Abstract
Kleinwuchs und Grosswuchs sind in erster Linie Normvarianten der Körpergrösse. Sie liegen auf der Gauss’schen Normalverteilungskurve, welche die 3. und 97. Perzentile als Unter- und Obergrenze des Normbereichs festlegt. Äusserst wichtig ist in diesem Zusammenhang, die Normvarianten der Körpergrösse und des Wachstums von einer krankhaften Wachstumsstörung abzugrenzen. Bei den Normvarianten der Körpergrösse handelt es sich um den familiären oder idiopathischen Gross- bzw. Kleinwuchs. Normvarianten des Wachstums werden als konstitutionelle Akzeleration oder konstitutionelle Entwicklungsverzögerung bezeichnet und in allen Perzentilen beobachtet. Patienten mit krankheitsbedingten Wachstumsstörungen leiden für gewöhnlich an einem Syndrom, einer Skeletterkrankung oder einer Chromosomenaberration, wie z.B. am Silver-Russell-Syndrom (SRS), am Marfan-Syndrom, an Achondroplasie, am Ullrich-Turner- oder Klinefelter-Syndrom. Viele der mit Kleinwuchs einhergehenden Erkrankungen sind mit einer intrauterinen Wachstumsretardierung verbunden. Die durchschnittliche Endgrösse liegt nicht im Bereich der Zielgrösse, sondern unterhalb der 3. oder oberhalb der 97. Perzentile der Population. Patienten mit krankheitsbedingten Wachstumsstörungen können klein-, normal- oder grosswüchsig sein. Die Wachstumsraten sind bei diesen Patienten aufgrund diverser chronischer Erkrankungen organischen und psychosomatischen Ursprungs entweder verringert oder erhöht. Derzeit können Patienten, die unter einem Mangel an Wachstumshormon (growth hormone, GH), am Ullrich-Turner-Syndrom, chronischer Niereninsuffizienz bzw. Prader-Willi-Syndrom leiden sowie SGA (small for gestational age)-Kinder mit Wachstumshormon behandelt werden. Idiopathischer Kleinwuchs dagegen gilt bislang nur in den USA als Indikation für eine Behandlung mit Wachstumshormon. Daten zur Erwachsenengrösse lassen darauf schliessen, dass die Erwachsenengrösse von Patienten mit nachgewiesenem Wachstumshormonmangel innerhalb des Bereichs der Zielgrösse liegt. Für alle anderen Indikationen wurde eine statistisch signifikante Verbesserung der Erwachsenengrösse dokumentiert. Die langfristige Beobachtung dieser Patienten sollte nicht nur eine statistisch signifikante, sondern auch eine klinisch relevante Verbesserung der Erwachsenengrösse belegen. Die Indikationen für eine GH-Behandlung sollten also, je nach Ergebnis dieser langfristigen Beobachtung, möglicherweise nochmals überdacht werden.