Zusammenfassung
Einleitung: Ätherische Öle sind die Grundlage der Aromatherapie. Unter anderem wird ihnen eine antibakterielle Wirkung zugeschrieben. In dieser Studie sollte die In-vitro-Wirksamkeit ätherischer Öle gegen ein breites Spektrum veterinärmedizinisch relevanter Erreger getestet werden. Methoden: Die antibakterielle Aktivität von 16 ätherischen Ölen wurde mittels Agardiffusionstest bestimmt. Getestet wurden grampositive und gramnegative Erreger, die aus klinischen Isolaten von Hunden, Katzen und Pferden aus der veterinärmedizinischen Routinediagnostik stammten. Die Einteilung der Wirksamkeit in nicht, gering-, mittel- und hochgradig wirksam erfolgte anhand der Größe der Hemmhofradien des Bakterienwachstums. Ergebnisse: Generell zeigten sich sowohl grampositive als auch gramnegative Erreger empfindlich gegen einige der getesteten ätherischen Öle. Nicht nur gegen Staphylokokken, sondern auch gegen Methicillin-resistente Stämme der Staphylokokken wiesen die ätherischen Öle in vitro eine nicht zu vernachlässigende Wirkung auf. Pasteurella multocida stellte sich als eher sensibler Keim heraus, während Pseudomonas aeruginosa als vollkommen resistenter Keim eine Ausnahme bildete. Teebaum-, Oregano-, und Bergbohnenkrautöl waren die potentesten Öle. Zusätzlich zeigten sich bei den grampositiven Erregern Lemongrasöl und bei den gramnegativen Erregern Thymianöl als gut wirksam. Schlussfolgerung: Ätherische Öle verfügen in vitro über eine antibakterielle Aktivität gegen klinische Isolate von Hunden, Katzen und Pferden. Diese Studie bietet eine Grundlage für die Anwendung ätherischer Öle in der Veterinärmedizin. Es zeichneten sich Tendenzen im Wirkspektrum einzelner ätherischer Öle bzw. im Grad der Wirksamkeit ätherischer Öle hinsichtlich einzelner Erregerspezies ab, allerdings lässt sich keine sichere Vorhersage über ihre Wirksamkeit gegen einen spezifischen Keim eines individuellen Patienten treffen. Deswegen sollte vor einer Therapie mit ätherischen Ölen deren individuelle Wirksamkeit mittels Aromatogramm getestet werden.
Keywords
Essential oils · Antibacterial activity · Veterinary medicine · Aromatogram
Summary
In vitro Antibacterial Activity of Essential Oils against Bacteria of Veterinary Relevance from Clinical Isolates of Dogs, Cats, and Horses
Introduction: Essential oils are the basis for aromatherapy. They are supposed to have an antibacterial activity. The aim of this study was to determine the in vitro antibacterial activity of essential oils against a broad range of clinical isolates of bacteria which are relevant for veterinary medicine. Methods: The antibacterial activity of 16 essential oils was detected using the agar diffusion test. Gram-positive and gram-negative bacteria of clinical isolates of dogs, cats, and horses from veterinary routine diagnostic were used. Classification of antibacterial activity in not, lowly, moderately, and highly effective resulted from the size of the zone of inhibition of bacterial growth. Results: Overall, gram-positive and gram-negative bacteria were susceptible against essential oils. They showed an in vitro antibacterial activity against staphylococci including methicillin-resistant strains. Pasteurella multocida was rather sensitive, in great contrast to the totally resistant Pseudomonas aeruginosa. Tea tree, oregano, and winter savory oil seemed to be the most potent oils. In addition, lemongrass oil and thyme oil showed a good activity against gram-positive and gram-negative bacteria, respectively. Conclusion: Essential oils have an in vitro antibacterial activity against clinical isolates of dogs, cats, and horses. This study conducts basic information for the use of essential oils in veterinary medicine. Clearly, tendencies in the spectrum of efficacy of essential oils can be found, but no generalizing assertion about their activity against specific pathogenic bacteria in an individual patient should be made. Thus, before the beginning of a therapy with essential oils, their respective individual activity should be tested by an aromatogram.
Einleitung
Aufgrund der stetig steigenden Anzahl bakterieller Resistenzen gegen Antibiotika ist es heutzutage und auch in Zukunft wichtig, alternative Behandlungsmethoden gegen bakterielle Infektionen in Betracht zu ziehen. Zusätzlich gibt es mittlerweile in der Tiermedizin, wie auch in der Humanmedizin, ein steigendes Interesse an natürlichen, pflanzenbasierten Therapiemethoden.
Bei ätherischen Ölen handelt es sich um Phytotherapeutika, die wasserdampfflüchtige, niedermolekulare Vielstoffgemische lipophiler Verbindungen darstellen [1]. Sie werden in der Regel durch Wasserdampfdestillation aus Ätherischölpflanzen gewonnen, in denen sie in Ölräumen wie den Drüsenhaaren, Drüsenzellen oder Ölbehältern abgelagert sind. Ätherische Öle als Vielstoffgemische enthalten im Allgemeinen als bestimmende Inhaltsstoffe Terpene (Mono-, Sesqui- und Diterpene) und/oder Phenylpropane [2].
In der Tiermedizin können ätherische Öle oder Bestandteile ätherischer Öle als Repellents oder Pestizide gegen Ektoparasiten genutzt werden [3]. Zusätzlich gibt es Studien, die auf eine beruhigende Wirkung von Lavendelöl auf Pferde [4] und Labormäuse [5] hindeuten. Bei Hunden und Schafen konnte diese beruhigende Wirkung nicht eindeutig bewiesen werden [6, 7].
Klinische Untersuchungen zeigten, dass eine Behandlung von an atopischer Dermatitis und an nicht generalisierter Dermatitis erkrankten Hunden mit kommerziell erhältlichen Formulierungen, die unter anderem ätherische Öle enthielten, zu einer Besserung der Symptomatik führten [8, 9, 10]. Ebenfalls zeigte sich bei bakteriell bedingter oberflächlicher Pyodermie durch eine zusätzlich zur antibiotischen Therapie durchgeführte topische Behandlung mit einem Manukaöl enthaltenden Präparat eine schnellere klinische Besserung, die unter anderem durch die antibakterielle Wirkung des Manukaöls bedingt sein könnte [11]. Mundspüllösungen mit ätherischen Ölen, z.B. von Lippia sidoides Cham., führten bei Hunden zu einer Reduktion von Gingivitis, die auch mit einem Rückgang von plaquebildenden Bakterien einhergeht [12]. Eine Behandlung von Prostataabszessen bei Hunden mit Teebaumöl nach Aspiration eitrigen Materials erwies sich als sehr effektiv [13].
Die antibakterielle Wirkung ätherischer Öle ist aus humanmedizinischen und auch lebensmitteltechnischen Studien bekannt [2, 14, 15, 16, 17]. Zur konkreten antibakteriellen Wirkung einzelner ätherischer Öle gegen spezifisch veterinärmedizinisch relevante Bakterien gibt es einzelne In-vitro-Studien. Thymian-, Oregano-, Teebaum-, Nelken-, Zimtblätter-, Lemongras- und Muskatellersalbeiöl erwiesen sich in vitro als wirksam gegen Referenzstämme von Staphylococcus (S.) aureus, Enterococcus faecalis, Escherichia (E.) coli, Pseudomonas (P.) aeruginosa, Proteus mirabilisund Klebsiella pneumoniae [18, 19]. Eine Studie belegte zwar eine gute Wirksamkeit von Salbeiöl gegen bakterielle Referenzstämme, allerdings eine verringerte bis schlechte Wirksamkeit gegen klinische Keimisolate [20, 21] Damit liegt die Untersuchung klinischer Isolate nahe. Einige wenige In-vitro-Studien mit veterinärmedizinischen klinischen Keimisolaten wurden bereits durchgeführt: Zum Beispiel erwies sich Manukaöl als wirksam gegen S. pseudintermedius von Hunden mit Pyodermie oder Otitis externa [22]. Nelkenöl war wirksam gegen E. coli, Klebsiellen und Proteus-Arten, die aus dem Muskelmagen von Puten isoliert wurden [23]. Zimtblätter-, Lemongras- und Oreganoöl wirkten antibakteriell gegen S.-aureus-Mastitis-Isolate von Kühen und Ziegen [24, 25]. Thymian-, Lavendel- und Oreganoöl zeigten z.B. eine Wirksamkeit gegen S. aureusund E. coli[26].
Generell wird vermutetet, dass die antimikrobielle Wirksamkeit der Vielstoffgemische der ätherischen Öle ein kumulativer Effekt der Wirkung ihrer Einzelbestandteile mit unterschiedlichen zellulären Angriffspunkten ist [27].
Für eine gezielte Therapie mit ätherischen Ölen sollte vor Beginn zuerst die Wirksamkeit einzelner ätherischer Öle gegen den spezifischen Krankheitserreger getestet werden - ähnlich einem Antibiogramm für eine antibiotische Therapie. Dafür steht im Labor z.B. das Aromatogramm zur Verfügung [28, 29]. Hierbei handelt es sich um einen Agardiffusionstest zur Empfindlichkeitsbestimmung.
Im Gegensatz zu vielen anderen Untersuchungen, wurde in der vorliegenden Studie die In-vitro-Wirksamkeit von 16 ätherischen Ölen gegen ein breites Spektrum an klinischen Bakterienisolaten von Hunden, Katzen und Pferden aus der veterinärmedizinischen Routinediagnostik mittels Aromatogramm getestet. Diese Studie bietet somit einen breiten Vergleich der Wirksamkeit dieser ätherischen Öle gegen veterinärmedizinisch relevante Keime und eine praxisrelevante Grundlage für ihre Anwendung in der Veterinärmedizin.
Material und Methoden
Bakterielle Keimisolate
Getestet wurden 179 klinische Keimisolate von Urin- (n = 17), Haar- (n = 4) oder Tupferproben (n = 158) unterschiedlicher Lokalisationen von 114 Hunden, 24 Katzen und 41 Pferden, die aus der veterinärmedizinischen Routinediagnostik der Firma Laboklin GmbH & Co. KG stammten (nähere Informationen zum Probenmaterial, zu den Lokalisationen und den Tierarten finden sich in Tab. 1 und 2).
Das eingesandte Material wurde auf Columbia-Agar mit 5% Schafblut (BD Columbia Agar with 5% Sheep Blood; Becton Dickinson GmbH, Heidelberg, Deutschland) und Endo-Agar (BD Endo Agar; Becton Dickinson GmbH, Heidelberg, Deutschland) fraktioniert ausgestrichen oder im Falle von Flüssigkeiten ausplattiert und für 24 h bei 36 ± 1°C inkubiert. Zusätzlich erfolgte bei Tupfer- und Urinproben eine Anreicherung in einer Thioglycolat-Bouillon (BD, Becton Dickinson, Heidelberg, Deutschland) bei 37°C für 24 h. Dieses Anreicherungsmedium wurde nach der Inkubation ebenfalls auf Columbia-Agar mit 5% Schafblut (Becton Dickinson GmbH) und Endo-Agar (Becton Dickinson GmbH) ausgestrichen und für weitere 24 h bei 37°C inkubiert.
Die anschließende Keimidentifizierung erfolgte anhand der Koloniemorphologie in Kombination mit ihren Wachstumseigenschaften auf den genannten Selektivnährmedien und/oder anschließend mittels MALDI-TOF Massenspektrometer (AXIMA Assurance, Shimadzu, Duisburg, Deutschland). Die Auswahl der von Hunden, Katzen und Pferden stammenden Keimisolate erfolgte zufällig. Einzelkolonien der ausgewählten Keime wurden zur weiteren Bearbeitung im Aromatogramm erneut auf Columbia-Agar mit 5% Schafblut ausgestrichen und für 24 h inkubiert.
Zusätzlich wurde das Wachstum aller Staphylokokken, S. aureus und S. pseudintermedius, auf dem Brilliance MRSA 2 Agar (Thermo Fisher Scientific, Braunschweig, Deutschland) getestet. Die Methicillin-resistenten Stämme von S. aureus (MRSA) und S. pseudintermedius (MRSP) wurden anhand ihres exklusiven Wachstums auf diesem Agar identifiziert. Bei der Mikrodilution (MICRONAUT S; Merlin, Bornheim-Hersel, Deutschland) zeigten sich zudem die MRSA-Keime resistent für das Antibiotikum Cefoxitin und die MRSP-Keime resistent für das Antibiotikum Oxacillin mittels und gelten somit nach dem Clinical and Laboratory Standards Institute (CLSI) als multiresistent [30]. Staphylokokken, die kein Wachstum auf dem Brilliance MRSA 2 Agar (Thermo Fisher Scientific) zeigten, waren im Fall von S.aureus sensibel gegen Cefoxitin und im Fall von S. pseudintermedius sensibel gegen Oxacillin und somit keine multiresistenten Keime.
Aromatogramm
100 µl einer Bakteriensuspension (in NaCl, McFarland 0,5) wurden auf einer Müller-Hinton-Agarplatte (BD Mueller Hinton II Agar; Becton Dickinson, Heidelberg, Deutschland) oder im Fall von Pasteurella multocidaund beta-hämolysierenden Streptokokken auf einer Müller-Hinton-Agarplatte mit 5% Schafblut (BD Mueller Hinton II with 5% Sheep Blood; Becton Dickinson, Heidelberg, Deutschland) ausplattiert. Anschließend wurden Filterpapierplättchen (BBL™ Sensi-DiscTM Susceptibility Test Disc, Blanc Disc; Becton Dickinson, Heidelberg, Deutschland) auf die Agarplatte aufgebracht, die dann jeweils mit 10 µl des zu testenden ätherischen Öls beschickt wurden. Der Ansatz verblieb 0,5 h bei Raumtemperatur, um die Diffusion der Öle in den Agar zu gewährleisten. Anschließend wurden die Platten für 24 h bei 36 ± 1°C inkubiert. Die Auswertung erfolgte durch die Bestimmung der Hemmhofradien bzw. durch die Feststellung eines fehlenden Bakterienwachstums um die mit ätherischem Öl beschickten Filterpapierplättchen. Die Einteilung der In-vitro-Wirksamkeit erfolgte nach steigender Größe des Hemmhofradius in 4 Stufen von «nicht wirksam» (<8 mm) über «gering-» (8-13 mm) und «mittel-» (14-19 mm) bis «hochgradig wirksam» (≥20 mm). Das Aromatogramm wurde für jedes getestetes Keimisolat in Unikaten einmalig durchgeführt.
Die antibakterielle Aktivität der in Tabelle 3 aufgeführten 100% naturreinen, kommerziell erhältlichen ätherischen Öle wurde bestimmt. Nähere Informationen zur Zusammensetzung der ätherischen Öle finden sich in der Online Supplemental Tabelle (Online Supplemental Material; www.karger.com/?DOI=465519).
Ergebnisse
Empfindlichkeit der bakteriellen Erreger
Sowohl grampositive als auch gramnegative Erreger erwiesen sich in vitro als empfindlich gegen unterschiedliche ätherische Öle.
Unter den grampositiven Erregern (Abb. 1) zeigten sich die Staphylokokken als empfindlich, hauptsächlich gegen Teebaum-, Bergbohnenkraut-, Oregano-, Lemongras- und Manukaöl. S. pseudintermedius wies gegenüber S. aureus eine etwas höhere Empfindlichkeit auf. Beta-hämolysierende Streptokokken waren im Vergleich zu den Staphylokokken etwas resistenter und hauptsächlich empfindlich gegen Bergbohnenkraut-, Oregano-, Nelkenblüten- und Lemongrasöl. Enterokokken erwiesen sich unter den grampositiven Erregern als am resistentesten. Hier waren hauptsächlich nur Bergbohnen-, Oregano- und Lemongrasöl gering wirksam.
Bei den gramnegativen Erregern (Abb. 2) zeigte sich Pasteurella multocidaals empfindlichster Keim. Lediglich 3 ätherische Öle, Angelikawurzel-, Muskatellersalbei- und Lavendelöl fein, zeigten keinerlei Wirksamkeit. Acinetobacter baumanniiund Pantoea agglomeranswaren auch relativ empfindlich, hauptsächlich gegen Thymian-, Teebaum-, Bergbohnenkraut- und Oreganoöl, aber auch in etwas reduzierter Form gegen Nelkenblüten-, Zimtblätter-, Lemongras-, Ravintsara- und Lavendelöl fein. E. coli und E. colimit hämolysierenden Eigenschaften waren nur noch empfindlich gegen Thymian-, Teebaum-, Bergbohnenkraut- und Oreganoöl. Keime wie Proteus mirabilisund Klebsiella pneumoniaewaren resistenter. Sie zeigten sich ebenfalls empfindlich gegen diese ätherischen Öle, aber vorwiegend nur noch geringgradig. Eine Ausnahme unter den gramnegativen Erregern bildete P. aeruginosa,der gegen alle ätherischen Öle resistent war.
Wirksamkeit einzelner ätherischer Öle
Gegen grampositive Erreger (Abb. 1) waren Teebaum-, Bergbohnenkraut-, Oregano- und Lemongrasöl die wirksamsten ätherischen Öle. Besonders das Lemongrasöl zeigte bei 80-100% der Staphylokokkenisolate eine teils sogar hochgradige Wirksamkeit. Bergbohnenkraut- und Oreganoöl erwiesen sich ebenfalls in hohem Maße als als gering- oder mittelgradig wirksam, wohingegen Teebaumöl, wenn überhaupt, in erster Linie eher geringgradig wirksam war. Manukaöl zeigte auch gegen mindestens 70% der Staphylokokkenisolate eine geringgradige Wirkung, nicht jedoch gegen beta-hämolysierende Streptokokken oder Enterokokken. Indisches (ind.) Melissenöl wirkte in mindestens 80% der Fälle geringgradig gegen S. pseudintermedius. Thymian-, Nelkenblüten-, Zimtblätter-, Palmarosa-, Musaktellersalbei-, Rosengeranien-, Ravintsara- und Lavendelöl fein waren gegen grampositive Keime eher selten wirksam und dann auch fast nur geringgradig. Fenchelöl zeigte keinerlei Wirksamkeit gegen grampositive Erreger.
Gegen gramnegative Erreger (Abb. 2) waren Thymian-, Teebaum-, Bergbohnenkraut- und Oreganoöl häufig mittel- oder geringgradig, teils sogar hochgradig wirksam. Nelkenblüten- und Zimtblätteröl zeigten häufig eine geringgradige Wirkung gegen Pantoea agglomerans, Acinetobacter baumannii und Pasteurella multocida. Ravintsara- und Lavendelöl fein waren teils geringgradig wirksam gegen Pantoea agglomerans und Acinatobacter baumannii. Fenchel-, ind. Melissen-, Lemongras-, Angelikawurzel-, Palmarosa-, Muskatellersalbei-, Rosengeranien- und Manukaöl waren nie bis selten gering wirksam gegen gramnegative Erreger. Nur gegen Pasteurella multocida zeigten besonders Lemongrasöl eine hochgradige, ind. Melissenöl eine mittel- bis geringgradige und Palamarosa-, Manuka- und Rosengeranienöl häufig eine geringgradige Wirkung.
Wirksamkeit gegen grampositive und gramnegative Erreger im Vergleich
Generell zeigten sich in der Empfindlichkeit der grampositiven und gramnegativen Erreger keine deutlichen Unterschiede. Nur einzelne ätherische Öle, wie z.B. das Lemongrasöl, hatten eine deutlich bessere Wirkung gegen grampositive Keime, während Thymianöl eine bessere Wirkung gegen gramnegative Keime zeigte.
Wirksamkeit gegen multiresistente Erreger
Für die MRSA und MRSP zeigte sich im Vergleich zu den Methicillin-empfindlichen Stämmen kein deutlicher Unterschied im Wirkspektrum der ätherischen Öle. Die MRSA- und MRSP-Stämme wiesen teils sogar Isolate auf, gegen die einige ätherische Öle geringgradig wirkten, die sonst gegen die nicht-Methicillin-resistenten Stämme nicht wirksam waren (Nelkenblüten-, Zimtblätter-, Angelikawurzel-, Palmarosa-, Muskatellersalbei-, Rosengeranien-, Ravintsara- und Lavendelöl fein).
Diskussion
Bei dem in dieser Studie angewandten Aromatogramm handelt es sich methodisch um einen Agardiffusionstest. Die Ermittlung der In-vitro-Wirksamkeit der ätherischen Öle erfolgte anhand der Größe der Hemmhofradien. Der Hemmhofradius des Bakterienwachstums um das mit Öl beschickte Filterpapierplättchen hängt, wie auch beim Agardiffusionstest eines Antibiotikums [31], einerseits von der Empfindlichkeit des getesteten Keims ab, andererseits aber auch von den Diffusionseigenschaften der einzelnen Wirkkomponenten im Agar. Beispielsweise wurde schon früh gezeigt, dass ein hoher Agaranteil im Medium zu einer schlechteren Löslichkeit der ätherischen Ölbestandteile und somit zu einem kleineren Hemmhofradius führt, und auch der pH-Wert des Mediums kann einen Einfluss auf die Diffusion haben [32]. Lipophile Wirkkomponenten der ätherischen Öle, wie z.B. das Farnesol, zeigen ein schlechtes Ergebnis im Agardiffusionstest, aber ein gutes in der Mikrodilution [33].
Die Ergebnisse eines Agardiffusionstests sind qualitativer Natur und erlauben die Einteilung der In-vitro-Resultate in Wirksamkeitsstufen. Sie ermöglichen allerdings nicht die Bestimmung einer minimalen Hemmkonzentration (MHK) - da nicht zu bestimmen ist, welche Menge eines Wirkstoffs, sei es ein Antibiotikum oder Wirkkomponenten der ätherischen Öle, in den Agar diffundiert ist [] oder die Ermittlung einer therapeutisch relevanten Konzentration. Auch bakteriostatische oder bakterizide Effekte eines ätherischen Öls können so nicht ermittelt werden, da Wachstumsinhibition nicht mit bakteriellem Zelltod gleichzusetzen ist [34]. Zur Bestimmung der zuvor genannten Parameter sollte eine Reihenverdünnungsmethode mit ätherischen Ölen angewandt werden [35].
Im Gegensatz zum mittlerweile sowohl in der Humanmedizin als auch in der Veterinärmedizin gut standardisierten Agardiffusionstest für die Empfindlichkeitstestung von Antibiotika [30, 36, 37] gibt es für die Empfindlichkeitstestung ätherischer Öle keinen allgemein gültigen Standard. Resultate eines Agardiffusionstests mit ätherischen Ölen sollten deswegen vorsichtig interpretiert werden. Nichtsdestotrotz wird das Aromatogramm in Form des Agardiffusionstest als «Screeningmethode» [27, 38] und auch als praktikables diagnostisches Mittel vor einer Therapie genutzt, um prinzipiell in vitro wirksame ätherische Öle zu ermitteln [29].
Aufgrund der fehlenden Standardisierung sind die bisher publizierten Untersuchungen bezüglich der Wirksamkeit der ätherischen Öle nicht immer miteinander vergleichbar. Oft wurden eine unterschiedliche Methodik, verschiedene Keimstämme oder nicht identisch zusammengesetzte ätherische Öle verwandt.
In dieser Studie wurden 10 µl pures ätherisches Öl im Agardiffusionstest genutzt, wie auch in anderen veterinärmedizinischen [18], humanmedizinischen [39] und lebensmittelchemischen [40, 41] Studien. Allerdings ist der Einsatz von unverdünntem ätherischem Öl zur Therapie nicht ratsam, da es hierbei schnell zu toxischen Effekten kommen kann [42]. Es gibt In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen zur Toxizität von ätherischen Ölen. Diese hauptsächlich humanmedizinischen Studien nutzten allerdings nicht selten Versuchstiere. Die Ergebnisse dieser Studien können somit auch bei Tieren angewandt werden. In einer humanmedizinischen Studie zur Ototoxizität von Teebaumöl führte die Instillation von 100%igem Teebaumöl ins Mittelohr des Versuchstiers Meerschweinchen zu Schäden, während eine 2%ige Verdünnung gut vertragen wurde [43]. Auch eine intratympanische Injektion von 3%igem Teebaumöl wirkte beim Versuchstier Chinchilla nicht ototoxisch [44].
Die Zusammensetzung der ätherischen Öle kann je nach Wuchsort der Ursprungspflanze, klimatischen Bedingungen und Erntephase differieren [39, 45, 46, 47, 48]. Diese unterschiedliche Zusammensetzung eines ätherischen Öls kann eine veränderte antibakterielle Wirksamkeit zur Folge haben [39, 46, 47, 48]. Somit gelten die Ergebnisse eines Aromatogramms genau genommen nur für den spezifisch von einem Patienten isolierten Keim und das getestete ätherische Öl einer Charge, das die gleiche Zusammensetzung hat [29].
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung verbinden dagegen eine große Zahl an ätherischen Ölen mit einem nahezu kompletten Spektrum tiermedizinisch bedeutsamer Keimisolate und bieten somit einen breiten Vergleich der Wirksamkeit und auch der Praxisrelevanz.
Die hier dargestellten Ergebnisse zeigen eine Wirksamkeit der ätherischen Öle gegen grampositive und gramnegative Erreger. Zuvor wurde bereits für ätherische Öle anderer Arzneipflanzen in humanmedizinischen [49] und lebensmittelchemischen Studien [49, 50] eine bessere Wirkung gegen grampositive Keime beschrieben. Es wird vermutet, dass gramnegative Bakterien aufgrund ihrer äußeren Phospholipidmembran weniger empfindlich gegen ätherische Öle sind. Grampositive Erreger dagegen verfügen über eine lipophile Zellwand, die für die ebenfalls lipophilen Komponenten der ätherischen Öle permeabel ist. Trotzdem können ätherische Öle, wie auch diese Studie zeigt, gut gegen gramnegative Keime wirksam sein.
Für einzelne Bestandteile ätherischer Öle, wie z.B. das Carvacrol und das Thymol im Oreganoöl, wurde eine Wirkung gegen den grampositiven Keim S. aureusund den gramnegativen Keim P. aeruginosa festgestellt [51]. Die genannten Bestandteile führen zu einer erhöhten Permeabilität der bakteriellen Zellmembran mit nachfolgendem Verlust von lebenswichtigen Kaliumionen und einer pH-Wert-Senkung durch den Ausstrom von Protonen [51, 52]. Zusätzlich erfolgt eine Depletion des zellulären Energieträgers Adenosintriphosphat, die wohl entweder auf einer verringerten Synthese, einer vermehrten Hydrolyse [51] oder auf einem Verlust über die Zellmembran beruht [51, 52].
Im Gegensatz dazu war bei den hier beschriebenen Untersuchungen keine Wirksamkeit der getesteten ätherischen Öle gegen P. aeruginosazu verzeichnen. In einer anderen Studie zeigte sich ebenfalls keine Wirkung anderer ätherischer Öle gegen P. aeruginosa[53]. Diesem Trend entsprechend stellte sich in vielen humanmedizinischen/lebensmittelchemischen [15, 51, 54] wie auch tiermedizinischen Studien [18, 26]P. aeruginosaals der resistenteste Keim dar, der z.B. nur gegen Thymian-, Oregano- oder Lemongrasöl empfindlich war.
Bemerkenswert ist hingegen die In-vitro-Wirksamkeit der ätherischen Öle gegen multiresistente Stämme wie MRSA und MRSP. Für Teebaumöl, Oreganoöl und einige Wirkstoffkomponenten wie das Carvacrol und Thymol wurde auch in humanmedizinischen Studien bereits eine Wirkung gegen MRSA-Stämme beschrieben [55, 56]. In einer anderen umfangreichen humanmedizinischen Studie wiesen 78 von 91 getesteten ätherischen Ölen eine In-vitro-Aktivität gegen MRSA auf [38]. Manukaöl verfügte über eine antibakterielle Wirksamkeit gegen MRSP klinischer Isolate von an Pyodermie und Otitis externa erkrankten Hunden [22]. Somit könnten ätherische Öle aussichtsreiche Kandidaten für eine Alternativtherapie zu Antibiotika sein.
In einem Tiermodell für humane oberflächliche und subkutane S.-aureus-Hautinfektionen zeigten kurz nach subkutaner bakterieller Infektion ebenfalls subkutan injiziertes Zimt- und Nelkenöl eine keimreduzierende Wirkung im Vergleich zur nicht behandelten und sogar im Vergleich zur mit einem Antibiotikum (Gentamicin) behandelten Gruppe [57]. Hautcreme, die unter anderem Teebaumöl enthält, wirkte antibakteriell gegen aus Nasenlöchern von Hunden isolierten S. pseudintermedius[58].
Auch zur synergistischen Wirkung der ätherischen Öle mit Antibiotika gibt es Literaturhinweise aus der Humanmedizin. Ätherische Öle waren in vitro sogar in der Lage, entstandene bakterielle Resistenzen zu verringern. So konnte das ätherische Öl von Helichrysum italicum (italienische Strohblume), insbesondere der Wirkbestandteil Geraniol, in einer In-vitro-Studie die Empfindlichkeit multiresistenter gramnegativer Bakterien, z.B. E. coli, P. aeruginosa oder Acinetobacter baumanii, gegen Antibiotika wie Beta-Lactame, Quinolone und Chloramphenicol wiederherstellen [59]. Geranienöl zeigte mit dem Gyrasehemmer Norfloxacin eine synergistische Wirkung gegen S. aureus, jedoch nicht gegen E. coli[60]. Eugenol, ein Hauptbestandteil von Nelkenöl, senkte die MHK von unterschiedlichen Antibiotika, z.B. Penicillin und Tetrazyklin, gegen gramnegative Keime wie E. coliund P. aeruginosa[61]. Auch für Carvacrol, ebenfalls ein Wirkbestandteil vieler ätherischer Öle, wurde eine synergistische Wirkung mit Penicillin gegen MRSA und E. coli beschrieben. Allerdings ergab dieselbe Studie, dass z.B. Thymol, unter anderem ein Inhaltstoff von Thymianöl, zusammen mit Penicillin sogar eine antagonistische Wirkung hat. Andere Inhaltsstoffe ätherischer Öle hatten wiederum keinerlei Einfluss auf die Wirkstärke von Antibiotika [62].
Zusätzlich können ätherische Öle auch über eine Biofilmwirksamkeit verfügen. Die Biofilmbildlung kann zu einer besseren Resistenz gegen die Wirtsabwehr und die antibiotische Therapie beitragen [63]. Dies gilt gleichermaßen für die Tiermedizin [64]. Oreganoöl, wie auch seine Wirkkomponenten Carvacrol und Thymol, zeigte in einer humanmedizinischen Studie eine Biofilm-inhibierende Wirkung gegen S.aureus, allerdings erst bei einer höheren Konzentration als zur Inhibierung des planktonischen Bakterienwachstums [65]. In einer anderen Studie inhibierte Carvacrol die Bildung eines Biofilms von S.aureus, allerdings nicht die von P. aeruginosa[66]. Manukaöl führte zu einer >50%igen Bakterienreduktion von S. pseudintermedius, isoliert von an Pyodermie oder Otitis externa erkrankten Hunden, und erwies sich somit als potenter Biofilminhibitor [22].
Vor der therapeutischen Nutzung ätherischer Öle sollte jedoch die Verträglichkeit in Bezug auf die jeweilige Tierart und Lokalisation abgeklärt werden. Kenntnisse zur Anwendung von ätherischen Ölen beruhen in der Veterinärmedizin momentan vor allem auf Erfahrungswerten und Studien aus der Humanmedizin [67]. Die ätherischen Öle werden schnell oral oder dermal resorbiert, ihre Metabolisierung findet hauptsächlich in der Leber statt. Die Stoffwechselprodukte werden innerhalb von 48 bis 72 h über den Urin ausgeschieden, etwa 10% der Öle aber auch über den Kot [42]. Besonders die Katze kann im Vergleich zum Hund aufgrund ihrer Glucuronidierungsschwäche anfällig für Intoxikationen mit ätherischen Ölen, besonders mit phenolhaltigen, sein [68, 69]. Sehr häufig treten Vergiftungen durch Teebaumöl bei Katzen auf, kommen aber auch bei Hunden vor [32]. Allerdings können auch andere ätherische Öle unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen. Natürliche Flohprodukte in Form von Shampoos, Spot-ons und Sprays, die ein Mischung aus ätherischen Ölen (Lemongras-, Nelken-, Pfefferminz-, Rosmarin-, Thymian-, Zedernholz- und Zimtöl) enthielten, führten vermehrt bei Katzen, aber auch bei Hunden zu klinischen Erscheinungen [70].
Schlussfolgerung
Auch wenn Ergebnisse von In-vitro-Testungen, wie dem hier angewandten Aromatogramm, aus den genannten Gründen nur eingeschränkt die klinische Wirksamkeit ätherischer Öle vorhersagen können, lassen die vorliegenden Resultate den Schluss zu, dass die spezifische Wirksamkeit eines ätherischen Öls gegen pathogene Keime eines individuellen Patienten vor Therapiebeginn im Labor getestet werden sollte. Das heißt, vor einer Therapie sollte geeignetes Material für eine bakteriologische Untersuchung durch den Tierarzt entnommen und diese anschließend im Labor durchgeführt werden. Für die isolierten Keime kann dann ein Aromatogramm erstellt werden. Außer im Fall von P. aeruginosa, bei dem sich alle ätherischen Öle in vitro als unwirksam zeigten, sollte die Wirksamkeit vor der Therapie getestet werden, da sich keine definitive sehr gute Wirksamkeit eines Öls gegen einen bestimmten Keim vorhersagen lässt.
Ätherische Öle stellen, wie in dieser Studie anhand ihrer In-vitro-Wirkung belegt wurde, auch in der Tiermedizin eine Alternative zu antibiotischen Therapien oder zumindest eine ergänzende Therapiemöglichkeit dar. Sie könnten insbesondere gegen multiresistente Keime eingesetzt werden, je nach Anwendungsmöglichkeiten bei der entsprechenden Tierart. Therapien mit ätherischen Ölen könnten somit auch zu einer Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes beitragen und neuen Resistenzentwicklungen vorbeugen.
Online Supplemental Material
Online Supplemental Table To access the supplemental table, please refer to www.karger.com/?DOI=465519.
Disclosure Statement
Die Autoren sind Mitarbeiter von Laboklin GmbH & Co. KG.