahm die Befürwortung der KM zu, wenn bei Patienten unerwartete positive Verläufe im Zusammenhang mit der KM-Behandlung erlebt wurden, während die Befürwortung bei unerwarteten negativen Verläufen abnahm. Somit waren sowohl positive als auch negative Patientenerfahrungen bedeutsam für die ärztliche Befürwortung von KM.

Table 4

Ergebnisse der multiplen linearen Regressionsanalysen zur Voraussage der Skala «Befürwortung/Ablehnung der Komplementärmedizin» für 2011 und 2012

Ergebnisse der multiplen linearen Regressionsanalysen zur Voraussage der Skala «Befürwortung/Ablehnung der Komplementärmedizin» für 2011 und 2012
Ergebnisse der multiplen linearen Regressionsanalysen zur Voraussage der Skala «Befürwortung/Ablehnung der Komplementärmedizin» für 2011 und 2012

Diese Arbeit untersuchte die Einstellung von Ärzten in einer ländlichen Region der Schweiz gegenüber KM und ob sich diese nach der Einführung ambulanter KM-Sprechstunden am regionalen Spitalzentrum verändert hat. Zudem wurde den Fragen nachgegangen, wie groß der Anteil der Teilnehmenden, die KM anboten, war, welche Erfahrungen die befragten Ärzte mit KM gemacht hatten und inwiefern diese Erfahrungen in Zusammenhang mit der Einstellung zur KM standen.

Bei den teilnehmenden Ärzten zeigte sich sowohl 2011 als auch 2012 eine klare Meinung gegenüber KM, wobei die Einstellung zur KM im Durchschnitt über alle Aussagen hinweg neutral war und sich Befürwortung oder Ablehnung eher auf der Ebene der einzelnen Aussagen fanden. Zustimmung und eine offene Einstellung gegenüber KM zeigte sich am deutlichsten, wenn es darum ging, dass diese wissenschaftlich legitimiert sein soll und einer qualifizierten Zertifizierung unterliegt. Die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Fundierung in Bezug auf die ärztliche Einstellung gegenüber KM wurde in anderen Studien bestätigt [8,16]. Weiterhin weist die überwiegende Ablehnung des Einsatzes von KM vor Beginn einer konventionellen Behandlung darauf hin, dass sich die teilnehmenden Ärzte, auch die KM-Anbieter, der Grenzen dieser Methoden bewusst waren.

Im Follow-up 12 Monate nach der Basiserhebung konnten weder im Hinblick auf die Befürwortung/Ablehnung und Ambivalenz der Ärzte gegenüber KM noch auf deren Erfahrungen signifikante Veränderungen festgestellt werden. Die Zeitspanne von 12 Monaten zwischen den beiden Erhebungen war offensichtlich zu kurz und die Stichprobe zu klein, um relevante Veränderungen nachweisen zu können. In einer ähnlichen Untersuchung konnte erst 8 Jahre nach der ersten Erhebung eine signifikant positivere Einstellung der partizipierenden Ärzte gegenüber KM festgestellt werden [16].

Knapp ein Drittel der Teilnehmenden gab an, KM anzubieten, was dem Resultat von 30% einer repräsentativen Umfrage bei Schweizer Grundversorgern entspricht [12]. Die Überweisungsrate war in unserem Kollektiv mit 77 bzw. 69% etwas höher als in dieser Untersuchung (62,5%). Der Anteil der Ärzte, die entweder selber KM anboten und/oder in KM-Behandlungen überwiesen, war vergleichbar (rund 80% in der vorliegenden Untersuchung, rund 75% bei [12]). In unserer Stichprobe war das Überweisungsverhalten somit deutlich höher als in den USA, wo 76% der befragten Ärzte nicht in KM-Behandlungen überwiesen [8]. Andererseits war in unserer Studie der Anteil der Befragten, für den die neu errichteten KM-Sprechstunden eine Verbesserung der Patientenversorgung darstellten, mit 39% geringer als in der US-amerikanischen Studie [8], in der sich 57% der Ärzte durch die Einrichtung eines (hypothetischen) KM-Angebots einen positiven Effekt auf die Patientenzufriedenheit erhofften. Allerdings lassen sich aufgrund der unterschiedlichen gesundheitspolitischen und kulturellen Gegebenheiten sowie der unterschiedlichen Definitionen von KM Ergebnisse aus verschiedenen Ländern nur bedingt vergleichen.

Die wichtigsten Faktoren der Befürwortung bzw. Ablehnung von KM waren eine Ausbildung in einer KM-Methode und - unabhängig davon - unerwartete positive bzw. negative Verläufe, die Ärzte bei Patienten unter KM-Behandlung erlebt hatten. Rund ein Drittel der Teilnehmenden hatte bei mindestens 1 Patienten die Erfahrung eines unerwarteten positiven Verlaufs gemacht, während etwa 10% unerwartete negative Verläufe erlebt hatten.

Bereits 1 Jahr nach der Eröffnung der KM-Sprechstunde hatte ein Viertel der Teilnehmenden konkrete Erfahrungen mit diesem Angebot gemacht, die überwiegend positiv waren. Die Installation solcher neuen medizinischen Angebote benötigt genügend Zeit, um Ergebnisse zu liefern, gegebenenfalls durch positive Erfahrungen bei Ärzten das Interesse an und Vertrauen in KM-Methoden zu wecken und eine Integration der KM in die konventionelle Medizin zu fördern [16].

Methodische Erwägungen

Der Rücklauf (45% bzw. 36%) war vergleichbar mit ähnlichen Studien [8,11,12]. Insgesamt blieb die Stichprobe - trotz schriftlicher und telefonischer Erinnerungen - sehr klein, wodurch die Aussagekraft und die statistische Power eingeschränkt waren. Die Motivation von Ärzten, an wissenschaftlichen Untersuchungen teilzunehmen, ist aufgrund von Zeitdruck und hoher Arbeitsbelastung generell eher gering. Von einem Desinteresse an KM zu sprechen, wäre aber falsch, da die Antworten zur Ambivalenz eine recht klare Einstellung ausdrückten. Ein Sampling-Bias dahingehend, dass vor allem an KM interessierte oder KM-skeptische Ärzte an der Studie teilnahmen, ist nicht auszuschließen. Zudem ist unklar, inwiefern sich diese Ergebnisse auf andere Regionen der Schweiz übertragen lassen.

Implikationen

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung weisen auf die wesentlichen Voraussetzungen für die Akzeptanz von KM bei Ärzten hin. Einerseits könnte die Verbreitung und Differenzierung der Ergebnisse klinischer Studien zur Wirksamkeit von KM das Vertrauen konventioneller Ärzte in diese Methoden stärken. Andererseits sollte KM durch qualifizierte Ärzte angeboten werden, um die Versorgungsqualität sicherzustellen. Die Forderung nach der Abdeckung von KM durch die Grundversicherung erkennt zudem an, dass die breite Bevölkerung Zugang zu KM haben sollte.

Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Einstellung gegenüber KM waren hier unerwartete positive (oder negative) Verläufe und Erfahrungen mit der Wirksamkeit von KM. Diesbezüglich können KM-Angebote an öffentlichen Regionalspitälern eine bedeutende Rolle spielen, indem sie den notwendigen Prozess des Erfahrungsaustauschs und Dialogs zwischen konventioneller Medizin und KM fördern. Die diesbezügliche Entwicklung in der Region Burgdorf/Langnau sollte weiter untersucht werden, um mit den daraus resultierenden Erfahrungen ähnliche Modelle in anderen Regionen zu realisieren.

Die Veränderungen der Einstellung als auch des Angebots und der Erfahrungen mit KM zwischen den Jahren 2011 und 2012 wurden mittels Tests zur Überprüfung von abhängigen Daten untersucht. Dabei wurden die Angaben jener Ärzte untersucht, die in beiden Jahren an der Befragung teilgenommen hatten (n = 37). Die geringe Größe der Stichprobe schränkte allerdings die statistische Power ein und erlaubte nur die Feststellung von mittelgroßen bis großen Unterschieden zwischen den beiden Messzeitpunkten [15]. Entsprechend deckten die statistischen Tests keine Veränderungen zwischen den beiden Erhebungen auf (alle p-Werte > 0,05).

Das Intervall von 1 Jahr zwischen den beiden Umfragen war vermutlich zu kurz, um signifikante Veränderungen feststellen zu können - insbesondere aufgrund der sehr eingeschränkten statistischen Power der kleinen Subgruppe von bei beiden Erhebungen teilnehmenden Ärzten.

Online Supplementary Material To access the supplementary material, please refer to www.karger.com/?DOI=480332.

Die Autoren erklären hiermit, dass keinerlei Interessenskonflikte in Bezug auf das vorliegende Manuskript bestehen.

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